Blätter für klassische Homöopathie

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Klassische Homöopathie

ADHS und Klassische Homöopathie

Von Marion Repschläger-Albert

Fortsetzung aus NHP 3/2009

Zusammenfassung

ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung) wird seit vielen Jahren zunehmend häufiger bei Kindern diagnostiziert und schulmedizinisch mit Metyhlphenidat (Ritalin u.a.) oder Atomoxetin (Strattera) behandelt. Hat die Häufigkeit dieser Störung tatsächlich zugenommen? Welche Ursachen liegen dieser Erkrankung zu Grunde? Gibt es gar eine Disposition für ADHS? Falls dies der Fall ist: Welche Faktoren begünstigen den „Ausbruch“ der Erkrankung? Welche Diagnoseverfahren werden eingesetzt? Gibt es eine Alternative zur chemischen Medikation? Kann eine Behandlung mit Klassischer Homöopathie helfen?

Schlüsselwörter
ADHS, Ursachen, Diagnostik, Ritalin¨ etc., weitere Therapiemöglichkeiten, Homöopathie

Summary
Since many years the diagnosis ADHD (Attention Deficit Hyperactivity Disorder) for children is increasing. The standard therapy treats these children medically with Metyhlphenidat (RitalinTM et al.) or Atomoxetin (StratteraTM). Did the frequency of this disorder actually increase? Which causes lead to this disease? Is there even a predisposition for ADHD? If this is the case: Which factors favour the „outbreak“ of the disorder? Which kinds of diagnostics are involved? Is there an alternative to chemical medication? Is there any help by a treatment with genuine homeopathy?


6. Fallbeispiele

In beiden Fallbeispielen sind die Namen und die Geburtsdaten zum Schutze der Patientinnen geändert.

6.1. Fallvorstellung 1

Jule T., geb. 03.01.2000
Diagnosen: ADHS, Ein- und Durchschlafschwierigkeiten, Neurodermitis, Pollinosis, Diarrhoe

Erstanamnese

Am 29.08.07 erschien Frau T. zunächst ohne J. und berichtete: Ihre 7 1/2-jährige Tochter sei „überdreht, kaum zu bändigen“. Ärztlicherseits sei die Diagnose ADHS „ziemlich gesichert“. J. sei sehr sensibel, kritikempfindlich, wirke nach außen durch ihre forsche Art aber recht robust. An manchen Tagen werde J. ohne jeden Anlass ungeheuer zornig, bis sie schließlich weine und frage, weshalb sie denn so sei, sie wolle doch „gar nicht böse“ sein. Mitunter sei sie eifersüchtig auf ihre jüngere Schwester (4 J.), mit der sie sich aber gut verstehe. Ihr sei wichtig, dass jemand in der Nähe sei. J. habe schon seit Jahren zeitweise Neurodermitis (ärztliche Diagnose) in den großen Gelenkbeugen, vor allem nach Verzehr von Süßigkeiten und Milchreis. Sie habe oft Durchfall ohne Schmerzen und seit ihrer Geburt Schlafprobleme.

Am nächsten Tag kam J. mit ihrer Mutter in meine Praxis. Sie war zum damaligen Zeitpunkt 130 cm groß, wog 25 kg, war hellhäutig mit hellblonden Haaren und blaugrauen Augen. Sie sah mich offen an und gab mir ohne Scheu die Hand. Meine Fragen beantwortete sie bereitwillig. Ihre Lieblingsfächer seien Sport, Englisch und Religion, am wenigsten möge sie Rechnen und Schreiben. J. besuchte die 2. Klasse der Grundschule.

Mit meinem Vorschlag, ihre Konzentration mit ein paar kleinen Aufgaben zu testen, war sie sofort einverstanden. Ich begann mit einer Zeichenaufgabe („Male mir ein Haus, einen Baum und deine Familie“). J. malte sehr differenziert und gut proportioniert. Trotz leiser Unterhaltung zwischen der Mutter und mir ließ sich J. nicht stören. Ein kurzes Diktat bewältigte sie fast fehlerfrei, sie schrieb schön und relativ gerade (unliniertes Papier). Die Rechenaufgaben löste sie in kürzester Zeit.

