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83. Tagung für Naturheilkunde in München

Bericht zur Eröffnung: Bei den wichtigen Gesundheitsfragen müssen Heilpraktiker dabei sein

Dass sich die diesjährige Tagung von denen in den vergangenen Jahren abheben würde, wurde bereits zu Beginn deutlich: Eröffnet wurde die Tagung mit einem musikalischen Beitrag. Das Duo Denum, bestehend aus den praktizierenden Heilpraktikern Elmar Fritsch und Paul Wagner, hieß die Besucher in bayerischer Tracht und einem eigens komponierten „Gstanzl“ willkommen. In dieser traditionellen alpenländischen Liedform, die sich textlich durch sich reimende, spöttische Vierzeiler auszeichnet, verarbeiteten die beiden Liedermacher gekonnt das Tagungsthema: Ein Wink an die Politik, ein Seitenhieb auf das Gesundheits-, Schul- und Gesellschaftssystem, eine Anekdote zur Entstehung und Wichtigkeit der Volksheilkunde, ein guter Rat zur Prävention und Gesunderhaltung. Damit wäre dann, wie im weiteren Verlauf der Eröffnung auch Kathrin Sonnenholzner von der SPD-Fraktion mit einem Augenzwinkern bemerkte, alles Wesentliche gesagt gewesen.

Alois Glück
Ruth Nowak
Bernhard Seidenat
Kathrin Sonnenholzner
Hubert Aiwanger
Ulli Leiner
Klaus Peter Rupp
Joachim Lorenz

Nun geht es bei einer Fachtagung aber natürlich um sehr konkrete, ernste und zukunftsweisende Inhalte und um den Austausch von Argumenten; so nutzten die Redner in ihren Grußworten und Impulsvorträgen die Gunst der Stunde, ihre Standpunkte und Sichtweisen zum Thema „Prävention und Gesunderhaltung – ein Beitrag der Heilpraktiker zur Volksgesundheit“ hervorzuheben.

Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden des Heilpraktikerverbandes Bayern Ingo Kuhlmann wurde das Tagungsthema aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Hielt im vergangenen Jahr Ursula Hilpert-Mühlig das Impulsreferat aus berufspolitischer Sicht des Berufsverbandes alleine, teilte sie sich ihre Redezeit auf dieser Tagung mit Tina Haußer, die das Thema aus Sicht der praktizierenden Heilpraktiker beleuchtete. Die Reden, auf die die Politiker in ihren nachfolgenden Statements zum Teil Bezug nehmen, finden Sie ab S. 76.

Sehr emotional begann danach Alois Glück seine Begrüßungsrede. Nach zehn Jahren als Schirmherr der Tagung für Naturheilkunde war diese Veranstaltung seine letzte in dieser Funktion. Es sei an der Zeit, die Verantwortung weiterzugeben an die nächste, politisch noch aktive Generation. Tief persönlich sprach er über seinen Bezug zur Naturheilkunde, den ganzheitlichen Blick auf den Menschen und die Problematik der Evidenzbasierung in unserer wissenschaftlich geprägten Welt: „Das, was Lebensqualität wirklich ausmacht, ist jenseits von Markt und Nachfrage – und häufig jenseits der Kategorien, die wir mit Messen, Wiegen und Zählen erfassen können.“ Als Beispiel nannte er die Schönheit einer Landschaft oder einer Blume, die sich nicht ohne Weiteres messen lasse. Die Gesundheitspolitik, so der ehemalige Präsident des Bayerischen Landtags, sei nicht unbedingt ein Erfolgskapitel. Prävention sei nur mit einer selbstbewussten Mitarbeit des Patienten möglich und letztlich der Schlüssel zu einem bewussten, einem gelingenden Leben. Die Naturheilkunde sei ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Kultur, so der 74-Jährige: „Sie haben etwas beizutragen, lassen Sie sich nicht entmutigen, und ich danke Ihnen für Ihr Engagement.“ Unter lang anhaltendem Applaus verließ Alois Glück das Podium. Als besonderes Abschiedsgeschenk von Frau Hilpert-Mühlig an ihn zum Ende seiner Schirmherrschaft verfassten die beiden Musiker des Duo Denums einen neuen Text auf den bayerischen Klassiker Klassiker „Paula“, der dann „Alois“ hieß und den der gesamte Saal zum Ende der Veranstaltung gemeinsam sang.

