Blätter für klassische Homöopathie

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Klassische Homöopathie

Bei Neugeborenen / Säuglingen und Kleinkindern: Charakteristika tiefgreifender homöopathischer Mittel

von Simon Steuerwald

Teil I

Phosphorus

Man findet zwei verschiedene Arten von Phosphor: einen gelben und einen roten. Legt man ein Stück des gelben offen hin so entsteht ein grünes Licht und bekommt den Geruch von Ozon in die Nase; wartet man noch etwas länger entzündet er sich schließlich. Der rote Phosphor ist weniger aktiv und reaktionsfreudig. Phosphorus bedeutet: “Lichtträger” und wurde zur Herstellung von Zündhölzern verwendet. Im menschlichen Körper ist Phosphor praktisch an alle Stoffwechselvorgängen, auch des Nervensystems, beteiligt.

Im Säuglings- und Kleinkindalter ist Phosphorus seltener angezeigt als in der Schulzeit oder der Pubertät. Die Verausgabung fängt erst an, wenn sie sich mit ihrer Umwelt auseinander setzen, wodurch dann die für Phosphorus typischen Krankheitszustände ausgelöst werden. Die große Begeisterung für alles einerseits und die nachfolgende Erschöpfung anderseits ist ein wesentliches Merkmal von Phosphorus.

Phosphorus-Babies sind einem von Anfang an sympathisch. Sie sind ausdrucksstarke Kinder mit strahlenden Augen, langen Wimpern (DD: Hauptmann: Calc, Phos (fein, zart), Tub) und machen einen zufriedenen und glücklichen Eindruck. Am liebsten werden sie hochgenommen und umarmt und geben am liebsten diese Liebkosungen auf ihre Weise wieder zurück. Die Säuglinge sind dünn und haben eine zarte Haut und feine Gesichtszüge. Am liebsten haben sie es, wenn ein Elternteil bei ihnen einschläft, sonst quengeln sie solange bis sich jemand zu ihnen legt. Sie wachen erholt und fröhlich oder aber auch hungrig auf (DD: Schlaf – erwachen – Hunger durch: Lyc, Aeth, Ant-c, Aran, Lyss, Petr, Ph-ac, Psor). Sie haben Angst vor lauten Geräuschen (Gemüt: Furcht – allgemein – durch Geräusche, Lärm: Sil, Ant-c, Asar, Aur, Bell, Bor, Caust, Cham, Cocc, Lyc, Nat-s, Phos, Ther). Im Kleinkindalter wächst das Kind unheimlich schnell, ist schlank und die Haltung wird schon leicht nach vorne gebeugt. Sie besitzen blondes Haar oder auch mal rotes, haben blaue Augen und die Haut ist so zart, dass sie fast durchsichtig erscheint. Die Gesichtsform ist oval mit rosigen Wangen, einem blassen Mund – Nase – Dreieck, die Lippen und Ohrmuscheln sind rot, besitzen glänzende Augen und Sommersprossen (DD: Hauptmann: Alum, Lyc, Mur-ac, Phos, Sulf, Am-c, Ant-c, Calc, Dulc, Graph, Kali-c, Nat-c, Nit-ac, Nux-m, Puls, Sep), die auch nur auf der Nase (DD: Sulf, Phos) sein können. Der offene Mund kann ein Hinweis auf adenoide Vegetation sein. Die Gelenke, bes. die Fingergelenke, sind überstreckbar, Phosphor-Kinder sind recht kälteempfindlich. Sie besitzen eine rege Phantasie, sind leicht beeindruckbar und ihre Sinneswahrnehmung ist gesteigert. Dadurch bekommen sie leicht Angst vor Gespenstern (DD: Acon, Ars; Carb-v, Caust, Hyos, Kali-br, Lyc, Manc, Phos, Plat, Puls, Stram, Sulf, Valer), im Dämmerlicht, nachts, in der Dunkelheit (DD: Stram, Cann-i, Acon, Aeth, Camph, Cann-s, Carb-an, Carb-v, Cupr, Lyc, Med, Phos, Puls), vor dem Alleinsein (DD: Arg-n, Ars, Crot-h, Hyos, Kali-c, Lyc, Phos, Apis, Camph, Clem, Con, Elaps, Gels, Kali-p, Lac-c, Lyss, Puls, Sep, Stram), vor Gewitter (DD: Phos, Staph, Bor, Bry, Calc, Coloc, Gels, Graph, Nat-c, Merc, Nat-m, Phos, Zinc), vor drohender Krankheit (DD: Kali-c, Phos, Alum, Arg-n, Arn, Bor, Calc, Calc-ar, Chin-ar, Kali-p, Lac-c, Lec, Lit-t, Nit-ac, Nux-v, Ph-ac, Plat, Puls, Sep, Spong) und vor Räubern / Einbrechern (DD: Ars; Arg-n, Con, Ign, Lach, Nat-m, Nit-ac, Rhod, Sep); ebenso können Autoabgase Kopfschmerzen verursachen.

