Akupunktur/TCM

Energetik in der Chinesischen Medizin?

Teil 2

Peter Jeker, Reinhard Bayerlein

Teil 1

Wir alle kennen die Indikationen von Akupunkturpunkten, mit denen tagtäglich gearbeitet wird. In den meisten Fällen kommen hierbei die organsymptombezogenen Indikationen zum Einsatz. Weiter kennen wir Indikationsangaben, die sich noch auf die Syndrome beziehen. So vertreiben manche Punkte Wind, machen die ihnen zugehörige Leitbahn durchgängig, klären Hitze oder beruhigen den Shen. In der Praxis zeigt sich dann aber, dass bei Weitem nicht immer alle Punkte das halten, was die Indikationsangabe eigentlich verspricht. Woran liegt das?


Hierzu ein Beispiel: So wie wir Menschen in unseren vielfältigen sozialen Interaktionen je nach Kontext Schwester, Mutter, Tante, Buchhalterin oder leidenschaftliche Tennisspielerin sind, so hat auch ein Akupunkturpunkt mehrere Aufgaben zu erfüllen (Klaus Radloff). Bl 1 ist der Öffnungspunkt für den Blasenmeridian, er hat eine lokale Beziehung zum Auge, er ist ein Kreuzungspunkt mit verschiedenen Leitbahnen, und er hat sogar Bezug zu zwei außerordentlichen Gefäßen. Seine Wirkung ist aber immer davon abhängig, ob es sich um eine Fülle- oder Leere-Situation handelt und welche Maßnahmen der Organismus vielleicht schon selbst eingeleitet hat! Eben genauso, wie wir innerhalb unseres sozialen Umfeldes einmal als Schwester, Mutter etc. handeln, um situationsadäquat agieren und reagieren zu können. Ein Akupunkturpunkt arbeitet deshalb immer autoselektiv und ist in seiner Wirkung vom energetischen Zustand der Leitbahn abhängig.

Das bedeutet, dass er das Qi je nach körperlichem Bedarf in verschiedene Richtungen innerhalb des energetischen Systems leiten kann. Erst im Krankheitsfall, wenn der Organismus selbst nicht mehr in der Lage ist, das Qi zu regulieren, greifen wir als Therapeuten ein. Hierbei müssen wir uns aber darüber im Klaren sein, welche energetische Ausgangssituation wir überhaupt vorfinden. Dafür benötigen wir entsprechende Diagnosetechniken. Davon auszugehen, ein bestimmter Punkt habe immer dieselbe Wirkung, ist zu einfach gedacht. Die Praxis zeigt, dass diese Vorgehensweise nicht immer zum Erfolg führt.

Pharmakologische Prinzipien

Noch etwas anderes müssen wir bedenken. Durch die Entwicklung der TCM in den 1950er-Jahren wurde versucht, klassisches Wissen zusammenzufassen. Pharmakologische Vorstellungen übertrug man dabei auf das System der Leitbahnen, was so ursprünglich nie vorgesehen war. Denn Kräuter wirken biochemisch auf die Zang Fu, während Akupunkturtechniken das subtile Qi lenken.

Nicht umsonst spricht Bob Flaws3 deshalb auch von einer Akupunktur der Herbalisten. Man versuchte dabei, behandlungsrelevante Punkte nach der Idee von Kräuterverschreibungen zusammenzustellen. Doch die Akupunkturpunkte arbeiten ihrem Wesen nach am weitgehend immateriellen Qi und haben die Aufgabe, den Qi-Fluss innerhalb des energetischen Systems zu regulieren, während die Kräuter aufgrund ihrer biochemischen Wirkung auch dort ihren Hauptangriffsbereich haben.

Natürlich stehen die Ebenen von Körper, Energetik und Shen in Interaktion, doch hat jede dieser Ebenen auch spezifische Behandlungstechniken, die eine darauf abgestimmte Herangehensweise ermöglichen.

Der Akupunkturpunkt

Jeder Punkt wird durch vielfältige energetische Aufgaben der Mehrdimensionalität des menschlichen Daseins gerecht. Radloff versuchte, mit dem System innerhalb der Akupunktur-Massage nach Radloff diesem Anspruch zu entsprechen, und bemühte sich, die unterschiedlichen Ebenen in ein Behandlungskonzept zu integrieren. Die Mehrdimensionalität eines Punktes ergibt sich aus den Schichten, in denen er arbeiten kann. Natürlich ist der Einwand richtig, dass der Punkt immer dort seine Wirkung erzeugt, wo sie benötigt wird. Doch wir haben schon darauf hingewiesen, dass der Körper die energetischen Regeln ebenfalls kennt. Es ist somit nicht die Frage, welche Punkte bei einem bestimmten Symptom oder Syndrom wirken, sondern welche Punkte der Patient in diesem Moment benötigt, um sein energetisches System wieder in das latente Gleichgewicht zwischen Yin und Yang zu bringen. Somit gibt der Organismus des Patienten vor, wie wir zu behandeln haben, und nicht ein Punktrezept! Aus diesem Grund, und das erscheint für viele, die sich mit der APM auseinandersetzen, im ersten Moment befremdlich und anspruchsvoll, findet man im Radloff-Kon- ...

Schichten

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Zusammenfassung

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Anmerkungen
3 Bob Flaws: Vorwort zu »Acupuncture Imaging« von Mark Seem, Healing Arts Press 1990
4 Samuel Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, definierte drei grundsätzliche Störungsphasen des Organismus. Es sind dies die Psora, die Sykose und die Syphilinie. Diese Phasen treffen wir auch bei jedem unserer Patienten in der Akupunktur an. Behandeln wir nur symptomatisch, dann kann sich ein ursprünglich psorischer Zustand in eine Sykose und schließlich Syphilinie weiterentwickeln.
5 Siehe hierzu auch Methoden innerhalb der Japanischen Akupunktur
6 Qi kann ja nicht vermehrt, sondern nur verlagert werden.
7 Hierbei handelt es sich meiner Meinung nach über eine sehr schwammige therapeutische Vorgehensweise, die sehr undifferenziert ist.
8 In diesem Fall würde sich auch der Puls im Feuer als stärker zeigen, was aber nicht als Pathologie gewertet werden dürfte.

Literatur
Die Literatur zum Gesamtbeitrag finden Sie auf webarchiv.naturheilpraxis.de unter Webcode 150717.

Verfasser
Peter Jeker
Bewegungspädagoge/-therapeut (CH)
Reinhard Bayerlein
Heilpraktiker
Lindenweg 3
74586 Frankenhardt



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Naturheilpraxis 8/2015