FACHFORUM

Mariendistel (Carduus marianus)

Von der Signatur zur therapeutischen Anwendung

Margret Rupprecht

Die Leber ist die große „Unterscheiderin“ im Reigen der Organe. In jedem Moment muss sie eine Entscheidung darüber fällen, was dem Organismus zuträglich ist und was nicht. Sie integriert und sondert aus. Das bleibt nicht ohne Wirkung auch auf die Ebene des psychischen Erlebens und hat viel mit dem Thema Individualität zu tun sowie mit den Fragen: Was will ich akzeptieren, was lehne ich ab?


Was ist ein Individuum? Die Annäherung an diesen Begriff ist schwierig, und auch die Philosophie gibt nur notdürftige Antworten auf diese Frage. Beim Wort Individuum handelt es sich um eine lateinische Lehnübersetzung des griechischen Wortes átomon – das Unteilbare. Ursprünglich handelt es sich bei Individuum und Atom um ein und denselben Begriff. Während das Wort Individuum noch im 16. Jahrhundert eher die Bedeutung besondere Person besaß, meint der Begriff heute meist den Einzelmenschen im Gegensatz zur Gemeinschaft. Wenn man von der ursprünglichen Wortbedeutung des Unteilbaren ausgeht, stellt sich die Frage: Ist der Mensch wirklich ein unteilbares Ganzes oder nicht eher ein Wesen, das ständig durch Teilhabe und Teilnahme an anderen und anderem bestimmt ist? Wird Individualität nicht tagtäglich infrage gestellt, aufgeweicht, verändert, erschüttert und bisweilen durch Mitmenschen und Umwelt gefährdet?

Das „Wörterbuch der philosophischen Begriffe“ definiert Individualität als Besonderheit des Einzelnen, insbesondere die Eigenart des einzelnen Menschen, sofern sie von der Natur gegeben ist und als ganzheitliche, unteilbare Gestalt aufgefasst werden kann. Mit „Sinn für Individualität“ forderten Herder und die Romantiker den Sinn für das Unverwechselbare, in allen Einzelzügen Zusammengehörige und Übereinstimmende eines Menschen.

Der Dichter Erich Fried hat zu diesem Thema ein prägnantes kleines Gedicht geschrieben:

Eigenartig
wie das Wort eigenartig
es fast als fremdartig hinstellt
eine eigene Art zu haben.

Die Eigenart eines Menschen macht ihn zum Individuum – und doch ist es gerade das Eigenartige, was ihn am anderen und anderen an ihm so oft zu schaffen macht. Seine Eigenart macht einen Menschen liebenswert oder unausstehlich und ist die Quelle vieler Konflikte. Dass ein Mensch dem anderen seine Eigen-Art nicht lässt, dass er immer wieder versucht, die Grenzen seines Gegenübers aufzuweichen, zu überschreiten und zu verletzen, dass ich dem anderen seine eigene Art nehmen und ihm die meine aufzwingen will, führt zu Übergriffen, die den individuellen Freiraum des angegriffenen Menschen verletzen und ihn krank machen können – es sei denn, er weiß sich zu wehren und fährt rechtzeitig seine Stacheln aus – das Thema der Mariendistel, Carduus marianus.

Abgrenzung als zentrales Moment der Pflanzengestalt

Die Mariendistel ist mit bis zu anderthalb Metern Höhe ein sehr großes Gewächs. Sie liebt warme und trockene Standorte. In Steppengebieten kann sie Distelwälder bilden, die bei optimalen Bedingungen zwei Meter hoch werden können. Die ...

Geschichte einer Heilpflanzenverwendung

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Pharmakologie

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Der Ruhm verblasst

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Literatur
Erich Fried: Gedichte. dtv, München, 2002
Johannes Hoffmeister: Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Meiner, Hamburg 1955
Roger Kalbermatten: Wesen und Signatur der Heilpflanzen. Die Gestalt als Schlüssel zur Heilkraft der Pflanzen. AT Verlag, Aarau 2002
Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel. Band 4. Mediamed Verlag, Ravensburg 1988
Hermann Menge: Großwörterbuch Griechisch – Deutsch. Langenscheidt, Berlin und München 1979
Hildebert Wagner, Markus Wiesenauer: Phytotherapie. Phytopharmaka und pflanzliche Homöopathika. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2003
Max Wichtl: Teedrogen und Phytopharmaka. Ein Handbuch für die Praxis auf wissenschaftlicher Grundlage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2002


Anschrift der Verfasserin
Margret Rupprecht
Heilpraktikerin und Medizinjournalistin
Hohensalzaer Straße 6a
81929 München



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Naturheilpraxis 7/2015