Phosphorus-Kinder besitzen ein aufgeschlossenes, intelligentes und flexibles Verhalten, was ihnen ermöglichst gut auf ihre Umwelt einzugehen. Sie fühlen die Stimmung der anderen Menschen sehr genau und im Gegenzug hinterlässt diese Stimmung einen tiefen Eindruck auf sie. Das Kind ist kaum imstande, sich gegen den Einflüssen von außen abzuschirmen. Durch das Tempo, mit dem das Kind seine Umgebung beleben kann, wird es schnell erschöpft und müde. Dann sucht es die Ruhe und vergisst alles um sich herum. Die Gedächtnisleistung und das Konzentrationsvermögen lassen spürbar nach, aber durch keinen kurzen Schlaf erholen sie sich rasch (DD: Allgemeines – Schlaf > – nach kurzem: Adam, Calad, Carc, Cob, Cob-n, Fl-ac, Form, Heliae-luc, Kali-bi, Lar-ar, Med. Meph, Nux-m, Nux-v, Ph-ac, Pneu, Phos, Ran-r, Senec, Sol oder Schlaf – kurz – erquickend: Fl-ac, Nux-v, Adam, Bamb-a, Bros-g, Cob- Cob-n, Form, Lac-lox, Lap-gr-m, Lar-ar, Med, Meph, Mez, Ph-ac, Phos, Psil, Pulm-a, Ran-r, Rheum, Sol). So ist auch das Selbstbewusstsein ist nicht gut ausgeprägt, da das Phosphor-Kind in seiner Umgebung aufgeht oder darin zerfließt, deshalb ist das Kind auch ständig auf der Suche nach körperlichem Kontakt und jemandem, der ihn Schutz vor der Außenwelt gibt. Vor diesem Hintergrund werden die Erschöpfungszustände verständlich. Sie besitzen charakteristische Verhaltensweisen, wie z.B. bei einem Arztbesuch müssen sie sofort nach der Ankunft auf die Toilette oder auch langsames an- und ausziehen sowie beim Antworten auf Fragen, überhaupt beim Sprechen.

Sie haben die Neigung zur hämorrhagischen Diathese, welche sich in dem häufigen Nasenbluten oder auch darin äußert, dass kleine Wunden stark bluten (DD: Allgemeines – Wunden – bluten –frei – kleine Wunden: Carb-v, Lach, Phos, Sulf-ac, Zinc). Phosphorus kann sich bei folgenden Bluterkrankungen als sehr hilfreich erweisen: anaphylaktische Purpurea Schönlein – Henoch (Vaskulitis der kleinen Gefäße der Haut, Magen – Darm – Trakt und Nieren; Erkrankungsbeginn vor dem 20. Lj; häufigste Vaskulitis im Kindesalter) oder idiopathische thrombozytopenische Purpurea Welhoff (Thrombopenie infolge verkürzter Lebensdauer der Thrombozyten durch antithrombozytäre Autoantikörper, Pschyrembel).

Wie die Säuglinge so haben auch die Kleinkinder Schwierigkeiten mit dem Einschlafen; aufgrund ihrer lebhaften Phantasie und ihrer Furcht vor der Dunkelheit (DD: Stram, Cann-i, Acon, Aeth, Camph, Cann-s, Carb-an, Carb-v, Cupr, Lyc, Med, Phos, Puls), fällt ihnen das Einschlafen schwer und verlangen danach, ein Licht im Gang brennen und die Schlafzimmertür offen stehen zu lassen.

