THEMA AUSBILDUNG

Persönliche Anforderungen und Voraussetzungen, die ein Heilpraktikeranwärter zu erfüllen hat (Teil 2)

von Anja Siebert


Zentrale Voraussetzung, den Beruf des Heilpraktikers anstreben zu wollen, ist ein positiver, von mitmenschlicher Liebe geprägter Umgang mit Menschen - vor allem mit Leidenden, welche gerade aufgrund ihres Zustandes eine größere Sensibilität aufweisen und dementsprechendes Einfühlungsvermögen verlangen.

Neben erlernbaren Anamnesestrategien ist auch ein Talent zum "Sich-einfühlen" und Herantasten an individuelle Persönlichkeitsspezifitäten eines Patienten unabdingbar, um ihn in seiner gesamten Struktur erfassen zu können.

Die Fähigkeit den Patienten gegenüber Vertrauen zu vermitteln besitzt daher größte Bedeutung. Der Patient muß dem von ihm gewählten Behandler bzgl. dessen Diagnose- bzw. Therapiegeschick uneingeschränkt vertrauen können, andernfalls ist eine Betreuung in ganzheitlicher Richtung kaum vorstellbar.

An diesem Punkt spielen natürlich auch das Selbstbewußtsein und die Führungsqualitäten des zukünftigen Heilpraktikers eine entscheidende Rolle. Solche geforderten Persönlichkeitsvoraussetzungen können ein Stück weit eingeübt werden und müssen somit einen Teilaspekt der Ausbildung darstellen, was wiederum Teamgeist und Anpassungsfähigkeit voraussetzt.

Die Bereitschaft eine Assistenz während oder nach der Ausbildung anzustreben, im Hinblick auf eine Vervollständigung des theoretisch Gelernten, ist ein weiteres wichtiges Kriterium.

Desweiteren existiert die Grundvoraussetzung, sich neben naturheilkundlichen und medizinischen Belangen auch mit kaufmännischen Fragen auseinandersetzen zu können, denn der Heilpraktikerberuf ist vorwiegend durch einen selbständigen Status gekennzeichnet. Merkantile Kenntnisse und Gespür für kaufmännische Entscheidungen können ein Überleben in der freien Wirtschaft, auch im Gesundheitssektor, welcher immer mehr Züge eines Verdrängungswettbewerbes annimmt, eher gewährleisten. Folgender Fragenkatalog zur Eigenorientierung und Selbstkontrolle soll den Heilpraktikeranwärtern helfen, sich Klarheit über Ausbildung und eine spätere Berufstätigkeit als Heilpraktiker zu machen. Zuerst einige wesentliche Grundfragen, die jeder für sich schlüssig beantworten sollte, der sich mit einer Heilpraktikerausbildung befassen will:

  • Welche Motive bewegen mich, eine Heilpraktikerausbildung zu beginnen bzw. mich als Heilpraktiker selbständig machen zu wollen?

  • Wie fühle ich mich bei dem Gedanken, meine eigene Kompetenz und mein Wissen in den Dienst kranker Menschen zu stellen, um deren somatisches und psychisches Befinden wieder herzustellen oder zu verbessern?

  • Verfolge ich eine langfristige Vision mit meinem Ausbildungsvorhaben und meinem Berufswunsch als Heilpraktiker tätig zu sein? Um zu vermeiden, daß von falschen Vorstellungen bzw. Voraussetzungen bei diesem Beruf ausgegangen wird, sollte jede der nachstehenden Fragen intensiv überdacht und - wenn möglich - mit einem unmißverständlichen "Ja" beantwortet werden können. Andernfalls wäre es möglich, das angestrebte Berufsziel nicht zufriedenstellend erreichen zu können und ggf. an der anspruchsvollen Berufsausübung zu scheitern.

  • Reichen meine persönlichen, intellektuellen und schulischen Voraussetzungen aus für eine Ausbildung zum Heilpraktiker?

  • War ich in den letzten Jahren durchgehend geistig und körperlich fit bzw. leistungsfähig?

  • Bin ich auch in Streßsituationen auf Dauer belastbar und weiche nicht aus, sondern löse anstehende Probleme, ohne mein Ausbildungs- bzw. Praxisziel aus den Augen zu verlieren?