Während der Anamnese rieb sie sich immer wieder die Nase. Bei den Aufgaben waren ihre Beine fast ständig in Bewegung. Nach rund 1 Stunde war die Grenze der Konzentrationsfähigkeit erreicht. Daher verzichtete ich auf eine klassische körperliche Untersuchung. Stattdessen machten wir zusammen ein paar „Turnübungen“ (Gleichgewicht, Koordination, Gelenkigkeit, Fingermotorik), die J. problemlos und begeistert ausführte.

Gelenkter Bericht
Bisherige Therapie / aktuelle Medikamente
J. habe Sabsimplex im Säuglingsalter bekommen. Wegen Erkältungen im Kleinkindalter habe sie Antibiotika und Spasmomucosolvan-Saft erhalten. Vor ca. 1 Jahr habe sie Sulfur in unbekannter Potenz genommen: 1 x tgl. 1 Tr. in 100 ml Wasser, daraus 1 Teelöffel 2-3 Monate lang. Diese Therapie wurde abgebrochen, da J. mit dem Therapeuten nicht zu Recht gekommen sei. Ab und an nehme sie Schüssler-Salze, einmal habe die Mutter ihr kurzzeitig Zappelin (Komplexhomöopathikum bei ADHS) gegeben, das sie nach 4-5 Tagen wegen „Wirkungslosigkeit“ wieder abgesetzt habe.

Schwangerschaft, Geburt und Stillverhalten
Ab dem 5. Monat seien vorzeitige Wehen und „extrem heftiges Strampeln“ des Kindes aufgetreten. Daher habe Frau T. häufig liegen müssen und hätte „Angst vor der Geburt“ gehabt. Die Geburt wurde 14 Tage nach dem Termin eingeleitet und verlief schnell und ohne Komplikationen. Gewicht 3.390 g, Größe 52 cm, Kopfumfang 34 cm.
J. habe die Brust von Beginn an verweigert und sei sehr unruhig beim Trinken gewesen. Nach ca. 14 Tagen habe die Mutter Tee mit Sabsimplex¨ zugefüttert, den J. aber wegen ihrer „Zappeligkeit“ immer wieder schwallartig ausgespuckt habe.

Erkrankungen im Säuglings-/Kleinkindalter
J. habe ca. ein Jahr lang viel Milchschorf auf dem Kopf gehabt, der mit Ölanwendungen behandelt worden sei. In den ersten beiden Lebensjahren habe sie 3-4 mal im Jahr Magen-Darm-Infekte gehabt. Durch die bisherige homöopathische Therapie habe sich die Anfälligkeit im Verdauungsbereich gebessert.

Impfungen
J. war komplett durchgeimpft. Die Mutter habe keine Verhaltensänderungen nach den Impfungen beobachtet.

Motorische Entwicklung/Rumpf und Extremitäten
Sehr gute altersgemäße motorische Entwicklung. Diskreter Sinkfuß beidseits.

Geistes- und Gemüts-Entwicklung
Eigensinn, Ungeduld/Reizbarkeit, Unruhe: Dieses Verhalten sei besonders extrem bei Pollenflug. J. habe Wutanfälle, bei denen sie mit den Füßen stampfe und die Fäuste erhoben halte. Seit kurzem sei dies mit „schrillem“ Schreien, aber keiner körperlichen Gewalt verbunden. Außerdem leide sie unter Konzentrationsschwierigkeiten und habe Angst vor Dunkelheit und vor dem Alleinsein beim Ein- und Durchschlafen. J. möge Körperkontakt nicht sehr gerne, nur abends im Bett wolle sie kuscheln. Der Tod des Großvaters Ende 2002, zu dem J. eine sehr enge Beziehung gehabt habe, habe sie sehr verstört. Daraufhin habe die Mutter einen Kinderpsychologen zu Hilfe genommen, der „sehr gut mit J. gearbeitet hat“. In diese Zeit fiel auch noch die Geburt der kleinen Schwester und J. kam 4 Wochen später in den Kindergarten. Sie habe einige Freundinnen, mit denen sie gerne spiele.

