FACHFORUM

Zur Lebertherapie

Von Josef Karl

I.
Nur eine einzige Pflanze hat in Deutschland Anspruch auf Leberwirksamkeit. Sie ist gründlich untersucht und von ihr allein liegen einigermaßen evaluierte Studien (im Sinne der heute häufig erwähnten BEM = based evidence medicine vor. Es handelt sich um die Mariendistel, die von der Komm. E (Phytotherapie) 1986 eine positive Bewertung erhielt:

Anwendungsgebiete
Droge: dyspeptische Beschwerden
Zubereitungen: Toxische Leberschäden; zur unterstützenden Behandlung bei chronisch-entzündlichen Lebererkrankungen und Leberzirrhose.
Ein einziges Präparat zur Infusion Legalon SiL®-”Madaus” liegt bis heute vor bei akuten Vergiftungen mit dem tödlich wirkenden grünen Knollenblätterpilz. Überhaupt ist die Fa. Madaus AG in Köln Vorreiter in der Mariendistelforschung und brachte als erstes Präparat in der BRD das Legalon® heraus.

Heute gibt es eine Reihe von monografiegerecht dosierten Carduus Marianus = Silybum Marianum-Präparaten, die alle in der geforderten hohen Dosis nicht billig sind (siehe Rote Liste). Sehr stark vereinfacht beruht die Wirksamkeit dieser Mittelmeer-Pflanze darauf, dass sie die Leber-Parenchymzellmembran abzudichten vermag und dadurch zumindest teilweise den Noxen Alkohol und einer Reihe Chemikalien den Zutritt ins Zellinnere verwehrt. Genauer beschreibt die Monografie die Wirkung:
Silymarin wirkt antagonistisch gegenüber zahlreichen Leberschädigungsmodellen: Gifte des grünen Knollenblätterpilzes Phalloidin und a-Amanitin. Lanthaniden, Tetrachlorkohlenstoff, Galactosamin, Thioacetamid sowie dem hepatotoxischen Kaltblütlervirus FV3.

Die therapeutische Wirksamkeit von Silymarin beruht auf zwei Angriffspunkten bzw. Wirkungsmechanismen: zum einen verändert Silymarin die Struktur der äußeren Zellmembran der Hepatocyten derart, dass Lebergifte nicht in das Zellinnere eindringen können. Zum anderen stimuliert Silymarin die Aktivität der nucleolären Polymerase A mit der Konsequenz einer gesteigerten ribosomalen Proteinsynthese. Damit wird die Regenerationsfähigkeit der Leber angeregt und die Neubildung von Hepatocyten stimuliert.

II.
Andere Länder, andere Krankheitsauffassungen und andere Medikamente. In Frankreich beispielsweise ist das erstrangige Leber-Phytotherapeutikum die Artischocke (Cynara scolymus). Bei uns zulande wurde sie lediglich als Antidyspeptikum bewertet, was eine cholagoge Wirkung mit einschließt. Aktuellere Untersuchungen allerdings ergeben auch ein leberzellschützendes Potential. Außerdem wird sie als milder Lipidsenker empfohlen, eine Hemmung der Cholesterinbiosynthese ist vorhanden, doch sei nach meinen Erfahrungen davor gewarnt, chemische Blocker (Statine wie z.B. Zocor) damit zu ersetzen. Das wird nur bei niedrigen Werten gelingen. Trotzdem dürfte es z.Z. die einzige Arzneipflanze sein, deren Einsatz bei dieser Indikation lohnt (im Gegensatz zu allerlei angebotenen Mitteln).

Rp. Cynalip duo 600 Nr.L/C “Sabona” S: 2x1 Kps. (Alternativ: Hepar SL “Sertürner”
Dazu 2 Essl. Hafer- oder Weizenkleie und 2 Äpfel pro Tag – neben einer Diät, versteht sich. (In der Praxis versäumen wir nicht, den von der Diät enttäuschten Patienten zu sagen, dass erhöhtes Cholesterin vielfach schon als ererbt gilt und bei Frauen im Klimakterium der Hormonhaushalt noch ein übriges beiträgt.)

III.
Zurück zu Silybum Marianum (L.), auch genannt Carduus Marianum. Eine Korbblütlerpflanze, leicht als enge Verwandte der Artischocke zu erkennen; die Blätter werden von Botanikern als “tigroid” bezeichnet, wegen ihres gescheckten, tigerfellähnlich gemusterten Aussehens. Wie die Artischocke wächst sie in Mittelmeerländern wild, in Deutschland ist sie in wärmeren Gebieten durchaus kultivierbar. Zubereitungen müssen 200-400 mg Silymarin berechnet als Silibinum enthalten; Teeaufgüsse haben kaum eine Wirksamkeit, sowohl die Blätter als auch die Samen.

Letztere sind wegen ihrer öligen Inhaltsstoffe so gut wie alle fetthaltigen Samen nicht wasserlöslich, obwohl immer wieder gut gemeinte Tees mit ihnen auftauchen. Ende der fünfziger Jahre noch verordnete ich, wie ich es bei Josef Angerer lernte, die damals sehr bekannte Tinktura Rademacheri, eine alkoholische Lösung der Samen, die, wie wir heute wissen, wenig an Wirkstoffen enthielt und als 50 % alkoholhaltig für Leber- und Alkoholkranke nicht geeignet war. Es sollte zur Kenntnis auch von Teeläden und Versandhäusern gelangen, dass diese Drogen – wie auch Ginkgoblätter – eigentlich als wässriger Aufguss ein Unsinn sind, weil die Inhaltsstoffe ein Spezialverfahren zur Extraktion brauchen. Es ist hinausgeworfenes Geld. Empfohlen wurden in unseren Kreisen zur Lebertherapie:

1. Carduus Marianus M
2. Cynara scolymus M
3. Quassia amara HAB
4. Peumus Boldo M
“M” bedeutet positiv monografiert; HAB = Homöopathisches Arzneibuch.

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Anschrift des Verfassers:
Josef Karl
Alpenstr. 25
82377 Penzberg



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