  • Habe ich genügend Informationen bzw. eine realistische Einschätzung bezüglich einer Ausbildung zum Heilpraktiker?

  • Bin ich es von früher schon gewohnt, mir beruflich selbst Ziele zu setzen und diese - auch ohne Druck durch andere - selbständig zu verfolgen?

  • Bin ich bereit, u.U. auf ein erhebliches Maß an Freizeit, Urlaub und Familienleben zu verzichten?

  • Bin ich bereit, die hohen Anforderungen an Einsatz, Zeit und finanziellen Mitteln zu tragen, um letztendlich eine Heilpraktikerausbildung durchziehen zu können?

  • Kann mich meine Umgebung bzw. mein familiäres Umfeld in Zeiten großer Lern- und Studienanforderungen temporär tragen und auch ggf. unterstützen?

  • Wäre meine Umgebung bzw. Lebens- oder Ehepartner auch in der Lage, durch eigenes Arbeitseinkommen von außerhalb über einen gewissen Zeitraum für die gemeinsame Existenz und den gemeinsamen Lebensunterhalt zu sorgen?

  • Habe ich schon irgendwelche praktischen Erfahrungen in Bereichen des Gesundheitswesens sammeln können?

  • Besitze ich eine realistische Einschätzung bezüglich der großen Verantwortung, die man bei der Behandlung von Patienten haben sollte?

  • Bin ich bereit und in der Lage diese Verantwortung auch tragen zu können?

  • Bin ich in der Lage mich gegen äußere Einflüsse durchzusetzen oder dem Druck anderer Personen standzuhalten?

  • Habe ich genügend Informationen bzw. eine realistische Einschätzung bezüglich Verdienstmöglichkeiten und Zukunftsperspektiven bei einer späteren selbständigen Tätigkeit in einer Praxis?

  • Wäre eine spätere Praxiseröffnung mit genügend finanziellen Mitteln und auch Reserven ausgestattet?

  • Bin ich u. U. bereit sowohl materiell wie auch mental eine Durststrecke in Kauf zu nehmen?

  • Kann ich auf die Sicherheit eines regelmäßigen Einkommens verzichten?

  • Besitze ich auch genügend kaufmännische Kenntnisse und Erfahrungen für eine spätere selbständige Praxisführung?

  • Ist mir bewußt, daß u. U. eine Anzahl häufiger Rückschläge, frustrierender Erlebnisse und Mißerfolge auf mich zukommen können, die ich zu verdauen und wegzustecken habe, um meine angestrebten Ziele nicht aus den Augen zu verlieren?

  • Stimmen meine Vorstellungen bezüglich Heilpraktikerausbildung und evtl. eigenverantwortlicher Praxistätigkeit mit der Realität überein, oder hänge ich im Prinzip Träumen und Hoffnungen nach?

    Um die Diskrepanz zwischen einerseits geringem rechtlichen Anspruch bezogen auf die Erlaubnis, die Heilkunde ohne Bestallung ausüben zu dürfen, und andererseits dem beträchtlichen Umfang der Befugnisse einer möglichen, späteren Praxistätigkeit überwinden zu können, bedarf es vor allem großer Eigenverantwortung, Disziplin und Selbständigkeit seitens des zukünftigen Heilpraktikers.

    Der Aspekt einer Vorbildhaftigkeit hinsichtlich einer Lebensführung, die im Einklang mit ganzheitlichem und naturheilkundlichem Gedankengut steht, stellt gegenüber den Patienten eine Selbstverständlichkeit dar. Erst wenn seitens des hilfesuchenden Klientels spürbar wird, daß sich der Heilpraktiker mit seinen von ihm vertretenen Ansätzen (z. B. Rauchen und andere Risikofaktoren) im Hinblick auf Lebensgestaltung und Lebensführung identifiziert, so können diese auch von der Patientenschaft im Sinne einer zur Gesundung beitragenden Lebensphilosophie eher akzeptiert und übernommen werden.

    Anschrift der Verfasserin
    A.S.i.t. - Anja Siegert
    Pilgerwiesenstr. 15
    73630 Remshalden

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    Naturheilpraxis 12/99