Blätter für klassische Homöopathie

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Klassische Homöopathie

Wege aus dem Miasmensalat

Von Roger Rissel

Fortsetzung aus NHP 05-2010

3. Kritik an der Hahnemannschen „Miasmenlehre“

3.1 Zwei grundsätzliche Wege

Die Publikationen zur „Miasmenlehre“ lassen sich in zwei unterschiedliche Stränge teilen.

A Die Konzeption Hahnemanns wird grundsätzlich beibehalten
Vertreter dieses Strangs sind u.a. Ortega, Laborde, Sankaran, Gienow und Vijayakar.

B Es wird die Konzeption der chronischen Krankheiten von Hahnemann kritisch hinterfragt

Die Publikationen dazu finden sich überwiegend in Zeitschriftenbeiträgen und Vorworten zu den Standardwerken Hahnemanns. Als Vertreter dieses Stranges sind u.a. Klunker, Schwabe, Wegener, Wischner und Ulrich zu nennen. Die hier angeführten Kritikpunkte werden im Folgenden aufgezeigt.

Sich diesem Weg zuzuwenden, liegt darin begründet, dass wenn sich zeigen sollte, dass eine kritische Betrachtung der Konzeption Hahnemanns nötig ist, die Ergebnisse wichtig sind für die Betrachtung der Weiterentwicklungen des unter A beschriebenen Weges, bei dem ja grundsätzlich an Hahnemanns Konzept festgehalten und darauf aufgebaut wird.

Die kritischen Betrachtungen, welche die letztgenannten Homöopathinnen und Homöopathen anstellen, sollen genauer dargestellt und dabei wesentliche Aspekte herausgearbeitet werden.

Klunker schreibt 1988 in seiner Einführung zu den Chronischen Krankheiten:
„Leider ist die klassische Homöopathie, fasziniert von subjektiven, spekulativen, neognostischen 1, weltanschaulichen usw. Theoriebildungen oder auch aus einem missverstandenen Festhalten an einer „reinen Lehre“, Hahnemann auf dem klar gewiesenen Weg nicht gefolgt. Obwohl seit hundert Jahren die „Miasmen“ als Mikroorganismen und Parasiten mit ihrem jeweils spezifischen biologisch-symbiontisch pathogenen Verhalten bekannt, ja sichtbar zu machen sind und auch evident geworden ist, dass keineswegs alle chronischen Erkrankungen primär infektiöser Herkunft sein müssen, feiert in der homöopathischen Praxis die alte Miasmentrias in den merkwürdigsten Interpretationen wie in orthodoxer Buchstäblichkeit fröhlich-üppige Urstände“ (Hahnemann 2006, XX).

Klunker befindet, dass „Miasmatiker“ auf dem Krankheitsverständnis zur Zeit Hahnemanns stehen bleiben. Warum werden hinzugewonnene medizinische Kenntnisse nicht berücksichtigt und die homöopathische Therapie vor dem Hintergrund des heutigen Krankheitsverständnisses aktualisiert? Auch andere Homöopathen wie Wischner und Ulrich stellen diese Frage.

Für die Praxis ergibt sich das Problem, welche Theorie aus der Vielfalt der unterschiedlichen und sich widersprechenden Theorien für die praktische Umsetzung der Homöopathie zugrunde gelegt werden soll. Ob etwa der Lehre von Laborde und Risch oder der von Gienow oder Vijayakar gefolgt werden soll. Manche Homöopathen lehnen eine Berücksichtigung der Miasmenlehre vollständig ab. Hier besteht dringender Forschungs- und Handlungsbedarf, um Klarheit für die Praxis der Homöopathie zu schaffen.
Die kritische Reflexion und der wissenschaftliche Dialog können zu einer klaren und praxisrelevanten Lehre der chronischen Krankheiten führen.

Im Folgenden soll gezeigt werden, wie dies aussehen könnte und wie verschiedene Homöopathinnen und Homöopathen bereits in diese Richtung gearbeitet haben.

3.2 Was bedeuten Hahnemanns Begriffe aus heutiger Sicht?

...

3.3 Die Psora aus Sicht der heutigen Medizintheorie

...

4. Spezifika bei feststehenden Krankheiten

...

5. Fallbeispiel: Morbus Still

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5.1 Zusammenfassung der Falldarstellung von Gerd Aronowski

...

5.2 Kommentar

...

6. Fazit

...

Anm.;
1 Neognostisch: Üblicherweise bezeichnet Gnosis ein religiöses Geheimwissen, das die Gnostiker nach eigenem Verständnis von der übrigen Menschheit abhebt.