Ruth Nowak, Amtschefin des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege, unterstrich die Wichtigkeit des Tagungsthemas für ihr Ministerium und die Menschen hierzulande. Die Hälfte der Menschen in Bayern sei zu dick – eine große Herausforderung für alle Gesundheitspolitiker, die sich mit diesen Themen beschäftigen, auch im Hinblick auf die daraus resultierenden Folgeerkrankungen. Um dieser Problematik entgegenzuwirken, erarbeite das Ministerium momentan den vom bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer angekündigten „Präventionsplan“. Die Heilpraktiker seien als wichtige Berufsgruppe herzlich eingeladen, zur Umsetzung beizutragen. Schwerpunktthema, so Ruth Nowak, sei in den kommenden beiden Jahren die Kindergesundheit, auch hier sei die Prävention von sehr großer Bedeutung.

Anknüpfend an Nowaks Grußworte äußerte Ursula Hilpert-Mühlig den Wunsch, den Verband zukünftig bereits in der Konzeptionsphase stärker in die Planung mit einzubeziehen. Hier könne die Empirie der Heilpraktiker von enormem Nutzen sein.

Die traditionsreiche Tagung sei, so der neue gesundheitspolitische Sprecher der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, Bernhard Seidenath, genauso wie das Engagement des Berufsverbandes insgesamt, nicht aus der gesundheitspolitischen Landschaft wegzudenken. Wenn es um die wichtigen gesundheitspolitischen Fragestellungen unserer Zeit gehe, dann müssten die Heilpraktiker dabei sein. Mit Blick auf den Gesetzentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium wies Seidenath auf die Aktualität des Tagungsthemas hin. Momentan komme das Wort „Heilpraktiker“ im Entwurf gar nicht vor, das Wort „ganzheitlich“ lediglich einmal. Hier sei noch deutlich „Luft nach oben“, denn kaum ein Gesundheitsberuf sei so prädestiniert für die Gesunderhaltung wie der der Heilpraktiker. Schließlich hätten sie den Menschen immer als Ganzes im Blick. Trotzdem, so seine persönliche Einschätzung, lasse sich auch in der Allgemeinmedizin ein Paradigmenwechsel hin zur Ganzheitlichkeit erkennen. Als Beispiel führte er die sogenannte 4-P-Medizin an: personalisiert, prädiktiv, präventiv, partizipierend. Die Heilpraktiker seien dabei klar in der Vorreiterrolle. Die Mitarbeit des Patienten, Krankheiten gar nicht erst entstehen zu lassen, sei dabei zentraler Punkt und decke sich mit den Ansichten seiner Partei: „Ich bin davon überzeugt, nur wenn wir den Menschen als Ganzes und die entsprechenden Krankheitsursachen sehen, kann der Mensch im wahren und echten Sinne geheilt werden, nur dann kann die Gestaltung eines zukunftssicheren Gesundheitssystems gelingen.“

In der Überleitung zur nachfolgenden Rednerin brachte Frau Hilpert-Mühlig ihre Freude darüber zum Ausdruck, dass die ganzheitliche Sichtweise, wie sie dem Heilpraktiker wesensimmanent ist, in der Politik immer stärker als dem Beruf des Heilpraktikers zugehörig wahrgenommen werde. Damit übergab sie das Wort an Kathrin Sonnenholzner, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD.

Auch ihre Fraktion werde sich auf Bundesebene dafür einsetzen, die Rolle der Heilpraktiker, im Besonderen auch bei präventiven Angeboten, zu stärken. „Idealerweise findet Prävention so statt, dass Sie als Angehörige eines Heilberufes gar nicht damit befasst sind, weil es in der Gesellschaft schon vorher passiert.“ Zwei Forderungen, die sich für die SPD-Fraktion daraus ergäben, seien zum einen mehr Sport in der Schule und zum anderen die Prävention in Bezug auf schlechte Ernährung, im Speziellen die Begrenzung des Zuckeranteils in Nahrungsmitteln, die gezielt für Kinder hergestellt werden. Die eigentliche Aufgabe sei es, die Personen zu erreichen, denen ein Bewusstsein für diese Problematik fehle.

