Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin e.V.

Yi Lun

Naivität

Nach Ernst zu nehmenden Schätzungen haben wir ein Drittel der Weltvorräte an Erdöl verbraucht und in 20 Jahren werden es mehr als zwei Drittel sein. Benzin wird dann unbezahlbar und die Kriege um die Ölreserven werden noch extremere Formen annehmen.
Was hat das mit uns, den Therapeuten im allgemeinen und den Therapeuten der Chinesischen Medizin im speziellen zu tun?
Ich möchte Ihnen damit ins Bewusstsein rufen, wie wichtig es ist, an die Zukunft zu denken und sich darüber Gedanken zu machen, wie wir in 20 Jahren unseren Beruf als Therapeut ausüben wollen.

Wussten Sie, dass der Beruf des Heilpraktikers einzigartig in Europa ist und einer der wenigen, der keine Eignung oder eine Prüfung seines Könnens in den jeweiligen Therapieverfahren abliefern muss? Es genügt einzig und allein der Nachweis, dass er keine Gefahr für die Volksgesundheit darstellt. Er muss sich nicht überprüfen lassen, ob er für Chiropraktik, Osteopathie, Homöopathie, Phytotherapie, Manuelle Therapie, Traditionelle Chinesische Medizin etc. überhaupt qualifiziert ist.
Wussten Sie, dass dies in fast allen anderen Ländern in der EU oder in der westlichen Welt ganz anders ist? In den USA müssen Osteopathen und TCM-Therapeuten eine 3–5-jährige Ausbildung nachweisen. Dies ist auch in England der Fall, und in einigen anderen europäischen Ländern bahnt sich dieses an.

Auch an die Ärzte, die TCM betreiben, werden keine besonderen Qualifikationsanforderungen gestellt. Sie müssen lediglich eine Facharztausbildung haben und 120 Stunden Ausbildung in Akupunktur nachweisen. Da fragt man sich, was einen Gynäkologen oder Radiologen dazu befähigt Akupunktur zu betreiben.

In Deutschland glaubt man immer noch, dass man ohne eine besondere Ausbildung zum Akupunktieren befähigt ist und das auch bei speziellen Konditionen, z.B. bei Schwangeren und anderen Risikogruppen.

Es mehren sich aber auch in Deutschland die Stimmen, insbesondere der verschiedenen Fachgesellschaften, zu denen auch die Arbeitsgemeinschaft gehört, die eine qualifizierte Ausbildung in der jeweiligen Fachrichtung – für uns TCM-Therapeuten – in der Chinesischen Medizin fordern, denn eine sach- und fachgerechte Behandlung mit Akupunktur ist nicht nur ein wenig Nadelstecherei, wie manche glauben möchte. Die kürzlich abgeschlossenen Studienergebnisse belegen erstaunlicherweise eine hohe Wirksamkeit der Akupunktur und dieses schon, obwohl hier nicht nach allen Regeln der Kunst akupunktiert wurde. Wieviel besser können die Ergebnisse noch sein, wenn eine qualitativ gute Ausbildung Grundlage einer jeden Behandlung wird.

Und hier schließt sich der Bogen zum Erdöl. Wir leben, als würde das Öl ewig reichen, und wir glauben weiterhin, dass unsere Situation als Therapeuten der Akupunktur oder der Osteopathie oder der Homöopathie auch in alle Zukunft weiter bestehen bleibt wie bisher.

Wie naiv sind wir eigentlich?

Die Arbeitsgemeinschaft denkt an die Zukunft. Wir bieten den Interessierten der Chinesischen Medizin eine Ausbildung von ca. 1000 Stunden und mehr an unseren Kooperationsschulen. Wir schauen uns die Prüfungsordnungen und –modalitäten in unseren europäischen Nachbarländern und in den USA an und arbeiten an einer immer weiter fortschreitenden Verbesserung von Aus- und Weiterbildung und der Transparenz der Examina, so dass wir sicher sein können, auch die zukünftigen Anforderungen zu erfüllen. Dies tun wir nicht zuletzt aus unserer Verantwortung den Patienten gegenüber und an der Freude an unserem Beruf, den wir auch in zwanzig Jahren noch ausüben möchten.

Ihr Nils von Below
1. Vorsitzender der AGTCM



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Naturheilpraxis 09/2005