Blätter für klassische Homöopathie

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Klassische Homöopathie

Darf es auch ein Tröpfchen mehr sein? - Dosierung: Eine Entscheidung unter Unsicherheit

von Henning Marx

Teil 1

Teil C: Kasuistik 2

Erstanamnese am 02.10.08 mit W.M., 34 Jahre, verheiratet, Ergotherapeutin.

Hauptbeschwerde Tinnitus:
Dieser trete ganz unterschiedlich auf. Jeden Abend gäbe es etwas anderes: Rauschen, teilweise Fiepen. Sie habe Angst davor, wenn die Frequenzen schneller würden, was jetzt im Zusammenhang mit dem Umzug aufgetreten sei. Es sei wieder besser seitdem sie Teilzeit arbeite. Es habe in der ersten Nacht nach dem Umzug vor dem Einschlafen begonnen. Den Verlust der vertrauten Wohnung mit Wiese vor der Tür habe sie als unangenehm empfunden. Der Tinnitus trete fast nur auf der linken Seite auf. Er würde schlimmer, wenn sie sich unter Druck fühle, auch Alkohol verschlechtere den Zustand.

Indirekte Befragung

Gemüt:
Es werde ihr schnell alles zuviel und sie traue sich nichts zu. Sie sei sensibel, zuverlässig, zärtlich. Kann andere mitreißen. Sie habe einen sehr unaufgeräumten Schreibtisch.

Schwindel:
Schwindel sei am Anfang des Jahres aufgetreten. Beim Bewegen des Kopfes komme „etwas innen nicht mit“.

Schlaf:
Sie nehme Baldrian zum Einschlafen. Phasenweise sei sie auch aufgewacht und nicht wieder eingeschlafen, je nachdem, wie viel außen um sie herum los gewesen sei. Früher hätte sie immer geträumt, sie habe das Abitur noch nicht; heute träume sie, dass ihre Ausbildungsprüfung fehle.

Schweiß:
Kaltschweiß bei Stresszustand, der rieche.

Temperatur:
Wärme möge sie. Sie liebe den Frühling.

Allgemeines:
Am Meer fühle sie sich deutlich entspannter. Neurasthenie im Januar mit niedrigsten Eisenwerten (Hb unter 8, heute wieder bei 12).

Nahrungsmittel:
Wenn sie nichts zu essen bekomme, gerate sie unter Stress: ihr werde es heiß und etwas drehe im Solar plexus, als hebe sie vom Boden ab. Dabei werde sie gereizt. Sie brauche sehr viel Süßes. Abneigung bestehe gegen Lauch. Sie habe Phasen, in denen sie ständig Durst habe.

Magen:
Sie bekomme auch Magenschmerzen, wenn sie nichts esse. Ab einem bestimmten Punkt verschlechtere Essen zunächst, bis eine Besserung einsetze. Sie müsse dann aber Essen, um den Kreislauf zu durchbrechen.

Menstruation:
Die Blutung sei früher länger und stärker gewesen und habe in letzter Zeit um die Hälfte abgenommen.

Extremitäten:
Sie habe nach einem Unfall mit Fraktur des Sprunggelenks heute immer noch Schmerzen in dem Bereich, besonders bei Wetterwechsel.

Haut:
Eine Dornwarze gäbe es an der linken Ferse. Ihre Haare seien sehr schnell fettig.

Kasuistik 2: Repertorisation mittels Kent und Complete in ComRep
(Repertorisation 2)

Arzneimittelwahl:
Aufgrund der Tatsache, dass die Patientin vor einigen Jahren bereits erfolgreich in homöopathischer Behandlung gewesen war und die Symptomatik in größeren Teilen mit der aktuellen übereinstimmte, wird die damalige Arznei Nat-m. (in LM VI eingenommen) zunächst in der Dosierung verordnet, die die Patientin während der vorherigen Behandlung vertragen hatte 10.
Verordnung: Nat-m. IX, 1 Tropfen direkt auf die Zunge.

Termin 28.10.08 – Gesundheitszustand nach 2 Einnahmen:
Nach beiden Einnahmen sei jeweils eine starke Erstverschlimmerung am Fußgelenk mit folgender deutlicher Besserung aufgetreten. Was den Tinnitus beträfe, fühle sie sich entspannter. Das Ohr sei „nicht mehr so zu“. Sie habe keine „Hefepilzbeschwerden“ im Genitalbereich mehr gehabt und auch keine Durstattacken, von denen sie zuvor nicht berichtet hatte.

Bewertung: Nat-m. ist immer noch passend, die Dosierung für den aktuellen Gesundheitszustand für die Patientin allerdings nicht mehr. Positiv ist ebenfalls zu bewerten, dass die Hefepilzbeschwerden zurückgegangen sind, von denen sie in der Erstanamnese nichts erwähnt hatte. Auch das Zufallen des Ohres hatte sie bisher nicht erwähnt.
Verordnet wird Nat-m. LM IX 1 Tropfen, aufgelöst in 200 ml Wasser, davon 1 Messlöffel, zunächst als einmalige Testdosis, danach jeden 2. Tag, wenn keine auffälligen Reaktionen auftreten.

Termin 18.11.08 – Gesundheitszustand nach jeweils der Einnahme des kompletten Glases:

Termin 09.12.08 – Gesundheitszustand nach 22 Einnahmen, jeweils abends um 19 Uhr:

Termin 13.01.08 – Gesundheitszustand nach 12 Einnahmen Nat-m. LM XII:

Termin 10.02.09 – Gesundheitszustand nach 7 Einnahmen Nat-m. LM XV:

Bewertung:

Abschließende Betrachtung

Teil D: Drei Entscheidungsschritte zur Dosierung

Schritt 1: Potenzart

Schritt 2: Potenzhöhe

Schritt 3: Arzneimittelmenge

Schlussbetrachtung
Bezugspunkt der Organon-Paragraphen ist: Hahnemann, S., Organon der Heilkunst, testkritische Ausgabe der 6. Auflage, Neuausgabe 1999, Hrsg. J. F. Schmidt. Heidelberg: Haug 1999.

...

1 Erwähnt werden muss, dass für Hahnemann keinerlei Grund bestanden hat, Q-Potenzen vor weiteren Einnahmen nicht zu verschütteln. Anders als Kent war er in der Veränderung von C-Potenzen aufgrund mangelnder Möglichkeiten der Herstellung von Hochpotenzen beschränkt. Ihm war es gerade mit den Q-Potenzen darum gegangen, diese aufgrund der Verschüttelung häufiger einnehmen zu können.
2 Es soll an dieser Stelle ausdrücklich nicht die Notwendigkeit der Verschüttelung bei wiederholter Gabe einer Q-Potenz in Frage gestellt werden, die im Regelfall immer Bestandteil einer Behandlung lege artis darstellt.

Anschrift des Verfassers:
Henning Marx
Am Kurpark 24
82467 Garmisch-Partenkirchen

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Naturheilpraxis 12/2009