Blätter für klassische Homöopathie

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Klassische Homöopathie

Bericht zum 7. Therapeuten-gesprächskreis der DGKH in Moos am Bodensee vom 15. – 17. Juni 2001

von Renate Schweyen-Ott

Fortsetzung aus NHP 12/2001

"Angstneurose" und "Phobien" werden heute unter dem Begriff Angststörungen mit unterschiedlichen Manifestationen der Angst zusammengefasst. Wichtigste Angstsymptome sind:

vegetative Symptome, wie etwa Herzklopfen, Schweißausbrüche, Erröten, Zittern, Mundtrockenheit;
andere körperliche Symptome, wie z.B. Atembeschwerden, Beklemmungsgefühl, Kloßgefühl im Hals, Thoraxschmerzen, Übelkeit, Parästhesien in diversen Körperregionen, Schwindel, Ruhelosigkeit;
psychische Symptome, wie Unsicherheit, Angst vor Kontrollverlust, Angst, verrückt zu werden oder zu sterben.

Zu den Phobien gehören etwa Phänomene, wie die Agoraphobie (griech. àgorá = Marktplatz; = Furcht, sich auf öffentlichen Plätzen und Straßen aufzuhalten, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen oder die Wohnung zu verlassen), also die Platzangst; diese kann mit und ohne Panikattacken auftreten; oder die Tierphobie, eine nicht realistische Furcht vor bestimmten Tieren, wie etwa vor Hunden, Schlangen, Spinnen etc.; die Klaustrophobie (lat.= claustrum = Verschluss, Käfig; = Furcht in engen Räumen, wie etwa in Aufzügen; im Theater müssen klaustrophobische Patienten immer am äußersten Rand der Stuhlreihe sitzen).

Eine heutzutage immer häufiger auftretende Angststörung ist beispielsweise die sog. Panikstörung, die episodisch-paroxysmal auftritt in bestimmten Situationen, z.B. beim Fahren auf der Autobahn, was den Betreffenden veranlasst, sich sofort auf die Standspur zu retten, um keinen Unfall zu verursachen, so überwältigend manifestieren sich anfallsweise bestimmte Symptome, wie sie oben beschrieben sind. Gemeinsam ist allen Phobien die Einsicht des Patienten in die Unbegründetheit.

Das Krankheitsbild der "Angstneurose" wurde 1895 erstmalig von Sigmund Freud beschrieben. Darunter sind diffuse Angstzustände mit wechselnder Intensität zu verstehen, die sich zu regelrechten Angstanfällen steigern können. Die Ängste sind nicht gebunden, sondern "frei flottierend" (Freud) und zeigen eine starke Tendenz zur Somatisierung. Heute umfasst die Angstneurose nach dem ICD-10 die sog. Panikstörung (gehäufte Angstattacken mit zwischenzeitlicher Angstfreiheit) und die generalisierte Angststörung (durchgehend erhöhter Angstpegel und ängstliche Erwartung).

Nach Sigmund Freud (1856-1939), dem Begründer der Psychoanalyse, dienen die Neurosen der Abwehr von Angst, oder sind unzureichende Versuche, Angst zu vermeiden. Bei der Angstneurose liegt ein gänzliches Misslingen vor. Man geht heute von einer Konzeption der primären Bindung des Kindes an die Mutter (auch bei Primaten) aus; wobei Angst dann entsteht, wenn das Motivationssystem Bindung durch äußere Ereignisse bedroht wird, die im Verlauf einer gestörten Entwicklung, etwa durch Trennungserlebnisse oder allein durch ihre Befürchtung, zu bedrohlichen inneren Ereignissen werden können. Es entsteht dann folgende Kettenreaktion:

Erlebnis "innere Gefahr"
– Angst – unzureichende Abwehr – Durchbruch der Angst als Symptom.

In diesem Zusammenhang ging Simon näher auf die Psychoanalyse mit ihrem ganz anderen Denkansatz ein. Ihre Grundaussagen bestehen darin, dass es nicht nur bewusstes, sondern auch unbewusstes oder vorbewusstes Erleben gibt sowie psychische Motivationen. Oft wird auch von Tiefenpsychologie gesprochen, ein Begriff der uns vermitteln soll, dass es nicht nur die äußerlich sichtbaren Erscheinungsformen gibt, sondern auch etwas, das für uns nicht sichtbar ist, aber das in irgendeiner Art und Weise entstanden sein muss. Die Psychoanalyse stellt in erster Linie eine Theorie der menschlichen Persönlichkeit und Motivation dar. Diese Theorie basiert auf dem sog. strukturellen Persönlichkeitsmodell, das durch die drei Instanzen ES, ICH, und ÜBER-ICH imponiert, weshalb es auch als Instanzenmodell bezeichnet wird. Die Konflikte zwischen diesen Instanzen wiederum haben eine entscheidende Bedeutung in der psychoanalytischen Neurosenlehre. Zur Erinnerung: Das ES ist jene Instanz, die den unbewussten Anteil der Psyche repräsentiert in Form von Triebregungen, primären Impulsen, emotionalen Grundbedürfnissen. Es existiert bereits bei der Geburt und ist die primäre Quelle psychischer Energie. Das ICH übernimmt die Vermittlerrolle zwischen ES und Außenwelt sowie ÜBER-ICH. Es muss einen Kompromiss zwischen den emotionalen Grundbedürfnissen einerseits und der äußeren Wirklichkeit sowie dem, was der Mensch sich gestatten kann andererseits, finden. Das ÜBER-ICH beinhaltet also die soziokulturell vermittelten Normen und Ideale. Zum Aufbau des ÜBER-ICH sind Identifizierungsvorgänge von großer Wichtigkeit. Diese Instanz wird populär-psychologisch auch mit den Begriffen "Gewissen", "Ideale", belegt.

Des Weiteren verkörpert die Psychoanalyse ein Modell der psycho-sexuellen Entwicklung, in dessen Rahmen man folgende verschiedene vier Phasen unterscheidet: orale Phase, anale Phase, genitale Phase mit Ödipus-Komplex respektive Elektra-Komplex und Latenzphase. Hier beschreibt die Psychoanalyse, dass es bestimmte Entwicklungsphasen gibt, die definierte Konfliktsituationen beinhalten; und je nachdem, wie diese bewältigt werden, oder auch nicht, ergeben sich Störungen, die dann im späteren Leben, bei ähnlichen Konflikten, wieder reaktualisiert werden. Zum Beispiel: Bestimmte Störungen – etwa Depression – ordnet die Psychoanalyse der oralen Phase zu. Freud ging von einer sexuellen Basis-Energie aus, die er Libido nannte; von der einseitig sexuellen Auslegung ist man später etwas abgerückt und sprach eher von einem psychosozialen Modell.

Es sei hier an die Bedeutung der vier Phasen bei Freud erinnert:

...

Anschrift der Verfasserin:
Dr. Renate Schweyen-Ott
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