Blätter für klassische Homöopathie

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Klassische Homöopathie

Die akute und rezidivierende Otitis media in der homöopathischen Praxis

Behandlung und Bedeutung

Von Stephan Csernalabics

1. Fortsetzung aus NHP 03/08

Schlüsselwörter: Otitis media acuta, rezidivierende Otitis media, Pathophysiologie, Diagnostik, Pulsatilla
Inhalt:
Einleitung

1 Pathophysiologiemit Anatomie und Klinik

a) Anamnese
b) Inspektion
c) Palpation
d) Otoskopie
e) Funktionsprüfung

3 Schulmedizinische Therapie
2 Diagnostik (in der (homöopathischen) Praxis)
4 Homöopathische Therapie
5 Schlusswort

3 Schulmedizinische Therapie

Hier möchte ich einen kurzen Überblick geben über die wesentlichen Aspekte der konventionellen, schulmedizinischen Behandlung, so dass der nicht schulmedizinisch Therapierende die Grundzüge dieser Therapie kennen lernt.
Die Behandlung der akuten Otitis media stützt sich häufig auf vier Grundpfeiler. Man therapiert antipyretisch, analgetisch, antibiotisch und mit abschwellenden Nasentropfen.
Die antipyretische und analgetische Wirkung wird oft gemeinsam durch ein Medikament erzielt, z.B. Paracetamol.
Antibiotisch therapiert man (z.B. mit Amoxicillin) vor allem in Richtung der häufigsten Keime, Streptokokken, Pneumokokken und Haemophilus influenza. Aufgrund der teilweise schweren Komplikationen verstehen wir die schulmedizinischen Vorgaben, die Otitis media acuta mit Antibiotika zu behandeln. Häufig erlebt man jedoch, dass Ärzte nach der Erstdiagnose bei gutem Allgemeinzustand empfehlen, einen Tag zuzuwarten wegen der hohen Spontanheilungsrate.

Abschwellende Nasentropfen, wegen des besseren Erguss-Abflusses durch bessere Belüftung, sind ein wesentlicher Teil der schulmedizinischen Therapie. Während meines Medizinstudiums an der Uni Heidelberg wiesen die HNO-Ärzte, die die praktische Ausbildung leiteten, immer darauf hin, dass eine Antibiose ohne abschwellende Nasentropfen nicht viel Sinn ergäbe. Es sei sogar so, dass die Nasentropfen das wichtigere Medikament seien. Sie berichteten, dass viele der Fälle, die letztlich in den Unikliniken landen, zwar antibiotisch behandelt seien, aber die Verordnung der Nasentropfen leider ausgeblieben war. Versteht man einmal die Pathophysiologie der Otitis media acuta, so ist dies absolut einleuchtend. Übrigens: nicht nur für uns wissenswert, auch die Eltern der Kinder mit rezidivierender Otitis verstehen das sehr wohl und achten zukünftig auf die wesentlichen Eckpunkte, und somit haben wir den Kindern, auch wenn die Eltern sich zukünftig für schulmedizinische Betreuung entscheiden, doch schon einen guten Dienst erwiesen.

Die Parazentese bei ausbleibendem Therapieerfolg führt zur Entlastung des sich aufbauenden Drucks im Mittelohr.
Empfehlungen vom Schulmediziner für unterstützende Therapien wie Wadenwickel, Zwiebelsäckchen, Rotlicht treffe ich manchmal an, häufiger jedoch werden homöopathische Komplexmittel verschrieben.
Für die rezidivierende Otitis kennen wir folgende Empfehlungen:

Häufig wird zur Adenotomie, Tonsillektomie und dem Legen von Paukenröhrchen geraten. Eine Chemoprophylaxe mit sechs Monaten Amoxicillin wurde während meiner Studienzeit noch empfohlen, diese Verordnung habe ich in den letzten Jahren jedoch nicht mehr gesehen. Beim Tubenkatarrh kommen abschwellende Nasentropfen und Mukolytika zur Anwendung sowie das Valsalva-Manöver mit dem Pollitzer-Ballon.
Angesichts der teilweise recht invasiven Maßnahmen (wir haben es ja in diesen Fällen meist mit Kleinkindern zu tun), ist es also immer ein großer Gewinn für die Kinder, wenn sich das Problem durch eine homöopathische Behandlung lösen lässt.
Zur chronischen Otitis media nur ganz kurz: Die chronische Schleimhauteiterung kommt mit wenig Therapie oder (meist lokaler) Antibiose aus. Die chronische Knocheneiterung hingegen erfordert durch ihre heftige Destruktivität intensive chirurgische Eingriffe wie die Tympanoplastik oder radikale Mittelohr-OP`s

