Klassische Homöopathie

Persönlichkeitsinduzierte Ursachen pathologischer Arbeitsprozesse...

Henning Marx

Persönlichkeitsinduzierte Ursachen pathologischer Arbeitsprozesse und Verhaltensweisen sowie ihre Wirkung innerhalb der Dimensionen einer Behandlungsführung – eine systematische, plausibilitätsgestützte Analyse, lautet der Gesamttitel, der dieses Phänomen untersucht.


Zusammenfassung

Die systematische und vollständige Analyse einer Behandlungssituation führt zu dem Schluss, dass es sich im Rahmen der Interaktion zwischen Therapeut und Patient um eine Form der Führung handeln sollte. Unter Berücksichtigung dieser Prämisse lässt sich diese Interaktion anhand verschiedener Kriterien als Behandlungsführung definieren, die über eine verfahrens- und eine patientenorientierte Dimension praktische Relevanz besitzt. Gleichzeitig wird damit der Therapeut über die sonst vorwiegend betrachteten heilmethodischen Kompetenzen hinaus in die Analyse einbezogen. In der Persönlichkeit des Therapeuten liegende Einflussfaktoren auf seine Arbeitsweise können nicht nur eine Quelle für (Arbeitsprozess-) Pathologien bilden und damit in die verfahrensorientierte Dimension hineinwirken. Innerhalb der patientenorientierten Dimension bestimmt die Persönlichkeit des Therapeuten darüber hinausgehend das Verhältnis zum und das Verhalten des Therapeuten gegenüber dem Patienten und führt hier abhängig vom Patiententyp unter Umständen zur Verhinderung eines Behandlungserfolgs aufgrund einer Rollenrigidität des Therapeuten im Sinne einer Pathologie. Somit kann nur unter Beachtung der Erfordernisse beider Dimensionen von einer für den klassischen Homöopathen so wichtigen Behandlungsführung gesprochen werden, die erst das für die Offenheit des Patienten in der Anamnese notwendige Vertrauen gerade in chronischen Krankheitsfällen erzeugt. Zur Analyse der Einflüsse und Wechselwirkungen insbesondere im Hinblick auf die patientenorientierte Dimension ist es notwendig, Therapeut und Patient – zunächst auf Plausibilitätsüberlegungen gestützt – zu typisieren, um abschließend Lösungsansätze skizzieren zu können.

Schlüsselwörter

Behandlungssituation, Behandlungsführung, verfahrens- und patientenorientierte Dimension, Therapeutentypen, Patientengruppen, Pathologie, Rollenrigidität, Reflexion.

Inhaltsübersicht

I. Zielsetzung
II. Einleitung
III. Behandlungsführung und ihre Dimensionen
IV. Therapeutentypen und deren Einfluss auf die Behandlung
V. Idealtypische Patientengruppen und deren Implikationen für den Therapeuten
VI. Instrumente zur Relativierung bzw. Aufhebung persönlichkeitsinduzierter Pathologien
VII. Konklusion

I. Zielsetzung

Es stehen nicht singuläre Fehler im Fokus der Betrachtung. Derartige Fehler treten in jedem Arbeitsprozess auf und nur sehr wenige Menschen und nicht einmal Maschinen sind frei davon, einen solchen zu begehen bzw. zu produzieren. Wichtig ist hingegen, dass der Therapeut wahrnimmt, wenn sich Fehler stets wiederholen. In diesen Fällen ist der Fehler nicht einer einmaligen Situation mit ihren spezifischen Einflussfaktoren geschuldet, sondern Folge einer Konstanten. Aus Sicht eines einzelnen Therapeuten ist einzig er selbst alleinige Konstante für eine Vielzahl von Behandlungssituationen. Es liegt daher nahe, nach Ursachen für sich regelmäßig wiederholende Fehler (Pathologien) während der therapeutischen Arbeit in der Person des Therapeuten zu suchen und deren Relevanz in den zu unterscheidenden Behandlungsdimensionen zu verorten. Daraus ergeben sich drei Vorteile:

