Blätter für klassische Homöopathie

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Klassische Homöopathie

Heilung akuter Geisteskrankheiten

Von Werner Dingler

Vortrag, gehalten auf dem Kongress zum 250. Geburtstag von Samuel Hahnemann (BKHD e.V.) am 02. April 2005 in Leipzig

Liebe Kongressteilnehmerinnen, liebe Kongressteilnehmer! Ich freue mich, dass ich zu Ehren des 250. Geburtstages von Dr. Samuel Hahnemann hier in Leipzig zu ihnen sprechen darf.

Ich werde über die Chancen und Probleme der homöopathischen Therapie psychisch Kranker sprechen.

Angesichts Hahnemanns Vielseitigkeit sowie seiner Liebe zu seinen Mitmenschen und der Ehrfurcht vor der Schöpfung, verwundert es nicht, dass Hahnemann sich auch mit der zu seiner Zeit üblichen Behandlung Geisteskranker kritisch auseinandersetzte. Wie die seinerzeit übliche Therapie bei körperlichen Erkrankungen durch heroische Maßnahmen (Aderlass, Purgieren, Verordnung von Arzneimischungen) lehnte Hahnemann die Behandlung Geistes- und Gemütskranker in Form von Bestrafung und Verwahrung ab und setzte als erster auf einen humanen Umgang und auf die Heilung durch homöopathische Medikamente. Therapie kann, was damals üblich war, nicht genannt werden. Wie weit Hahnemann damit seiner Zeit voraus war, erkennen wir, wenn wir uns die Situation der Psychiatrie der letzten 30 Jahre vergegenwärtigen!
Hahnemann nennt in seinem Organon der Heilkunst zwei verschiedene Ursachen für die Entstehung von Geistes- und Gemütskrankheiten, wovon eine der Psychotherapie zugänglich sei, die andere jedoch medikamentöser Therapie bedürfe.

In § 215 seines Organons sagt Hahnemann:

“Fast alle sogenannten Geistes- und Gemüths-Krankheiten sind nichts anderes als Körper-Krankheiten, bei denen das, jeder eigenthümliche Symptom der Geistes- und Gemüths-Verstimmung, sich unter Verminderung der Körper-Symptome (schneller oder langsamer) erhöhet und sich endlich bis zur auffallendsten Einseitigkeit, fast wie ein Local-Übel in die unsichtbar feinen Geistes- oder Gemüths-Organe versetzt.”

Und in § 225 sagt er:

“Es giebt dagegen wie gesagt, allerdings einige wenige Gemüths-Krankheiten, welche nicht bloß aus Körper-Krankheiten dahin ausgeartet sind, sondern auf umgekehrtem Wege, bei geringer Kränklichkeit, vom Gemüthe aus, Anfang und Fortgang nehmen, durch anhaltenden Kummer, Kränkung, Ärgerniß, Beleidigungen und große, häufige Veranlassungen zu Furcht und Schreck. Diese Art von Gemüthskrankheiten verderben dann oft mit der Zeit, auch den körperlichen Gesundheits-Zustand, in hohem Grade.”

In § 226 führt er an:

“Bloß diese, durch die Seele zuerst angesponnenen und unterhaltenen Gemüths-Krankheiten, lassen sich, so lange sie noch neu sind und den Körper-Zustand noch nicht allzusehr zerrüttet haben, durch psychische Heilmittel, Zutraulichkeit, gütliches Zureden, Vernunftgründe, oft aber auch durch eine wohlverdeckte Täuschung, schnell in Wohlbefinden der Seele (und bei angemessener Lebensordnung, auch scheinbar in Wohlbefinden des Leibes) verwandeln.”

Ferner schreibt Hahnemann in § 230, dass sich die homöopathische Therapie nirgendwo in so positiver Weise zeigt wie bei der Therapie Geistes- und Gemütskranker:

“Sind die, für den besondern Fall der jedesmaligen Geistes- oder Gemüths-Krankheit ... gewählten Heilmittel, dem treulich entworfenen Bilde des Krankheits-Zustandes ganz homöopathisch angemessen ... so sind oft die kleinstmöglichen Gaben hinreichend, in nicht gar langer Zeit, die auffallendste Besserung hervorzubringen, was durch die größten, öfteren Gaben aller übrigen, unpassenden (allopathischen) Arzneien, bis zum Tode gebraucht, nicht zu erreichen war. Ja, ich kann aus vieler Erfahrung behaupten, daß sich der erhabne Vorzug der homöopathischen Heilkunst vor allen denkbaren Curmethoden, nirgend in einem so triumphirenden Lichte zeigt, als in alten Gemüths- und Geistes-Krankheiten, welche ursprünglich aus Körper-Leiden, oder auch nur gleichzeitig mit denselben entstanden waren.”

Wenn dem so ist, warum wird dann die Homöopathie in der Psychiatrie nicht häufiger angewandt? Warum werden immer noch die meisten psychisch Kranken in psychiatrischen Einrichtungen verwahrt und mit Psychopharmaka über viele Jahre, teilweise bis an ihr Lebensende ruhig gestellt statt geheilt?

Unsere Realität sieht so aus, dass wir in der Regel nicht bei ernsten Geistes- und Gemütskrankheiten konsultiert werden, sondern allenfalls begleitend, wenn der Patient schon in psychiatrischer Therapie ist, wir noch ein von den behandelnden Ärzten geduldetes (in ihren Augen sowieso nutzloses und meist nur die Angehörigen beruhigendes) Arzneimittel verordnen dürfen. Wenn es dem Patienten dann besser geht, wird natürlich die Besserung dem Psychopharmakon zugeschrieben und darauf beharrt, dass der Patient dies regelmäßig weiter nimmt, um kein Rezidiv zu riskieren.

Es stellen sich in diesem Zusammenhang folgende Fragen: Wirken unsere homöopathischen Arzneien neben den Psychopharmaka ebenso sicher, als wenn der Patient allein ein homöopathisches Medikament zu sich nimmt? Wirken sie nur teilweise oder gar nicht? Wirken sie verändert? Und können wir die Wirkung unserer Arznei erkennen und entsprechende Reaktionen beurteilen um lege artis zu therapieren?

Ich möchte dies an folgendem Beispiel aus meiner Praxis erörtern. In diesem Fall handelt es sich um eine Parallelbehandlung von Psychotherapie, Psychopharmaka und Homöopathie.

Fall 1: Schizophrene Psychose

Fall 2: Akute Geistesstörung mit Zwangsvorstellungen u. Depression

Dieser Beitrag wird in der nächsten Ausgabe “August 2005” fortgesetzt mit der Repertorisation zu Fall 2: ComRep ML Fall 2a:

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Literaturangaben:
Hahnemann, Samuel: Organon der Heilkunst, 6. Aufl. Heidelberg. 1996.
Hahnemann, Samuel: Die chronischen Krankheiten (CK), Heidelberg. 1979.
Kennt, James T.: Repertorium der homöopathischen Arzneimittel, 13. Aufl., Heidelberg. 1993.
PC-Repertorisationsprogramm Com Rep ML (Dipl. Ing. Franz Simbürger, Eching).
Tyler, Margaret L.: Homöopathische Arzneimittelbilder, 2. Aufl. München. 2004

Anschrift des Verfassers:
Werner Dingler
Schottenstr. 75
D-78462 Konstanz



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