Literatur:
Allen, J. Henry. Die Chronischen Krankheiten. Die Miasmen. Textband und Materia Medica mit Vergleichstabellen der Miasmen. Verlag Renée von Schlick, 3. Aufl. 1996.
Aronowski, G.: Die homöopathische Behandlung rheumatischer Erkrankungen. In: NHP 1/2007; 76-84.
Bündner, M.: Die Methodik von James Tyler Kent. In: Bleul G.: Weiterbildung Homöopathie. Bd. F, Stuttgart: Sonntag 2005.
Dinges, M.: Hahnemanns Homöopathie: Nur ein „Kind“ ihrer Zeit? In: HZ I/2005.
Gantenbein, M.: Symptome der primären und sekundären Miasmatik. Buchs: Selbstverlag 2003.
Gienow, P.: Homöopathische Miasmen: Die Psora. 2. überab. Aufl., Stuttgart: Sonntag, 2005.
Gienow, P.: Homöopathische Miasmen: Die Sykose. Ein Lern- und Praxisbuch, 2. überarbeitete Auflage, Sonntag: Stuttgart 2005.
Hahnemann, S.: Organon der Heilkunst. Textkritische Ausgabe der sechsten Auflage. Heidelberg: Haug, 1999.
Hahnemann, S.: Die chronischen Krankheiten. Theoretische Grundlagen, 3. Auflage, Heidelberg: Haug, 2006.
Handley, R.: Auf den Spuren des späten Hahnemann. Stuttgart: Sonntag, 2001.
Hollós, J.: Symptomatologie und Therapie der latenten und lavierten Tuberkulose. Wiesbaden: J. F. Bergmann, 1911.
Jenny, M.: Zur Theorie der Homöopathie nach George Vithoulkas – Teil 1. In: HZ II/2001; 84-88.
Kent, J. T.: Zur Theorie der Homöopathie. 4. Aufl., Heidelberg: Haug 1996.
Laborde, Y./Risch, G: Die hereditären chronischen Krankheiten. München: Müller und Steinicke, 1998.
Luft, B./Wischner, M.: Samuel Hahnemanns Organon Synopse. Die 6 Auflagen von 1810-1842 im Überblick. Heidelberg: Haug, 2001.
Ortega, P. S.: Die Miasmenlehre Hahnemanns. 6. überarbeitete Aufl., Stuttgart: Haug, 2005.
Rissel, R.: Die akuten Miasmen Hahnemanns und die Homöopathie. In: NHP 3/2006, 397-405.
Schmidt, J.: Taschenatlas Homöopathie in Wort und Bild. Heidelberg: Haug, 2001.
Schmidt, J. / Kaiser, D. (Hrsg.): Samuel Hahnemann: Gesammelte kleine Schriften. Heidelberg: Haug, 2001.
Schwabe, K.: Die Miasmen im Verständnis Hahnemanns. Definitionen wichtiger Grundbegriffe. In: HZ I/1997; 38-44.
Schweyen-Ott, R.: Bericht zum 2. Therapeutengesprächskreis der DGKH. In: NHP 9/1996, 1455-1458.
Stadler, I.: Auf der Suche nach dem Heringschen Gesetz. In: HZ II/2001; 89-92.
Ulrich, A. C.: Die chronischen Krankheiten. Hahnemanns Lehre aus Perspektive der Medizintheorie des 21. Jahrhunderts. Edition Forschung, Hrsg.: Karl und Veronica Carstens-Stiftung, KVC-Verlag, Essen: 2007.
Wegener, A.: Hahnemanns Theorie der chronischen Krankheiten. In: Genneper / Wegener: Lehrbuch der Homöopathie, Heidelberg: Haug, 2001.
Vijayakar, P.: Die Gesetzmäßigkeit der Miasmen. Die Mathematik der menschlichen Immunantwort auf Krankheiten, übersetzt von Sabine Waldherr-Bliem, Ergoldsbach: Herausgeber/Verlag Kristina Lotz, 2004.
Wischner, M.: Fortschritt oder Sackgasse? Die Konzeption der Homöopathie in Samuel Hahnemanns Spätwerk. 1. Nachdr., Essen: KVC Verlag 2001.
Wischner, M.: Organon für Anfänger. Essen: KVC Verlag 2002.
Wischner, M.: Psora zur Psora – 50 Jahre Miasmen in der ZKH, In: ZKH 2007; 51 (S1): 46-50.

(Dieser Artikel basiert auf drei Vorträgen, gehalten beim ersten Seminartag in Dossenheim 2006, den Woffelsbacher Gesprächen 2008 und dem 14. Therapeutentreffen der DGKH 2008.)

Anschrift des Verfassers:
Roger Rissel
Heilpraktiker
Friedrich-Naumann-Straße 24
55131 Mainz

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Naturheilpraxis 06/2010