Blätter für klassische Homöopathie

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Klassische Homöopathie

Bericht zum 7. Therapeuten-gesprächskreis der DGKH

von Renate Schweyen-Ott

in Moos am Bodensee vom 15. – 17. Juni 2001

Nach einem Vorschlag meinerseits bei unserer Zusammenkunft im vergangenen Jahr hier in St. Theresienheim – der längst angestammten Tagungsstätte unseres Therapeutengesprächs-Kreises – beschäftigten wir uns dieses Jahr schwerpunktmäßig mit dem Themenkreis psychischer Auffälligkeiten und Erkrankungen. Vierundvierzig Interessierte – eine seit Jahren gewachsene stattliche Zahl – füllten die Reihen des Konferenzsaales bis auf den letzten Platz: ganz offensichtlich sollte sich das Thema als `Lockvogel´ und regelrechter unstofflicher `Muntermacher´ erweisen, bei dessen Diskussion im Anschluss an die jeweiligen Vorträge auch die eigenen Emotionen eingebracht wurden und keineswegs nur die `kühle Ratio´ der Analyse psychopathologischer Prozesse waltete – ein durchaus mobilisierender Aspekt für alle weiteren Konferenzen.

Referent des ersten Vortrages war Winfried Simon (Aschaffenburg), der mit seinem Thema einen Überblick über die komplizierte Materie bot: "Verstehensmodelle neurotischer und psychotischer Syndrome in Psychologie und Psychiatrie – in einer Gegenüberstellung zum klassisch homöopathischen Ansatz".

Versucht wurde, sowohl Neurosen als auch Psychosen vom Blickwinkel einerseits der Psychologie, andererseits der Psychiatrie, aber auch der mehr oder minder eigenständigen Psychoanalyse aus zu betrachten – ein Unterfangen, das der Referent als eine "sehr sportliche Aufgabe" im Zuge seiner Vorbereitungen erfahren musste. Diese Aufgabe sollte sich vor allem als besonders zeitraubend insofern herausstellen, als sich heute die Begrifflichkeit auf diesem Gebiet wesentlich verändert zeigt; so tauchen etwa die Begriffe "Neurose" und "Psychose" nach den neuen Klassifikationsschemata in der Psychiatrie nicht mehr auf.

Beginnend mit der Psychiatrie, stellte Simon dar, dass sich diese Disziplin eigentlich nur deskriptiv verhält, d.h., sie beschreibt die einzelnen psychisch auffälligen Erscheinungen und versucht diese – rein phänomenologisch – in eine gewisse Ordnung zu bringen; sie verhält sich also atheoretisch, den Krankheitserscheinungen liegen keine Theorien zugrunde. Die Aufgabe der Psychiatrie – nach heutigen universitären Aussagen – ist feststellend, beschreibend, unterscheidend. So werden etwa die Symptombilder nach gemeinsamen Merkmalen in ein Klassifikationssystem eingeordnet. Von diesen psychiatrischen Klassifikationssystemen gibt es zwei: einmal jenes der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems), das mehr im europäischen Raum Beachtung findet, und zum anderen das DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders der APA, d.h. der American Psychiatric Association), das eher im amerikanischen Raum eine Rolle spielt.

Wie in der somatischen Medizin auch, gibt es eine Nosologie, also eine Krankheitslehre, die Ätiologie, Pathogenese, Symptomatologie, Diagnose, Prognose und Therapie umfasst.

Nach diesem groben Überblick zeigte Simon, wie die psychopathologische Befunderhebung in der Psychiatrie heute erfolgt. Zu diesem Zweck gab es ein Skript, das veranschaulicht, welche Merkmale ein Psychiater in der Regel abfragt. Es handelt sich dabei um ein strukturiertes Verfahren, wie es sich etwa im AMDP-System (Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie) darstellt und durchgesetzt hat. Nicht unähnlich der homöopathischen Erst-Anamnese werden Merkmalsbereiche exploriert, wie etwa das äußere Erscheinungsbild, das Verhalten in der Untersuchungssituation, die Sprache und das Sprechverhalten, die Vigilanz (Grad der Wachheit), die Orientierung, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen bei einem Patienten, sein formales Denken (Phänomene wie Verlangsamung, umständliches Denken, Grübeln, Ideenflucht, Zerfahrenheit), sein inhaltliches Denken (wie Zwanghaftigkeit, Phobien, Hypochondrie), Sinnestäuschungen (etwa Halluzinationen), Ich-Störungen (wie etwa Stimmenhören, Gedankeneingebung u.a. Fremdbeeinflussungserlebnisse), Affektivität (z.B. Ratlosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Deprimiertheit, euphorisches Gebaren, Insuffizienz- und Schuldgefühle), Antriebs- und psychomotorische Störungen (z.B. Hypo- oder Hyperkinesien, Manieriertheit), zirkadiane Besonderheiten (Verbesserung, respektive Verschlimmerung zu bestimmten Tageszeiten) u.a.m.

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Fortsetzung

Anschrift der Verfasserin:
Dr. Renate Schweyen-Ott
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