Morgens erwachen sie früh und kommen in das elterliche Bett gekrochen, um zu Schmusen. Am liebsten schlafen sie auf der rechten Seite.

Bei der Ernährung finden wir ein starkes Verlangen nach herzhaften (DD: Chin, Phos, Sulf, Ars, Carc, Cist, Fl-ac, Hep, Lac-c, Nux-v, Puls, Sang, Tarent, Zing), salzigen (DD: Arg-n, Carb-v, Lac-c, Nat-m, Nit-ac, Phos, Verat, Aloe, Calc, Cal-p, Carc, Caust, Chin, Con, Cor-r, Lycops, Lyss, Manc, Med, Plb, Sanic, Tarent, Thuj, Tub) und sauren (DD: Acon, Cor-r, Hep, Verat, Abies-c, Ant-c, Ant-t, Apis, Arn, Ars, Bor, Brom, Bry, Calc, Carb-v, Cham Cist, Con, Ferr, Ferr-m, Fl-ac, Ign, Kali-ar, Kali-c, Lach, Mag-c, Med, Myric, Nat-m, Ph-ac, Ptel, Phos, Podo, Puls, Sabad, Sabin, Sec, Sep, Squil, Stram, Sul-i, Sulf, Teucr) Speisen sowie nach kalten Getränken aus dem Kühlschrank, die dann in großen Schlucken getrunken werden (DD: Ars, Bry, Nat-m, Phos, Sulf, Uran-n, Verat, Acet-ac, Acon, Chin, Cocc, Eup-per, Ferr-p, Jatr, Lac-d, Lycops, Merc-c, Podo, Ruta, Sac-alb, Stram, Thyr), (aber sobald die Getränke im Magen sind, werden sie erbrochen – DD: Phos, Calf, Pyrog, Kali-bi). Dagegen findet sich eine Abneigung gegen Süßigkeiten (DD: Arg-n, Graph, Ars, Caust, Kali-c, Lepro, Lyc, Merc, Phos, Sin-n, Sulf-ac, Sulf, Zinc), Eiscreme und Fleisch, v.a. fettes Fleisch (DD: Carb-v, Bamb-a, Calc-ar, Carc, Cosn, Hell, Phos, Ptel, Sec) wird abgelehnt.

Einschub – DD:

Durst auf große Mengen kaltes Wasser, die aber in kleinen Schlucken getrunken werden: Acon, Ars, Ant-t, Hyos, Onos, Sanic
Durst auf große Mengen, die in großen Intervallen getrunken werden: Bry, Sulf, Cassi-s, Hell, Podo, Verat
Durst auf große Mengen, die häufig getrunken werden: Bry, Acon, Bell, Eup-per, Lac-d, Nat-m, Tama, Tarent, Thyr
Durst auf kleine Mengen, die häufig getrunken werden: Ars, Bell Chin, Coloc, Corn, Nat-ar, Onos, Sulf

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Quellenverzeichnis:
Hauptmann, Horst, Homöopathie in der kinderärztlichen Praxis, Heidelberg, 1991, Haug Verlag
Herscue, Paul, Die homöopathische Behandlung der Kinder, Groß Wittensee, 1997, Kai Kröger Verlag
Grandgeorge, Didier, Arzneimittelbilder in der Kinderheilkunde, Stuttgart, 2000, Johannes Sonntag Verlag
Vermeulen, Frans, Kindertypen in der Homöopathie, Stuttgart, 2003, Johannes Sonntag Verlag
Vithoulkas, George, Essenzen der homöopathischen Arzneimittel, 1998, Sylvia Faust Verlag
Pschyrembel Klinisches Wörterbuch, Berlin, 2002, de Gryter
Simbürger, Franz, Comrep, 2000

Anschrift des Verfassers:
Simon Steuerwald
Heilpraktiker
Von-Kieffer-Str. 131
67067 Ludwigshafen



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