Blätter für klassische Homöopathie

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Klassische Homöopathie

Myositis ossificans (Teil 2)

von Werner Dingler

Fortsetzung aus Naturheilpraxis 8/2001

Fallanalyse:
Auffällig ist der Zeitpunkt des Krankheitsausbruches, d.h. die Folge innerhalb von 24 Stunden nach dem Mückenstich. Dies scheint jedoch nicht die Schwere der Erkrankung zu erklären, so dass der Insektenstich uns nicht als Causa dienen sollte. Denken wir hier vielmehr an Hahnemanns Rat in § 206 seines Organons:

„Vor dem Beginnen der Cur eines chronischen Übels muß nothwendig die sorgfältigste Erkundigung vorausgehen...

Anm: Man lasse sich bei Erkundigungen dieser Art nicht von den öftern Behauptungen der Kranken oder ihrer Angehörigen bethören, welche zur Ursache langwieriger, ja der größten und langwierigsten Krankheiten entweder eine vor vielen Jahren erlittene Verkältung (Durchnässung, einen kalten Trunk auf Erhitzung), oder einen ehemals gehabten Schreck, ein Verheben, ein Ärgerniß (auch wohl eine Behexung) u.s.w. angeben. Diese Veranlassungen sind viel zu klein, um eine langwierige Krankheit in einem gesunden Körper zu erzeugen, lange Jahre zu unterhalten und von Jahr zu Jahr zu vergrößern, wie die chronischen Krankheiten von entwickelter Psora alle geartet sind. Ungleich wichtigere Ursachen als jene erinnerlichen Schädlichkeiten müssen dem Anfange und Fortgange eines bedeutenden, hartnäckigen, alten Übels zum Grunde liegen; jene angeblichen Veranlassungen können nur Hervorlockungs-Momente eines chronischen Miasms abgeben.“

Besonders die Anmerkung zu § 206 scheint mir wichtig zu sein, um die Bedeutung des Insektenstiches zu klären und zu relativieren. Die ganze Therapie auf den Insektenstich aufzubauen ist riskant, da er nicht die wirkliche Ursache sein kann. Es stellt sich somit die Frage: Was hilft uns dann diese Erkenntnis, dass der Patient vor Ausbruch seiner Erkrankung von einem Insekt gestochen worden ist und entsprechend reagiert hat? Hat die Myositis überhaupt einen Zusammenhang damit oder war ihr Auftreten zu diesem Zeitpunkt rein zufällig? Vielleicht hat der Patient zum gleichen Zeitpunkt sein rechtes Handgelenk überbeansprucht, so, wie es im Lauf der Therapie (vgl. unten) ebenfalls vorgekommen ist. Dies ließ sich retrospektiv nicht mehr klären. Wichtig ist jedoch die Erkenntnis, dass der Patient Allergiker ist, um es noch genauer auszudrücken, sogar an zunehmender Polyallergie leidet. Diese Ausprägung allergischer Reaktion führt zur Übersäuerung der Gewebe. Werden die übersäuerten Gewebe dann zusätzlich noch überbeansprucht, kommt es zu entzündlichen Gewebsreaktionen und damit ist den Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises der Boden bereitet. Um diese Übersäuerung nicht zusätzlich zu fördern sowie aufgrund seiner Migräne musste dem Patienten auch nahegelegt werden, auf Kaffee zu verzichten und den Alkoholkonsum und das Rauchen deutlich einzuschränken. Betrachten wir angesichts des Alters von 46 Jahren die Vielzahl und Ausprägung der Symptome des Patienten, so können wir mit einiger Sicherheit behaupten, dass er im Sinne der Homöopathie nicht an einer akuten, sondern chronischen Erkrankung leidet. Somit ist neben all seinen Krankheitserscheinungen bei unserer Medikamentenwahl zu berücksichtigen, dass das indizierte Medikament auch ein tiefgreifendes Antimiasmatikum sein muss.

In der nachfolgenden Repertorisation sind alle Beschwerden des Patienten erfasst, welche für die Mittelwahl ausschlaggebend waren und sich im Repertorium nachschlagen ließen. Um auch neuere Erfahrungen in die Medikamentenauswahl mit einfließen zu lassen, wurden, wo möglich, sowohl die Angaben Kents als auch moderner Homöopathen, die sich im Complete Repertory finden, berücksichtigt. Dies erkennen Sie an der Angabe CR (= Complete Repertory) und KD (= Kent deutsch) hinter den jeweiligen Symptomen. Beide Repertorien wurden miteinander verknüpft, so dass es keine Doppelzählungen und somit kein Übergewicht für bestimmte Medikamente gibt.
Die ursprüngliche Repertorisation war nur mit neun Symptomen aus dem Kentschen Repertorium vorgenommen worden. Das heilende Medikament befand sich an erster Stelle.


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Anschrift des Verfassers:
Werner Dingler
Schottenstr. 75
78462 Konstanz



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