4 Homöopathische Therapie

Otitis media acuta

Die akute Otitis media bedarf oft einer homöopathischen Akutbehandlung mit nachfolgender chronischer Behandlung. Wenn sich nach einer Otitis aber bei gesunden Kindern keine Anzeichen für manifeste Miasmen finden, ist eine konstitutionelle Behandlung sicher nicht zwingend. Zu überlegen ist, ob es sich bei der Otitis nicht um ein Aufflackern der latenten miasmatischen Belastung handelt, und ob man nicht aus diesem Grund jeden Fall nachbehandeln sollte. Aber wer kennt nicht aus Kinderanamnesen die Erzählungen der Eltern: „Ja, mit 3 Jahren hatte er eine Mittelohrentzündung, aber danach ging es jahrelang sehr gut und er war kerngesund“? Anscheinend ist die nachfolgende „antipsorische“ oder „antimiasmatische Behandlung“ nicht in jedem Fall zwingend, wobei in solchen Fällen genau beobachtet werden sollte, ob die fehlende antimiasmatische Behandlung eventuell früher zur Manifestierung chronischer Krankheiten führt. Manchmal findet man nach einer erfolgreichen homöopathischen Akutbehandlung aber einfach keine Anlässe mehr für eine weitergehende Therapie.

Zur Behandlung der akuten Otitis bei Kindern, die sich bereits in chronischer homöopathischer Behandlung befinden, hat es sich teilweise bewährt, einfach das konstitutionelle Mittel zu wiederholen oder bei Q-Potenz-Behandlung diese weiterlaufen zu lassen und kurzzeitig eine häufigere Gabenwiederholung zu verordnen, da in akuten Krankheitssituationen die Arzneiwirkung „schneller verbraucht ist“. Häufiger aber benötigen wir akute Arzneien, nicht selten sind komplementäre Mittel angezeigt, hier gilt jedoch, dass ein Arzneimittel zu wählen ist, das in Symptomenähnlichkeit dem akuten Krankheitsbild entspricht.

Wichtig ist es, auch bei stark schreienden Kindern ruhig und sorgfältig nach Hinweisen für das Similimum zu suchen, so helfen wir am besten. Übereilte, unsichere Mittelgaben verkürzen hier nicht unbedingt das Leiden der Kinder.
Bei der Methode zur Mittelwahl scheiden sich die Geister. Im Praxisalltag verordne ich bei den meisten akuten Otitiden aufgrund meiner Arzneimittelkenntnis und Praxiserfahrung. Wenn eine Repertorisation nötig wird, repertorisiere ich oft nach der sinnvollen – und im ComRep unterstützten – Repertorisationsmethode von Werner Dingler mit der Untergliederung in Hauptsymptome, Causa, sonderliche Symptome und Geistes- und Gemütssymptome. Auch die Kombination von Lokalsymptomen des Ohrs und allgemeinen Symptomen wie Fieber, Durst usw. ist eine gute Strategie, rasch ein gutes Simile zu finden. Gerade bei Kindern, die noch nicht sprechen können, wird der Untersuchungsbefund – also die objektiven Symptome – immer wichtiger, gemeinsam mit den wichtigen allgemeinen Anamnese-Zeichen: Durst, Fieber Schweiß (wo genau, kalt oder heiß) sowie Gemütssymptome (Anhänglichkeit, Weinerlichkeit, Zorn, Unruhe, Schreien usw.).

Dosierung:
In akuten Fällen genügen meist einmalige Gaben der C30 oder C200, mit eventuellen flüssigen Wiederholungen nach der Wasserglasmethode und bewährtem Schema, die Hahnemann im Vorwort der Chronischen Krankheiten, Bd.3 anschaulich beschreibt.

Fall 1: Otitis media acuta

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Fortsetzung

Literaturhinweise erfolgen am Schluss des Beitrags.

Anschrift des Verfassers:
Stephan Csernalabics
Heilpraktiker
Hellenstr. 60
76337 Waldbronn-Busenbach

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