TINNITUS

Rehabilitation Tinnitus-Betroffener und Hörgeschädigter:

Emotionale Neuverknüpfung

von Barbara Kieslich-Hoffmann

Im Folgenden wird versucht, einen Zusammenhang herzustellen von Erkenntnissen in der Neurophysiologie und der Psychotherapie. Ausgangspunkt ist die erlebte Beeinträchtigung durch Tinnitus und/oder Schwerhörigkeit und/oder Schwindelsymptomatik, die verbunden ist mit wechselseitig sich beeinflussenden Problemspiralen von bedingenden Auslösern, möglichen Ursachen und Folgewirkungen sowie von aufrechterhaltenen Bedingungen.

Selbstbetroffene und darunter leidende Menschen geraten in einen Wahrnehmungstunnel, der ihre Aufmerksamkeit auf die beeinträchtigende Störung richtet.

Die zentrale Frage in der rehabilitativen Therapie besteht darin, wie das so verkleinerte Erlebnisspektrum wieder erweitert und Wohlbefinden gefördert werden kann. Eine Schlüsselstellung bei der Bewertung aller unserer Wahrnehmungen und Erlebnisverarbeitungen hat das limbische System im Gehirn. Die bewusste Sinnesaktivierung auf unterschiedlichen Ebenen unter Einbeziehung von Körperspüren in Bewegung und inneren Vorstellungswelten in der Psychotherapie zielt ab auf eine Neuorientierung in der inneren Wahrnehmungswirklichkeit eines Menschen. Lesen Sie nun, wie eine veränderte psychische Erlebnisverarbeitung mit einer gefühlsmäßigen Neuverknüpfung angebahnt wird.

Schwerhörige Menschen, Tinnitus-Patienten und Morbus Ménière-Patienten sind beeinträchtigt im Bereich der Sinneswahrnehmung. Die Störung richtet sich zunächst ausschließlich auf den Sinneskanal.

Hören, bedingt durch Tinnitus und/oder Schwerhörigkeit und/oder Schwindel (z.B. bei Morbus Ménière).

Im Klinikalltag sind zwei verschiedene Spiralen zu beobachten, die im Endeffekt zu einem sich gegenseitig bedingenden und verstärkendem Teufelskreis werden. Selbstbetroffene und darunter leidende Menschen sind sehr wohl vertraut mit einer der beiden Problemspiralen oder aber auch mit dem Teufelskreis aus beiden Spiralen.

Mechanismus Typ I:

- Ihre Aufmerksamkeit richtet sich auf die Störung durch Tinnitus und/oder Schwerhörigkeit und/oder Schwindel.
- Andere Informationen treten in den Hintergrund.
- Der Konzentrationsaufwand für die übliche Alltagskommunikation steigt.
- Die Aufmerksamkeitsenergie ist folglich schneller verbraucht.
- Es tritt eine schnellere Erschöpfung ein, die zu Unlustgefühlen, zum sozialen Rückzug, zu Unbehaglichkeit und Unzufriedenheit führt.
- Die Wahrnehmung anderer Störereignisse dagegen steigt, wie z.B. Lebensprobleme, Arbeitsanforderung, Anforderung durch andere Verpflichtungen, finanzielle Sorgen, Angst um den Arbeitsplatz, Ehekonflikt, Probleme mit Kollegen, familiäre Konflikte, unbearbeitete Krisen aus der Vergangenheit.
- Die Konzentrationsfähigkeit sinkt, das Allgemeinbefinden ist geschwächt, es treten evtl. Ängste, Schlafstörungen oder Depressionen auf.

Für andere Patienten trifft vielleicht eine andere Problemspirale zu:

Mechanismus Typ II:

- Sie stehen unter Anspannung, vielleicht sogar schon über Jahre, bis an die Erschöpfungsgrenze.
- Sie tragen evtl. an in der Kindheit erlebten Belastungen
- Sie haben Krankheiten durchgemacht oder aber Lebenskrisen.
- Sie haben häufiger Ärger, Trauer oder Angst.
- Sie leiden an Schlafstörungen.
- Sie arbeiten evtl. in Schicht.
- Sie sind stets um das Verstehen der Worte bemüht (vor allem bei Schwerhörigkeit).
- ........... und dann tritt auch noch ein Tinnitus oder aber ein weiterer Hörverlust auf, sozusagen als Gipfelpunkt dieser Lebenserfahrungen.

Ihre Aufmerksamkeit zentriert sich auf die Störung, evtl. tritt eine Verunsicherung ein, eine generelle Erschöpfung, ein Grübeln und eine depressive Reaktion. Sie geraten in einen Wahrnehmungstunnel, ihre allgemeine Wahrnehmung ist verengt, ihr Erlebnisspektrum stark verkleinert. Die Frage stellt sich nun: "Wie kann sich dieser Wahrnehmungstunnel weiten oder aber geöffnet werden im Sinne einer Bewältigung"? Die Bewertung unserer Wahrnehmung entscheidet, ob es uns gut geht oder schlecht geht. Eine Schlüsselstellung dabei hat das limbische System. Als "Sitz der Gefühle im Gehirn" arbeitet es zusammen mit dem subkortikalen Zentrum des Gehirns, das die unbewussten Informationen "verwaltet".

Von hier geht eine Alarmierung oder "Besänftigung" des gesamten Organismus aus, abhängig von der ankommenden Information, die jeweils eine entsprechende Gefühlsqualität auslöst.

Im neuro-physiologischen Tinnitus-Modell von Jastreboff ist sehr anschaulich dargestellt, in welchem unmittelbaren Zusammenhang die Tinnitus-Entdeckung steht mit den gefühlsmäßigen Verknüpfungen, sprich emotionalen Assoziationen, die im limbischen System gespeichert sind. Genau diese sind für den Umgang bzw. der Bewältigung der Tinnituswahrnehmung sowie jeglicher anderer Störwahrnehmungen relevant. Unabhängig davon, ob eine Schädigung der Cochlea oder eine Funktionseinbuße im Abschnitt der Hörbahn vorliegt, verläuft die Verarbeitung aller Wahrnehmungsphänomene in den entsprechenden Zentren im Gehirn.

... Stimulierung des Limbischen Systems

... Anbahnung neutraler oder positiver Gefühlsqualitäten

... Ausdruck eigenen Erlebens und Veränderung innerer Wirklichkeit, dargestellt am Beispiel einer Patientin.

Literaturliste:

Anschrift der Verfasserin:
Barbara Kieslich-Hofmann
Baumrainklinik
97319 Bad Berleburg

Ein Literaturverzeichnis ist im Sekretariat der Baumrain-Klinik erhältlich!

Diesen Beitrag in vollem Umfang finden Sie in 'Naturheilpraxis' Nr.11/99.

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