Arbeitsgemeinschaft für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin e.V.

TCM-Therapeuten und Wissenschaft – nein danke?

Bericht und Kommentar anlässlich der Wissenschafts-Diskussion auf dem TCM-Kongress in Rothenburg

von Helmut Magel

Ist Chinesische Medizin wissenschaftlich?

In letzter Zeit sind eine Reihe von großen Studien über die Wirksamkeit von Akupunktur in Deutschland erschienen. Betroffene TCM-Praktiker lehnen diese Studien oft ab, weil sie nicht dem ganzheitlichen Anspruch der TCM gerecht werden. Diese lasse sich nicht mit randomisierten Doppelblind-Studien erfassen.

Oft wird in der Diskussion in Heilpraktiker-Kreisen über die Kritik an der naturwissenschaftlich ausgerichteten Untersuchungsmethode dieser Studien behauptet, die Chinesische Medizin habe nichts mit Wissenschaft zu tun: „Das Vage und Unklare – das ist es, was den Kern der chinesischen Heilkunst ausmacht. Der Mensch ist nicht klar und logisch strukturiert in seinem Gesundheits- und Krankheitserleben. Das behauptet nur die westliche Medizin in ihrem Anspruch, „Naturwissenschaft“ zu sein. Die Wahrnehmung der chinesischen Medizin besteht nicht in kausalem Strukturdenken – wie es die bestechende Systematik der TCM vor gaukeln will – sondern in einem für uns eigentlich sehr ungewohnten synthetisierenden analogem Assoziieren – und das ist im herkömmlichen Sinne unlogisch.“ (Andreas Noll in NHP, April 2005)

Dieser Auffassung hatte Manfred Porkert widersprochen: „Die chinesische Medizin ist eine rationale Wissenschaft im engen und modernen Sinn der Begriffe“ (Neues Lehrbuch der chinesischen Diagnostik, 1003, S. 12). Marcel Granet schrieb in seinem Buch über „Das chinesische Denken“: „Die chinesische Logik ist eine Logik der Ordnung, oder , wenn man so will, eine Logik der Wirksamkeit, eine Logik der Stufenordnungen. (...)

Unter Verzicht auf induktive oder deduktive Schlüsse suchen die Chinesen ihr Denken in der gleichen Weise zu ordnen wie sie die Welt, d. h. die Gesellschaft ordnen. (...)

Weder das Prinzip des Widerspruchs noch das der Kausalität besitzt den für eine Leitregel charakteristischen Einfluss. Das chinesische Denken lehnt diese Prinzipien nicht systematisch ab; doch sieht man andererseits auch keinen Grund, ihnen die Würde philosophischer Begriffe zuzuerkennen. Die Chinesen bemühen sich mit gleicher Hingebung um die Unterscheidung der Dinge wie um deren Verknüpfung.“ (Marcel Granet, Das chinesische Denken, Frankfurt 1985, S. 255)

Selbstverständlich schließt die Chinesische Medizin auch eine „bestechende Systematik“ mit ein. Die braucht man gar nicht abwertend einer sog. „TCM“ (gemeint ist damit immer die unter Mao Ze Dong entwickelte staatlich regulierte Fassung der Chinesischen Medizin) zuzuordnen. Noch einmal Granet zum chinesischen Denken: „Kurzum, sie stellen sich die Welt vor , als ob ein Protokoll deren Lauf regelte, und bemühen sich, sie wie ein Zeremoniell zu ordnen.“ (M. Granet, a.a.O., S. 256) Das spricht eher für eine bestechende Systematik, allerdings mit einer Sprache, deren Begriffe „allusiv“ sind (anspielend, in der Schwebe haltend), ein Umstand, der uns Europäer besonders zu schaffen macht.
Wenn wir Chinesische Medizin praktizieren, bewegen wir uns auf „wissenschaftlichem“ Boden, d.h. unser Tun ist nachvollziehbar, allgemeinverbindlich und wiederholbar.

Unterschiedliche Beweggründe der Krankenversicherungen, Akupunktur-Studien zu betreiben

Statt randomisiert doppelblind – prozessorientiert und qualitativ

Fragestellungen einer qualitativen Untersuchung

Die TCM-Therapeuten zwischen Erkrankung und Befinden des Patienten

Abduktion als vorherrschendes Schlussverfahren

Der ganzheitliche Ansatz der Akupunktur

Ausblick

In der „Wissenschafts-Diskussion“ während des diesjährigen TCM-Kongresses in Rothenburg kristallisierten sich einige Perspektiven für die Zukunft heraus:

Es geht also gar nicht in erster Linie darum, den Kassen oder wem auch immer die Wirksamkeit der Chinesischen Medizin zu beweisen, sondern viel mehr darum, unser eigenes Tun zu reflektieren und den Austausch unter den Behandlern zu fördern. Dazu bedarf es gewisser wissenschaftlicher Methoden und einer Kooperation unterschiedlicher Experten, die letztlich alle einen Gewinn von der Mitarbeit haben müssen. Wir weisen gerne auf die über 2000-jährige (schriftlich festgehaltene) Geschichte der Chinesischen Medizin hin, die vor allem durch den Austausch der Behandler weiterlebte. Aber setzen wir denn diese Tradition wirklich fort?

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Anschrift des Verfassers:
Helmut Magel
Heilpraktiker
Schulleiter der August-Brodde-Schule/Aus- und Weiterbildungszentrum West in der AGTCM
Gemarker Str. 14
42275 Wuppertal
E-Mail: tcm@helmut-magel.de



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Naturheilpraxis 07/2005