1) Aus wissenschaftlicher Sicht wird erst hierdurch eine vollständige Erfassung der Behandlungssituation erreicht.
2) Es lassen sich Kriterien für das Vorliegen einer Behandlungsführung ableiten, um hieraus (in Zukunft) generelle Implikationen für das therapeutische Handeln ableiten zu können.
3) Für die Praxis kann die Bildung der verschiedenen Therapeutentypen (und Patientengruppen) schließlich dem Einzelnen eine Hilfestellung bei der (Selbst-) Reflexion bieten, um persönlichkeitsinduzierte Pathologien als situationsübergreifende Fehler zu erkennen. Auf diese Weise können Impulse für die persönliche Weiterentwicklung und damit eine Verbesserung der eigenen Arbeitsweise erfolgen bzw. Verhaltensalternativen aufgezeigt werden.

II: Einleitung

Rationalität ist ein wesentliches Gütekriterium für die Entscheidungsfindung und somit für das menschliche Verhalten. Dementsprechend gilt sie auch als Gütekriterium für eine klassisch-homöopathische Behandlung mit seinen zahlreich zu treffenden Entscheidungen. An anderer Stelle wurde bereits dargelegt, dass es sich hierbei in der Regel mangels Vorliegen sämtlicher einen Krankheitsfall betreffenden Informationen und der steten Ungewissheit bei der sich auf eine Behandlung beziehenden Entscheidungen immer nur um eine prozedurale Rationalität handeln kann.1 Eine solche ist dann gegeben, wenn es gelingt, die Verfahrensvorschriften korrekt anzuwenden und auf diese Weise das Ergebnis zu verbessern.2 Ausschlaggebend ist in diesem Zusammenhang, ob die Argumente für die eigene Vorgehensweise intersubjektiv nachvollziehbar sind. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass bei einem klassisch-homöopathischen Arbeitsprozess häufig von einem idealen bzw. „gesunden“ Arbeitsprozess im Sinne einer vollumfänglichen Ausführung von Anamnese und Fallanalyse zur Arzneimittelbestimmung gemäß Hahnemanns (Maximal-)Forderung abgewichen werden muss. Ein Festhalten am exakten Wortlaut der Organon-Paragraphen sowie weitere Einflussfaktoren auf den Behandlungsprozess sind in der Lage Paradoxa, Dilemmata, Konflikte und Pathologien hervorzurufen, die den Behandlungserfolg gefährden3, weil sie letztlich die geforderte prozedurale Rationalität der Entscheidungen innerhalb des Behandlungsprozesses verhindern oder zumindest erheblich einschränken.

Naturgemäß steht bei der Analyse einer Behandlungssituation zunächst der Patient mit seiner Krankheit und seinen individuellen Symptomen im Vordergrund. Im Weiteren wird sich auch intensiv mit der Frage nach der sinnvollen Anwendung eines Heilverfahrens bzw. der kunstgerechten Anwendung seiner Instrumente auseinandergesetzt. Nur selten wird jedoch der Therapeut Gegenstand einer tiefergehenden Betrachtung über sein rein fachliches Können hinaus. Dabei wird übersehen, dass der Therapeut (aus seiner Sicht) die einzige Konstante in einer Vielzahl von mehr oder weniger stark variierenden Behandlungssituationen darstellt und damit nicht nur entscheidenden Einfluss auf den Behandlungserfolg nimmt, sondern selbst eine Determinante für eine Vielzahl von Behandlungen darstellt. Umso gravierender ist es, wenn sich hier therapeuteninduzierte Arbeitspathologien entwickelt haben, die auf viele oder alle Behandlungssituationen einwirken. Es erscheint daher sinnvoll, die Determinanten einer Behandlungssituation näher zu betrachten und in diesem Zusammenhang insbesondere zu analysieren, inwieweit auch die Persönlichkeit des Therapeuten neben seinen fachlichen Fähigkeiten Einfluss auf den Behandlungserfolg nimmt bzw. nehmen kann.

III: Behandlungsführung und ihre Dimensionen

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IV: Therapeutentypen und deren Einfluss auf die Behandlung

...