Eine Premiere war die Tagung für Hubert Aiwanger, den Fraktionsvorsitzenden der Freien Wähler im Bayerischen Landtag. In seinem Grußwort stellte er den ganzheitlichen Ansatz in den Mittelpunkt, den die Politik seiner Meinung nach mehr und mehr aus den Augen verliere. Prävention müsse bei den Kindern in der Schule beginnen. Es folgte ein kritischer Blick auf Themen von der nicht vorhandenen Gleichberechtigung von Schulmedizin und Naturheilkunde über den mangelnden Einfluss der Politiker auf die Politik der Krankenkassen bis zur fehlenden staatlichen Unterstützung für wissenschaftliche Studien in der Naturheilkunde. „Früher spielten der Medizinmann, die Kräuterfrau eine große Rolle in einer Gesellschaft. Wir müssen lernen, wieder auf unseren Körper zu hören; und da gehören Sie als Heilpraktiker ganz zentral dazu.“ Seinen Schlussappell richtete Aiwanger dann an seine Kollegen aus der Politik: „Wir müssen sie [die Heilpraktiker, Anm. d. Redaktion] ernster nehmen, als sie derzeit genommen werden – sie haben es verdient.“ Für Bündnis 90/Die Grünen war Ulli Leiner zum ersten Mal auf der Herbsttagung anwesend. Gekonnt griff er den von seinem Vorredner postulierten Titel der Medizinfrauen und -männer auf, um zu unterstreichen, welchen Stellenwert der Beruf der Heilpraktiker in seinen Augen habe. Die besondere Rolle der Naturheilverfahren in der Medizin sei bei Weitem noch nicht so anerkannt, wie sie es eigentlich sein müsste. Pro Versicherten würden die Krankenkassen für die Prävention lediglich 3,50 € ausgeben – und zwar pro Jahr! Damit unterstrich Leiner den Gedanken Hilpert-Mühligs aus ihrem Impulsvortrag. Im Hinblick auf die häufig vorgetragene Kritik an den nicht vorhandenen Ausbildungsstandards auf dem Weg zum Heilpraktiker bat Ulli Leiner die Verbände um eine verstärkte Arbeit an dieser Thematik.

Diese Anregung griff Ursula Hilpert-Mühlig direkt in ihrer Überleitung zum nächsten Redebeitrag auf und verwies Leiner auf die Vielschichtigkeit dieses Themas, die sie aber gerne mit ihm weiterführend diskutieren wollte.

Als Stadt mit den meisten Heilpraktikern in Deutschland habe München einen besonderen Stellenwert. Als Vertreter der Gastgeberstadt sprach Klaus Peter Rupp die Begrüßungsworte. Er skizzierte die Herausforderungen, denen eine Großstadt wie München gegenübersteht und zeigte die vielen freiwilligen Projekte auf, die bereits durchgeführt würden. Den Schwerpunkt seiner Rede bildete die Fragestellung, welche Präventivmaßnahmen an welchen Orten Sinn ergäben. Je nach Stadtteil müssten andere Angebote geschaffen werden – zugeschnitten auf die dort lebenden Menschen. Dies seien wichtige Aspekte, die im Präventionsgesetz berücksichtigt werden müssten.

Alle Vertreter der Politik hoben unisono die Wichtigkeit des Heilpraktikerberufes hervor, verwiesen immer wieder auf die fehlende bzw. sich gerade in der Gesellschaft abzeichnende Zuwendung zur Ganzheitlichkeit und sicherten wiederholt ihr politisches Engagement zu.

Den letzten Redebeitrag übernahm Joachim Lorenz, Referent für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München. Auch für ihn ist der Entwurf zum Präventionsgesetz momentan eine große Enttäuschung: Weder die Heilpraktiker noch die Kommunen würden ausreichend berücksichtigt. „Und gerade wenn es um Verhältnisprävention geht, sind diese beiden Parteien besonders gefragt“, so Lorenz. Es sei ein sehr wichtiger Zeitpunkt, um gemeinsam Einfluss auszuüben. „Lassen Sie uns zusammenarbeiten, lassen Sie uns gemeinsam entsprechende Stellungnahmen ausarbeiten.“

Im Hinblick auf das bevorstehende Gesetz hätte das Thema der 83. Tagung für Naturheilkunde aktueller nicht sein können – und man kann in vielerlei Hinsicht sagen, dass von München aus ein optimistisches Signal gesandt wurde: für mehr Kooperationen, mehr Ganzheitlichkeit und gemeinschaftliches Engagement. Zusammen, für die Prävention und Gesunderhaltung der Menschen hierzulande.

Daniel Brunner

Impulsreferat von Tina Haußer zum Tagungsthema Prävention

Gesundheitspolitisches Referat von Ursula Hilpert-Mühlig bei der 83. Tagung für Naturheilkunde

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Naturheilpraxis 12/2014