Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin e.V.

„Wer nach allen Seiten offen ist, ist nicht ganz dicht!“

Über die Bedeutung des Punktes Wai Guan (San Jiao 5) für die therapeutische Praxis

von Udo Lorenzen

Der San Jiao ist nicht nur der Repräsentant dreier Wärmebereiche („dreifacher Erwärmer“) im Körper, die für die Koordination aller energetischen Abläufe verantwortlich sind. In der sozialen Interaktion ist der San Jiao auch der Beamte für die Kommunikation mit der Außenwelt. Als Bestandteil des Shao-Yang-Scharniers ist er nicht nur für Abgrenzung und Schutz vor klimatischen Faktoren zuständig. Die Fähigkeit, Kontakte aufzunehmen, den „Small Talk“ zu pflegen oder sich in einer Gruppe wohl zu fühlen, sind ebenso Eigenschaften, die einen ausgeglichenen San Jiao benötigen. Ein gesunder San Jiao zeigt einen Menschen, der offen, höflich, freundlich und hilfsbereit ist. Er zeigt sich in der Eigenschaft, ohne Angst auf Fremde zuzugehen und ohne Mißtrauen in einer Gruppe zu interagieren. Er zeigt sich als ein natürlicher Hüter von geben und nehmen, sich öffnen und abgrenzen.

Der San Jiao beherrscht weniger die intimen Bindungen, deren Domäne der Herzbeutel Xin Bao Luò ist1. Eher vermittelt er die notwendigen sozialen Interaktionen des alltäglichen Lebens.
Ebenso wie er im Körper die Prozesse von Aufnehmen, Verdauen und Ausscheiden koordiniert, reguliert der San Jiao den energetischen Austausch mit der Umwelt.
Der wichtigste Punkt auf der San-Jiao-Leitbahn ist Wai Guan (SJ 5). Als Konfluenzpunkt des Yang Wei Mai koordiniert und vernetzt er das Yang des ganzen Körpers. Yang-Qi ist nicht nur Wärmeenergie, sondern auch Schutz und Verteidigung gegen äußere Einflüsse, wèi qì . Die Interaktion zwischen dem Individuum und seiner Umwelt hängt entscheidend von der Kraft des Wei Qi ab, sich zu öffnen oder „dichtzumachen“, d.h. das Öffnen und Schließen der Hautporen zu koordinieren.

Die „äußere Schranke“ (Wai Guan) kann sowohl den Kontakt nach außen hin herstellen als auch unterbinden. Ob wir nach allen Seiten offen sein oder uns zumachen wollen entscheidet das ministerielle Feuer des San Jiao! Über die Shao-Yang-Achse unterstützt er das Bedürfnis im Menschen an einer sozialen Umwelt. Als Luo-Punkt öffnet SJ 5 den Weg zum Perikard und damit zu Lust und Freude. So folgen diese beiden Funktionen in der Organuhr zeitlich aufeinander und ebnen nach einer gelungenden Kommunikation den Weg zu anderen Genüssen.

Im Folgenden werden die Indikationen des Punktes Wai Guan ( SJ 5) aus den wichtigsten chinesischen Klassikern der Akupunktur übersetzt. Im Schutz vor Schädigungen von außen zeigt der San Jiao seine abgrenzende Kraft, als Iniziator für zündende Ideen seinen vernetzenden Einfluss. Ob wir das „äußere Tor” öffnen oder schließen hat entscheidenen Einfluß auf die Interaktion des Einzelnen mit seiner Umwelt!

Die für die Übersetzung herangezogenen Texte sind:

Bedeutung des Namens:

Besondere Qualifikationen:

• Einer der acht Konfluenzpunkte (Schlüsselpunkte), der mit dem Yang Wei Mai kommuniziert
• Luo-Punkt der San-Jiao-Leitbahn, der die äußere Verbindung zur Perikard-Leitbahn herstellt

Wirkrichtung:
zerstreut pathogenen Wind, schweißtreibend, klärt pathogene Hitze und Entzündungen, entfernt Übel, macht die Leitbahnen und Nebengefäße durchgängig

Moderne Indikationen:
Hitze-Krankheiten, hartnäckiger Kopfschmerz, Ohrensausen, Taubheit, Rötung der Augen, Nackensteifheit, Seitenschmerzen, Drüsen-entzündung, Schmerzen in Arm, Ellbogen und Fingern, Zittern der Hände, Grippe, Lungenentzündung, Parodontose, Zahnschmerzen, Nasenbluten, Übelkeit, Erbrechen, Krämpfe, Poliomyelitis und seine Folgen bei Kindern, Hypertonie, Behinderung in der Bewegung der Arme, Parästhesien in Arm und Hand

Klassische Indikationen:

Udo Lorenzen:
Mikrokosmische Landschaften – übergreifende Konzepte in der chinesischen Medizin, Verlag Müller & Steinicke, München, erscheint im Herbst 2005



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