V. Idealtypische Patientengruppen und deren Implikationen für den Therapeuten

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VI: Instrumente zur Relativierung bzw. Aufhebung persönlichkeitsinduzierter Pathologien

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VII. Konklusion

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Anmerkungen
1 Vgl. Marx, H., Inneres Gericht, 2010, S. 960.
2 Vgl. Werder, A. v., Argumentation, 1998, S. 7-14.
3 Vgl. Marx, H., Pragmatismus, 2012, S. 620.
4 Vgl. Hahnemann, S., Organon, 1842, S. 65.
5 Hahnemann, S., Organon, 1842, S. 65-66.
6 Vgl. Lord, R. G. /Maher, K. J., Leadership, 1991, S. 11.
7 Vgl. Weibler, J., Personalführung, 2001, S. 30 ff.
8 Aus dem Führungskontext angepasst; vgl. auch Weibler, J., Personalführung, 2001, S. 29.
9 Im ungünstigen Fall unterstellt der Patient Kompetenz, die nicht vorhanden ist.
10 Vgl. Hahnemann, S., Organon, 1842, S. 127.
11 Optimal kann auch die Weiterverweisung an einen Kollegen sein.
12 Vgl. Kets de Vries, M. F. R. /Miller, D., Personality, Organization, 1986, S. 266 ff.
13 Vgl. Marx, H., Pragmatismus, 2012, S. 618.
14 Vgl. Scholl, W., Informationspathologien, 1992, Sp. 905.
15 Vgl. Wiswede, G., Rolle, 1992, Sp. 2001.
16 Vgl. Luostarinen, R., Internationalization, 1980, S. 33-49.
17 Vgl. Luostarinen, R., Internationalization, 1980, S. 35.
18 Dies ist eine Fehlattribution seitens des Therapeuten aufgrund falschen Rollenverständnisses (s.u.).
19 Vgl. auch Mendenhall, M. E./Punnett, B. J./Ricks, D., Management, 1995, S. 546-549.
20 Vgl. Marx., H., Weg, 2010, S. 85-86.
21 Vgl. Marx., H., Weg, 2010, S. 86-92.

Literaturverzeichnis
Hahnemann, S. (Organon, 1842): Organon, 6. Auflage, 1842, textkritische Neuausgabe, Heidelberg 1999.
Kets de Vries, M. F. R./Miller, D. (Organization, 1986): Personality, culture, and organization, in Academy and Management Review 11/1986, S. 266-279.
Lord, R. G. /Maher, K. J. (Leadership, 1991): Leadership and Information Processing: Linking Perception and Performance, Boston 1991.
Luostarinen, R. (Internationalization, 1980): Internationalization of the Firm, 2. Aufl., Helsinki 1980.
Marx, H. (Inneres Gericht, 2010): Das Innere Gericht – Rationalität in der homöopathischen Behandlung, in NHP 08/2010, S. 959-964.
Marx, H. (Weg, 2010): Weg und Meisterschaft, Norderstedt 2010.
Marx, H. (Pragmatismus, 2012): Pragmatismus – eine Form des Gesetzesbruchs? in NHP 05/2012, S. 511-516, fortgesetzt in NHP 06/12, S. 612-621.
Mendenhall, M. E./Punnett, B. J./Ricks, D. (Management, 1995): Global Management, Cambridge/Massachusetts 1995.
Scholl, W. (Informationspathologien): Informationspathologien, in Frese, E. (Hrsg.): Handwörterbuch der Organisation, 3. Aufl., Stuttgart 1992, Sp. 900-912.
Weibler, J. (Personalführung, 2001): Personalführung, München 2001.
Werder, A. v. (Argumentation, 1998): Argumentation Rationality of Management Decision, Diskussionspapier, TU Berlin, 1998.
Wiswede, G. (Rolle, 1992): Rolle, soziale, in: Gaugler, E./Weber, W. (Hrsg.): Handwörterbuch des Personalwesens, 2. Aufl., Stuttgart 1992, Sp. 2001-2010.

Anschrift des Verfassers:
Henning Marx
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Naturheilpraxis 2/2013