Akupunktur/TCM

Energetik in der Chinesischen Medizin?

Teil 1

Peter Jeker, Reinhard Bayerlein

Die Frage, ob die Energetik Bestandteil der modernen Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) ist, wird normalerweise jeder, der sich mit diesem Bereich beschäftigt, mit „Ja“ beantworten. Yin und Yang, Qi oder Fülle und Leere sind Begriffe, die jedem, der sich mit diesem System auseinandersetzt, bekannt sind. Doch wie sieht es in der therapeutischen Realität aus? Wird das energetische Denken wirklich als Basis der therapeutischen Überlegungen und Intervention angewandt, oder ist diese auf den Klassikern basierende Grundlage nicht mehr als ein Relikt der alten Schulen, dem man heute nur in Form von Lippenbekenntnissen gerecht wird?


Mit diesem zweiteiligen Beitrag möchten wir den Blick für eine energetische Herangehensweise im Rahmen der Akupunktur öffnen und dadurch ergänzende Betrachtungsweisen aufzeigen. Seit sich die TCM als Lehrmethode durchgesetzt hat, ist der energetische Aspekt tatsächlich weiter in den Hintergrund getreten. Grund hierfür ist die Tatsache, dass sich die Herangehensweise an das Konzept der ursprünglichen CM in den 1950er-Jahren grundlegend geändert hat1.

Geschichtliches

Die TCM entstand in dieser Zeit aus der politischen Notwendigkeit, eine günstige Variante der Gesundheitsversorgung für das Volk, besonders die ländliche Bevölkerung, bereitzustellen. Mao Dse Dong und seine kommunistische Partei Chinas (KPCh) benötigten hierfür ein System, welches konform mit den Ansichten des Marxismus war. Da die klassische CM ein ursprünglich ganzheitliches Heilsystem repräsentierte, das neben materiellen auch religiöse (daoistische und schamanistische) sowie psychologische Bestandteile aufwies, musste es an die Doktrin der Partei angepasst werden. So wurde aus dem ursprünglich mehrstöckigen Gebilde von Körper, Seele und Geist ein an westliche Denk- und Wertemodelle angepasstes System, mit einer an der Hervorhebung materieller Strukturen orientierten Ausrichtung. Die moderne TCM ist in erster Linie auf Vorgänge ausgerichtet, die sich objektiv betrachtet in materiellen Strukturen abspielen, weshalb die Kräutertherapie eine so herausragende Rolle spielt. Besonders hier leistet die moderne TCM ausgezeichnete Arbeit, und die Grundlagenforschung ist beeindruckend. Die in China häufig vertretene Aussage, nach der die „moderne TCM“ zu 80% aus Kräuterheilkunde, zu 10% aus Diätetik und zu je 5 % aus Bewegungstechniken und Akupunktur besteht, unterstreicht den Schwerpunkt und die Ausrichtung der TCM auf den Bereich der Kräutertherapie und stellt die klassischen Ansätze somit nicht ganz korrekt dar. Der Begriff „Traditionell“, der heute im Zusammenhang mit der modernen CM verwendet wird, ist deshalb nicht unbedingt der richtige Begriff für dieses System, da mit seiner Entstehung absichtlich mit den Traditionen gebrochen werden sollte.

Viele westliche Therapeuten lassen heute wieder mehr die aus diesem System entfernten klassischen Denkweisen einfließen. Allerdings gibt es innerhalb der TCM auch jene Vertreter, die die Wirkungsweise der CM, speziell der Akupunktur, durch rein biochemische und neurologische Vorgänge erklären wollen. Dadurch wird Kranksein weiterhin als unliebsame und meist zufällige Störung des Körpers gesehen, wodurch Krankheit jeglichen Sinn verliert – nämlich den Sinn, Teil unseres Lebens zu sein und Entwicklungsprozesse in Gang setzen zu können. Wie im materiell orientierten Weltbild der Wissenschaft wird Krankheit in der modernen TCM nun zu etwas, das man unbedingt bekämpfen muss. Dabei übersieht die TCM völlig die bereits von Aristoteles geforderte „causa finalis“, jenen zielgerichteten Sinn, der hinter allen Geschehnissen steht. Die klassische CM vertritt hier die Ansicht, dass die Bestimmung Shen (himmlisches Erbe) das Potenzial darstellt, welches bewusst entwickelt werden soll. Dies alles sollen aber nur einige wenige Schlaglichter sein, um über die Mehrdimensionalität der CM nachzudenken.

Diese Entwicklung hat dazu beigetragen, dass die Akupunktur in Deutschland von den gesetzlichen Krankenkassen nur als Schmerztherapie bei einer Handvoll Indikationen wahrgenommen und anerkannt wird. Eine solche Ausrichtung auf eine rein wissenschaftlich-materielle Betrachtung des Phänomens Akupunktur und Energetik führt dann zu Aussagen wie der von Prof. Huang, Vizepräsident des Akupunkturforschungsinstituts der Akademie für TCM: „Die Meridiantheorie hat ihre historische Aufgabe … erfüllt, ist aber inzwischen zu einem Engpass (bottle neck) geworden, die die weitere Entwicklung der Akupunktur im 21. Jahrhundert behindert.“ (1)

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Energetische Grundlagen in der APM nach Radloff

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Vorgehensweise in der APM

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Energetik

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Anmerkungen
1 CM meint hier die alten klassischen Ansätze. TCM beschreibt die Darstellung der chinesischen Medizin ab den 1940er-, 1950er-Jahren.
2 Die Links-Rechts-Regel bezieht sich auf die Möglichkeit, Qi aus einem sich energetisch in Fülle befindlichen Meridian in dessen Partner auf die andere Körperhälfte zu überführen. Zum Beispiel kann die Fülle der Blasenleitbahn links in die rechte Blasenleitbahn verschoben werden, wenn diese Aufnahmekapazitäten hat.

Literatur
(1) Prof. Huang: Dt. Zeitschrift für Akup. 51, 2/2008, S. 65
(2) J.V. Müller: Chinesische Medizin wohin? www.shiatsu-austria.at/magazin/magazin_141.htm
(3) Ling Shu; Zhen Jing (Übersetzung: P.U. Unschuld): Ling Shu / Zhen Jing – Antike Klassiker der Chinesischen Medizin. Cygnus Verlag 2015
(4) W.G.A. Schmidt: Der Gelbe Kaiser zur Inneren Medizin. CD-ROM, Bacopa 2001

Die allgemeine Literatur zum Gesamtbeitrag finden Sie auf webarchiv.naturheilpraxis.de unter Webcode 150716.




Verfasser
Peter Jeker
Bewegungspädagoge/-therapeut (CH)
Reinhard Bayerlein
Heilpraktiker
Lindenweg 3
74586 Frankenhardt



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Naturheilpraxis 7/2015