Akupunktur/TCM

Die Behandlung von Nephritis nach klassischem Ansatz chinesischer Medizin

Suzanne Robidoux, Ph.D. CM, Übersetzung: Matthias Pätsch

Dieser Artikel erläutert die klassische, chinesische und klinische Diagnostik und den Behandlungsansatz bei Nephritis. In der Terminologie westlicher Medizin wird Nephritis als eine akute oder chronischer Erkrankung definiert, die gewöhnlich einhergeht mit Infektionen und Autoimmunerkrankungen wie Glomerulonephritis, anaphylaktische purpura Nephritis und SLE (systemischer Lupus Erythematodes) Nephritis. Die gewöhnlich sichtbaren Symptome der Nephritis sind: verminderte Harnmenge, trüber Urin, Blut im Urin, Schmerzen im unteren Rücken und Entzündung der Nieren. Die Diagnose der westliche Medizin hierzu ist klar, jedoch fehlt eine effektive, konventionelle Behandlung ohne Nebenwirkungen.


In den Texten der klassischen chinesischen Medizin taucht der Begriff Nephritis nicht auf. Jedoch existieren etliche Abschnitte mit gleichen oder ähnlichen Symptomkombinationen. Die Philosophie der klassischen chinesischen Medizin betrachtet Gesundheit und Krankheit mithilfe der Methode der “Krankheitsdifferenzierung nach acht Prinzipien und sechs Schichten”1. Im Altertum wurden auftretende Symptome als Muster identifiziert und ihnen Rezepturen zugeordnet, um sie behandeln zu können. Vermutlich nach wiederholten Behandlungserfolgen wurden diese Muster dann als “Rezepturenmuster”2 niedergeschrieben. Später, während der östlichen Han Dynastie zwischen 40 und 200 Jahre vor unserer Zeitrechnung, wurden diese klinischen Erfahrungen von Zhang Zhong jing im Werk Shang Han Za Bing Lun festgehalten (Abhandlung von kälteverursachten Erkrankungen). Es war das Ergebnis der Weitergabe von Erfahrungen über Generationen hinweg. Später wurde das Werk bearbeitet und abgetrennt und die Werke Shang Han Lun (Abhandlung von Kältekrankheiten) und Jin Gui Yao Lue (Verschreibungen aus der goldenen Vitrine) gingen daraus hervor. Diese Klassiker erläutern bei bestehender Symptomgruppe die einschlägigen Anwendungen und unterbreiten zudem weitergehende Rezepturen bei verändertem Krankheitsverlauf.

Das medizinische Erbe des Zhang Zhong jing ist offenkundig ein Juwel für jeden klinischen Anwender chinesischer Medizin. Die beiden wesentlichen Aufgaben, denen wir seitdem nachgehen müssen, bestehen darin, die Klassiker korrekt weiterzugeben und sie richtig zu verstehen im Sinne einer heutigen, klinischen Anwendung. Seitdem die moderne “TCM” in den 1950ern unter dem Regime der Volksrepublik China systematisiert wurde, haben wir uns mehr und mehr von den klassischen Originalen und seinen Bedeutungen für die chinesische Medizin entfernt. Dank der Beharrlichkeit einiger Koryphäen auf dem Gebiet klassischer chinesischer Medizin haben wir zum Glück Gelegenheit, das Denken der Klassiker wieder lebendig anzuwenden. Jeder klassische, chinesische und engagierte Arzt erinnert sich und seine Kollegen daran, zurückzugreifen auf Originaltexte, um in ihnen Antworten zu finden. Indes ist deutlich, dass es Jahrzehnte benötigt, das Denken der Klassiker und seine klinische Anwendung zu perfektionieren.

Um die Philosophie und den klinischen Ansatz klassischer Denkweisen zu verstehen, müssen wir unseren Verstand um eine neue Sicht auf die Aspekte Gesundheit und Krankheit erweitern. Ich möchte noch kurz verdeutlichen, wieweit der Ansatz des Shang Han Za Bing Lun vom Denken des Huang Di Nei jing und seinen fünf Elementen abweicht. Dr. Feng Shi Lun meint sogar, diese beiden Klassiker gehörten zu zwei unterschiedlichen Betrachtungsweisen auf Gesundheit und Krankheit. Es ist wohl überflüssig zu sagen, wie weit das Denken der Klassiker auch vom Ansatz der systematisierten ZangFu-TCM entfernt ist. Das Shang Han Za Bing Lun basiert auf der “Syndromdifferenzierung nach den acht Prinzipien”, genannt “ba gang” und der “Musteridentifizierung nach den sechs Schichten” (liu jing bian zheng). Ein weiterer Unterschied des Shang Han Za Bing Lun besteht in der “Identifikation nach Rezepturenmuster” (fang zheng). Diese drei grundlegenden Methoden in der klinischen Krankheitsbehandlung verkörpern den klassischen Ansatz des Shang Han Za Bing Lun und ihnen folgen wir nun während der Analyse und bei der Behandlung von Nephritis.

Innerhalb Chinas gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen jenen Therapeuten, die in ihrer Behandlung dem Ansatz der TCM und dem der Zang Fu folgen und jenen, die das reine, klassische Denken anwenden. Dr. Hu Xi Shu und Professor Feng Shi Lun haben sich beide lebenslang dem Shang Han Lun und dem Jin Gui Yao Lue gewidmet. Gemeinsam veröffentlichten sie über 20 Bücher, in denen sie verschiedene Ansätze nutzten, um die Anwendungen der Klassiker zu verstehen. Sie haben Wesentliches dazu beigetragen, damit das Denken der Klassiker überlebt.

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Herr Song, 19 Jahre alt, Mitglied der Roten Garde

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Erstbehandlung 26. Juli 1966.

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Zusammenfassung der Befunde:

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Die Autorin wird am 8./9./11.5.2013 während des TCM-Kongresses in Rothenburg referieren.

Anmerkungen des Übersetzers:
1Im Englischen “six channels”, bedeutet streng übersetzt “sechs Kanäle”. Da im Deutschen aber der Terminus “sechs Schichten” weit verbreitet ist, wird er im Folgenden verwendet.
2Der Begriff “formula pattern” ist die nächstmögliche Übersetzung der chin. Zeichen und bezieht sich auf eine Gruppe von Symptomen, die mit einer Rezeptur assoziiert wird.
3Liang: altertümliche Maßeinheit, die im Shang Han Lun verwendet wird. Sie entspricht ca. 3 Gramm.
4Harnzylinder sind Eiweißausgüsse der Sammelröhrchen und distalen Tubuli. (Quelle: www.urologielehrbuch.de) Wenn bei mikroskopischer Betrachtung Leukozyten im Urin zylinderförmig sind, weist das auf eine Entzündung der Niere hin. (Quelle: Wikipedia) Bei akuter Glomerulonephritis werden die Zylinder von den Nieren in den Urin ausgeschieden. Eine Degeneration der Zell-Zylinder führt zu granulierten und wächsernen Zylindern. Lt. Pschyrembel werden granulierte Zylinder bei akuter oder chronischer Nephritis befundet.

Autorin:
Dr. Suzanne Robidoux
(Übersetzung: Matthias Pätsch)

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Naturheilpraxis 2/2013