Schlaf
J. brauche ca. 1,5 Std. bis zum Einschlafen, da sie mitunter noch „überdreht“ sei. Jede Nacht wache sie auf, oft wegen schlechter Träume (Angaben waren nicht möglich) und komme dann ins Elternbett.

Allergien
J. habe im Frühjahr letztes Jahr erstmals eine Pollinosis gehabt, gegen die eine Desensibilisierung im kommenden Herbst geplant sei. Auf Milch und Kiwi reagiere sie mit Durchfall, auf Schokolade mit Neurodermitis. Nüsse führten zu Bronchiospasmus.

Haut
Zeitweise Neurodermitis mit starkem Juckreiz für 2-3 Stunden; J. kratze, bis es blute. Sie habe insgesamt eine eher trockene Haut und bekomme schnell blaue Flecken.

Kopf
Zeitweise nachts starker, übelriechender Kopf- und Stirnschweiß.

Ohren
Bis zum 6. Lebensjahr habe J. ca. zweimal pro Sommer Ohrentzündungen gehabt.

Nase
Sehr heftiges inneres Nasenjucken beidseits (Pollinosis). J. habe Polypen, weswegen sie schnarche.

Mund und Zähne
J. habe einen Schnuller bis zum 5. Lebensjahr gehabt. Schon mit 3 Jahren sei Karies aufgetreten, so dass J. Füllungen (Kunststoff) erhalten habe.

Durst und Appetit
Als kleines Kind habe J. häufig Sand gegessen. Sie trinke ca. 1 l am Tag, vor allem Apfelschorle und Milch. J. habe Verlangen nach Süßigkeiten, Milchreis und Pudding. Manchmal esse sie auch Rohkost. Eier esse sie gerne. Die Mutter achte auf möglichst gesunde Ernährung. Alle 14 Tage werde dieses Bemühen jedoch von den Großeltern väterlicherseits massiv unterlaufen, da diese „absolut uneinsichtig“ seien und J. die allergenen Nahrungsmittel anböten.

Atmungsorgane
Schon immer seien Erkältungen bei J. schnell zu den Bronchien abgestiegen; dann träten heftige Hustenanfälle auf.

Abdomen und Rektum/Stuhl
Der Bauch ist deutlich aufgetrieben („schon immer“), nach Steinobst bekomme sie seit kurzem Blähungen. Ihr Stuhl sei dünn, aber noch geformt, die Stuhlfarbe sei „grasgrün“.

Schweiß/Frost
J. sei eher ein warmblütiger Mensch, im Winter habe sie aber auch kalte Hände und Füße.

Modalitäten
Bewegung bessere die Unruhe. Meeresklima bessere den Heuschnupfen und den Schlaf, so dass J. deutlich ausgeglichener sei.

Familienanamnese
J.’s Mutter neige zu blauen Flecken, Blähungen auf Steinobst und habe eine leichte Allergieneigung. Die Großmutter habe Verdauungsbeschwerden (Blähungen) und Kniearthrose, die Urgroßmutter sei an Darmkrebs, der Urgroßvater an Lungenkrebs verstorben.
J.’s Vater leide an Wirbelsäulen-Problemen, die Großmutter habe Herzprobleme und Migräne. Der Großvater habe einen Hypertonus und Wirbelsäulen-Probleme.
J.’s Schwester leide ebenfalls an Verdauungsproblemen.

Fallanalyse

Fallverlauf

Gelenkter Bericht

Fallanalyse

Therapiekontrolle und Verlauf

6.3. Resümee aus den vorgestellten Kasuistiken

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Karikaturen: Jürgen Albert

Anschrift der Verfasserin:
Marion Repschläger-Albert
Heilpraktikerin, Diplom-Sportlehrerin, Physiotherapeutin
Erwin-Renner-Str. 13
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