B. Chronische Diarrhoen

Chronische Durchfälle (Dauer länger als vier Wochen) sind beinahe nie infektiös-bakteriell bedingt. Sie sind aber oft Leitsymptom bestimmter Krankheiten, deren Ursachen sich äußerst vielfältig gestalten. Für die Differentialdiagnose entscheidend sind Stuhlkonsistenz und -volumen, Blutbeimengungen, Fettstühle und Änderungen der Stuhlgewohnheiten, zum Beispiel ein Wechsel zwischen Diarrhoen und Obstipation sowie allgemeine Krankheitszeichen, Mangelerscheinungen, Ödeme und eventuelle frühere Operationen im Bereich des Magen-Darm-Traktes.

1. Colitis ulcerosa:
Bei der Colitis ulcerosa handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Darmschleimhaut, für die ein schubhafter Krankheitsverlauf charakteristisch ist.

Betroffen sind vor allem Patienten zwischen dem 15. und 50. Lebensjahr, Frauen dabei etwas häufiger als Männer. Die Ätiologie ist bisher noch nicht genau geklärt, doch gelten spezielle psychische Konstellationen (sensitive Persönlichkeit, versteckte emotionale Konflikte und oft recht hohe Intelligenz) als typisch für Kolitispatienten.

Die Erkrankung beginnt am Rektum und breitet sich von dort oralwärts aus. In akuten Fällen mit plötzlichem Beginn werden häufige, schleimige, blutig-eitrige Stühle beobachtet, die oft von hohen septischen Temperaturen und krampfartigen Unterbauchschmerzen gefolgt sind.

Bei milder verlaufenden Formen stellen schleimig-blutige Stühle, die ohne Beschwerden abgesetzt werden, das einzige Symptom dar. Nach längerer Krankheitsdauer beobachtet man eine zunehmende Schrumpfung mit Verschmälerung und Verkürzung des befallenen Kolonteils.
(Abbildung 15)


Abb. 15: Colitis ulcerosa, chronischer Verlauf mit weitgehender Schrumpfung der linken Kolonhälfte bis zur Flexura hepatica. 44jähriger Mann, Krankheitsverlauf von 22 Jahren.


Es kann aber auch zu einer massiven Erweiterung des Kolons zu über sechs Zentimeter Breite kommen. Dies ist ein Hinweis auf ein sogenanntes toxisches Megakolon, das mit schwersten klinischen Krankheitszeichen einhergeht und im Falle einer Perforation eine lebensbedrohliche Komplikation der Colitis darstellt. Bei der Proktosigmoiditis ist der Befall auf das Rectosigmoid beschränkt; charakteristisch sind der Abgang von Schleim und Blut, Diarrhoen sind dagegen eher selten.

Da die Colitis ulcerosa im Frühstadium kaum gegenüber infektiösen Enterokolitiden (Salmonellose, Shigellose, Campylobacter- und Entamoeba histolytica-Infektionen) abgegrenzt werden kann, sollte zur Sicherung der Diagnose unbedingt eine Rectumsigmoidoskopie durchgeführt werden. Dies gilt auch für eine Abgrenzung gegen Morbus Crohn.
(Abbildung 16)


Abb. 16: Verteilungsmuster der Läsionen bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn.


2. Morbus Crohn:
Der Morbus Crohn ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, deren Genese noch unklar ist. Die Entzündung befällt alle Wandschichten und beinahe alle Darmabschnitte; im Gegensatz zur Colitis ulcerosa allerdings bleibt das Rektum in den meisten Fällen verschont.

Klinisch zeigen sich abdominelle Schmerzen, Fieber, Gewichtsverlust, Stuhlunregelmäßigkeiten und wäßrig-breiige Stühle, die in der Regel nicht blutig sind. Gelegentlich treten perianale Fisteln und Systemmanifestationen, wie Polyarthritis, Hautveränderungen (Erythema nodosum), Augensymptome und Anämien auf. Typisch ist der chronische Verlauf über Jahre hinweg; Blutungen, Perforationen oder akut lebensbedrohliche Komplikationen wie bei der Colitis ulcerosa kommen beim Morbus Crohn praktisch nicht vor. Dagegen beobachtet man bei Befall des Dünndarms oft Stenoseerscheinungen mit Darmverschlußsymptomatik. Die Sicherung der Diagnose erfolgt über den Nachweis der typischen endoskopischen und radiologischen Veränderungen.