FACHFORUM

Hippokrates - Die Vertreibung der Geister- Teil II

von Walter Andritzky

Fortsetzung aus Naturheilpraxis 11/2000

Während im alten Persien, Mesopotamien und Ägypten empirische und magisch-religiöse Praktiken eng ineinander verwoben waren und auch die „Praktiker“ mit Sprüchen, Riten und religiösen Erklärungssystemen arbeiteten, werden Hippokrates’ Schriften, das Corpus Hippocraticum (von dem allerdings nicht bekannt ist, welche Teile von Hippokrates selbst stammen) von den Medizingeschichtlern einhellig als Beginn einer naturwissenschaftlichen, auf der Beobachtung von Ursachen und Wirkungen beruhenden Medizin herausgestellt. Von seiner Abstammung her steht der ca. 460 v. Chr. in Kos geborene Hippokrates in der Tradition der schon von Homer erwähnten Asklepiaden und des dorischen Stammes der Herakliden. Die historische Rolle dieses Zeitgenossen der Philosophen Plato und Demokrit, welcher die Atomtheorie begründete, umreißt der Medizingeschichtler Völkel so: „Zu welchen falschen Ergebnissen die Naturbeobachtung der Griechen auch führt, entscheidend bleibt, dass die eigene Erfahrung und nicht mehr ein Götterglaube zum Maßstab der Medizin gemacht wird“.

Als Ursache und Wirkung werden in dieser bis heute fortwirkenden Medizinauffassung vor allem materielle Faktoren (Körpersäfte, Medikamente, Wetter) und ihre Effekte auf grob-sinnlich wahrnehmbare ‘Symptome’ verstanden; zeitlich länger auseinanderliegende Symptome, ihr Verschwinden, Wiederkehren etc. blieben naturgemäß unerkannt. Von Beginn an wird hier auch die Möglichkeit vernachlässigt, dass Götter und Geister von den damaligen Volksheilern eher metaphorisch und als heilerisch wirkungsvolle Placebos eingesetzt wurden und für sie deren ‘reale Existenz’ gar nicht entscheidend war. Eine kritische Distanz zu Religion, Normen und Werten, –was Soziologen auch als „Rollendistanz“ bezeichnen- muss auch dem antiken Menschen zugestanden werden. Die endlosen Dispute philosophischer Schulen im alten Griechenland, die Komödien und Streitgespräche zeugen ohnehin davon, dass alles in Frage gestellt werden durfte, wenn auch manchmal nicht ohne Folgen wie wir von Sokrates wissen. Aus moderner, psychosomatischer Perspektive erscheint die hippokratische Lehre allerdings von Beginn an als unbefriedigend für Patienten, deren Befindlichkeitsstörungen aus ihrer Lebensgeschichte, aktuellem Stress oder aus Geburtstraumata resultieren....

...

(Fortsetzung folgt)

Anschrift des Verfassers:
Dr. Walter Andritzky
Kopernikusstr. 55
40225 Düsseldorf

weiter ... (für Abonnenten der Naturheilpraxis)


Zum Inhaltsverzeichnis 4/2001

Naturheilpraxis 4/2001