SPEZIAL

Geschichte der Heilkunde und des Heilpraktikerberufs

Teil 4: Neuzeit

Michael Schröder

Teil 3

In der medizinischen Forschung des 17. Jahrhunderts gab es zwei rivalisierende Richtungen der Medizin, die beide den Körper als Maschine verstanden: die Iatrophysiker (René Descartes), und der Iatrochemiker (J.B. van Helmont, F. Sylvius), die, ähnlich wie schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts Paracelsus, das Leben als Abfolge chemischer Prozesse betrachteten. Für den englischen Arzt Thomas Sydenham (1624 – 1689) hingegen waren, auf Hippokrates fußend, vor allem die Beobachtung am Krankenbett und die sorgfältige Beschreibung des Krankheitsverlaufs wichtig.


Dagegen kann Georg Ernst Stahl als wichtiger Vorläufer der Psychosomatik gelten. Er warnte vor der Überbewertung rein anatomischer, physikalischer und chemischer Prozesse bei der Ursachenforschung und Krankheitsbehandlung. Sigmund Freud vorgreifend nahm er ein Unbewusstes an, das stark auf die Bewusstheit und vor allem den Körper einwirke. Die Seele baue den Körper fort, lehrte er. Sie erkenne Fehlfunktionen des Körpers und versuche, ihnen durch eigene Heilanstrengungen zu begegnen. Da alle Bewegungen und Veränderungen ihren Sitz in der Seele haben, so folgerte Stahl, müssten auch körperliche Krankheiten letztendlich seelischen Ursprungs sein. Als Mediziner vertrat er die Lehre vom psychischen Einfluss (Animismus, von anima (lat.) = die Seele) und wandte sich damit scharf gegen den Materialismus der oben genannten Ärzte. Therapeutisch habe man vorsichtig vorzugehen: Die Natur heile entweder spontan (Energie) oder mit vorsichtiger ärztlicher Hilfe (Synergie). Stahl erkannte die Nützlichkeit des Fiebers als folgerichtige Abwehr-Reaktion des Körpers auf Infektionen.

Stahls Konzept wurde in Deutschland wenig aufgenommen, eher in Frankreich. Dort entwickelte es sich weiter zur Philosophie des Vitalismus, dem „élan vital“ von Henri Bergson.

In Deutschland setzte der berühmte Arzt der Goethezeit, Christoph Wilhelm Hufeland (1762 – 1836), das Lebenskraft-Konzept fort. Durch sein Plädoyer für eine sanfte Behandlung – im Gegensatz zur sogenannten „heroischen“ Medizin mit ausgiebigen Aderlässen, künstlich herbeigeführtem Erbrechen u.a., – setzte er also auf die Nutzung der Heilkraft der Natur und Anwendungen von Diätetik und physikalischer Therapie. Damit hatte er großen Einfluss auf die Naturheilkunde des 19. Jahrhunderts.

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Anschrift des Verfassers:
Michael Schröder
Heilpraktiker
Marienstr. 3a
83607 Holzkirchen
E-Mail: kontakt@prisma-seminare.de

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Naturheilpraxis 11/2012