SPEZIAL

Geschichte der Heilkunde und des Heilpraktikerberufs

Teil 3: Mittelalter und frühe Neuzeit

Michael Schröder

Teil 2

Zuweilen erscheint es wichtig, auch an Bekanntes wieder einmal zu erinnern und vielleicht aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Die Geschichte der Heilkunde und der Heilpraktiker gehört zu den bekannten Themen. Jedoch in der Zeit wissenschaftlichen Denkens und Vorgehens, besonders auch in der „Gesundheitsversorgung“, scheint es geboten, an die Quellen zu erinnern, aus denen sich unser Kulturkreis diesbezüglich geschichtlich eigentlich gespeist hat.


Die mittelalterliche Medizin beruhte ganz auf den Überlieferungen der griechisch-römischen Zeit. Im alten Rom hatten verschiedene, meist griechische Ärzte das Wissen der griechischen Medizin gesammelt. So war ab ca. 200 v. Chr. die Medizin des Römischen Reichs fest in griechischer Hand. Dioscorides (ca. 40 – 90 n. Chr.) schrieb eine fünfbändige Materia medica, die bis in die Renaissance verwendet wurde. Die Bedeutung, die in der griechischen Medizin der Hygiene zugemessen wurde, wirkte sich auch im alten Rom positiv aus. Celsus schrieb eine umfassende Enzyklopädie der Medizin in acht Bänden, die ebenfalls die Medizin des Mittelalters prägte. Seine Ansichten beruhten auf der Säftelehre; er übersetzte umfassend die griechische medizinische Nomenklatur ins Lateinische. Somit ist es ihm zu verdanken, dass Heilpraktikeranwärter oft Fachausdrücke doppelt lernen müssen wie cor und kardia für Herz, ren und nephros für Nieren usw. Am nachhaltigsten hat sich seine Entzündungslehre erhalten, bis heute unterscheiden wir nach ihm Tumor, Rubor, Dolor, Calor und Functio laesa. Erst Paracelsus ging über die alten Lehren hinaus, weshalb er sich bewusst eben Para-Celsus (über Celsus hinaus) nannte.

Der berühmteste Arzt der Römerzeit, dessen Vorstellungen das Mittelalter prägten, war Galen (Galenos ca. 130 – 216 n. Chr.). Galen begann als Sport- und Gladiatorenarzt. Nach einigen bekannt gewordenen großen Heilerfolgen wurde er der „Leibarzt“ der römischen Aristokratie und des Kaiserhofs. Galen hat im Grunde zwei große medizinische Richtungen vereint: auf der einen Seite die empirisch-hippokratische mit der Säftelehre (Humoralpathologie) und auf der anderen Seite eine spätgriechische Tradition, die zum ersten Mal Leichenöffnungen am Menschen vornahm und von daher die Krankheitsursachen in antomischen Veränderungen sah (Solidarpathologie). Hauptsächlich durch seine Synthese-Wirkung wurde er im Mittelalter zur nicht mehr hinterfragbaren Autorität. Dies verschloss im Mittelalter den experimentellen Weg durch eigene Versuche zu lernen. Die anatomischen Irrtümer, die bei Galen zu finden sind (z.B. kein Blinddarm beim Menschen) wurden erst durch den flandrischen Arzt Vesalius 1540 korrigiert, die Lehren über den Blutfluss erst im 17. Jahrhundert durch William Harvey – übrigens gegen große Widerstände seiner medizinischen Fachkollegen. Galens Verdienste wirken noch nach in dem Fachausdruck Galenik, der die Lehre von der Herstellung und Zubereitung von Arzneimitteln bedeutet, z.B. wie man ein Eisenpräparat so herstellt, dass es möglichst wenig Nebenwirkungen verursacht.

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Anschrift des Verfassers:
Michael Schröder
Heilpraktiker
Marienstr. 3a
83607 Holzkirchen
E-Mail: kontakt@prisma-seminare.de

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Naturheilpraxis 9/2012