FACHFORUM

Übersicht der Phytotherapie beim rheumatischen Formenkreis

Von Josef Karl

Der Begriff "Rheuma" ist exakt nicht definierbar - der Zusatz "Formenkreis" deutet es an. Die hauptsächlichsten klinischen Einteilungen unterscheiden zwischen entzündlich und degenerativ (-itis und -ose): - auf dieses schwierige Terrain kann ich mich nicht wagen. Ich bleibe in diesem Beitrag pragmatisch bei den Pflanzen, die nach den heutigen Kriterien in irgend einer Weise diesem Gebiet zugeordnet werden.

Das Hauptinteresse meinerseits liegt an der Information über den gegenwärtigen Stand des Möglichen - dazu sei mir kurz erlaubt zu wiederholen, was Fakt ist.


I.

1976 wurde das neue Arzneimittelgesetz (AMG) von der Bundesregierung beschlossen. Danach wird verlangt, dass nach einer Übergangsfrist alle Arzneimittel, die auf dem Markt sind, ihre Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit belegen müssen. Zu diesem Zweck wurden vom damaligen Bundesgesundheitsamt (BGA) in Berlin eine Reihe von Kommissionen eingerichtet, die alle Stoffe und Mischungen den erwähnten Kriterien unterziehen sollten. Nach Auflösung des Amtes wird die Arbeit, die bis heute andauert, vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinalprodukte (BfArM) fortgeführt. Die meisten Kommissionen befassen sich mit chemischen Substanzen; drei sind eingerichtet worden für die "besonderen Therapierichtungen":

Phytotherapie, Homöopathie und anthroposophische Medizin. Besetzt sind die Kommissionen mit den verschiedensten Fachleuten: Pharmakologen, Pharmazeuten, Klinikern, Allgemein- und Fachärzten (sog. Anwendern), Medizinstatistikern etc. Zu den Kommissionen der besonderen Therapierichtungen sind auch Heilpraktiker hinzugezogen, die ihre Erfahrungen einbringen können.

Die Ergebnisse dieser sehr umfangreichen und aufwendigen Arbeit, die nun über fast zwei Jahrzehnte geht, bilden die Basis des künftigen Arzneimittelmarktes. Es zeichnet sich immer stärker ab, dass nicht nur Arzneien vom Markt verschwinden, die keine positive Bewertung der Kommissionen erhalten, vielmehr die Erstattung durch die Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) bereits jetzt davon abhängig ist. Und nicht nur dieses: zwei weitere Umstände kommen hinzu: Zum einen, dass sich auch die Privaten Krankenversicherungen (PKV) daran orientieren (die bisher noch Kompromisse machen in der Erstattung) und zum anderen, dass neben dem Amt (BfArM) beim Kassenarzt auch noch das "Institut für Arzneimittel in der Krankenversicherung" vorschreibt, was erstattungsfähig ist. Dem Kassenarzt sind also seit einiger Zeit die Möglichkeiten eingeengt, die PKV ziehen mehr und mehr nach. (Es ist dies nach meiner Meinung keine reine bürokratische Einengung, da es ja auch sinnvoll ist, dass eine Solidargemeinschaft keine Arzneien bezahlt, die den drei eingangs erwähnten Kriterien nicht standhalten. Zum Teil steht es den Versicherten dann immer noch frei, ein Mittel, von dem er unbedingt überzeugt ist, aus eigener Tasche zu bezahlen - soweit es durch eine Negativ-Monografie nicht ganz aus dem Verkehr gezogen ist.)

Um das Ganze noch zu komplizieren, wird in Zukunft stärker bei der Kostenerstattung die zugesprochene Indikation mit der auf der Liquidation aufgeführten Diagnose übereinstimmen müssen.

II.

Warum diese trockene Einführung? Sie dürfte zum Verständnis des jetzt folgenden nötig sein.

Pflanzen - positiv monografiert als Voraussetzung überhaupt - müssen zur Diagnose in einem sinnvollen Zusammenhang stehen. Deshalb nachfolgend die Arzneipflanzen, die mit dem Begriff "Rheuma" zusammenzubringen sind:

1. Salix alba, purpurea und andere Weidenarten hat die Rinde in der Monografie u.a. "rheumatische Beschwerden". Immer ist dann nicht nur die Ausgangsdroge gemeint, sondern auch Zubereitungen daraus (z.B. Weidenrindenextrakt der Fa. Plantina im Assalix). Darunter fällt nicht der Wirkstoff Acetylsalicylsäure (Aspirin z.B.) der eine eigene Zulassung hat, weil er kein pflanzliches Mittel per definition mehr ist (gilt z.B. auch für die isolierten Digitalisglykoside etc.).

Nicht nur, dass die Silberweide (Salix alba) zum "Baum des Jahres 1999" gewählt wurde - über Weiden gibt es für Interessierte viel Literatur. Neben der erwähnten Fa. Plantina (München), die Weidenplantagen auf der Insel Madeira pflegt, um den salicinhaltigen Rohstoff in der Rinde zu gewinnen, sind mir das Assplant der Fa. Robugen und die Salix-Tropfen von Ysat-Bürger bekannt (weitere siehe Rote Liste). Bei allen Präparaten handelt es sich um Pflanzenextrakte und nicht um die isolierte ASS, standardisiert auf Salicin. Der Gesamtextrakt ist besser verträglich und zur längeren Therapie geeignet.

2. Urtica dioica, Folia und Herba, Brennesselblätter und -kraut, sind ebenfalls (zur innerlichen und äußerlichen Anwendung) mit der Indikation "unterstützende Behandlung rheumatischer Beschwerden" versehen. Auch hier gibt es Monopräparate (siehe Arzneimittellisten wie z.B. die Rote Liste und Gelbe Liste). Erfahrungen habe ich persönlich mit Arth-Sabona Drag., Rheuma-Hek Tbl. und Urtica-Hevert-Rheumatropfen (weitere s. Rote Liste). Extrakte aus getrockneten Blättern können nach neuerer Forschung die Zytokine, die beim Rheuma eine Rolle spielen, unterdrücken. Dadurch kann die pathogene Immunreaktion, die Gelenkentzündungen hervorrufen, gebremst werden.

3. Betula pendula, verrucosa und pubesceus, Folium, die Blätter von verschiedenen Birkenarten, haben - neben einer Monografierung zur Durchspülung der ableitenden Harnwege - dieselbe Indikation wie vorher. Als Monodroge dürfte sie alleine etwas zu schwach sein, deshalb empfiehlt sie sich in Mischungen.

4. Guajacum officinale, Pockholz hat als alleinige Indikation ebenfalls die vorhergehende Formulierung "zur Unterstützung ."

5. Rosmarinus officinale (Folia), Rosmarinblätter, haben dieselbe Indikation - was sicher manche überrascht, weil uns diese Pflanze traditionell mehr bei Hypertonie und peripheren Durchblutungsstörungen geläufig ist. Man könnte allerdings an den Satz: "Ein Durchblutungsmittel ist oft das beste Rheumamittel" erinnert sein. Lediglich für die äußerliche Anwendung ist die Pflanze mit "Durchblutungsstörungen" monografiert.

6. Harpagophytum procumbeus, die Teufelskralle, (Wurzel) hat das belegte Anwendungsgebiet "unterstützende Therapie degenerativer Erkrankungen des Bewegungsapparates". Als "Wirkung", die nicht als Indikation zu werten ist, findet sich in der Monografie "antiphlogistisch, schwach analgetisch". Wir sehen hier also die Präzisierung auf "degenerativ". Es gibt eine ganze Reihe von Präparaten; die Magen-Darm-Verträglichkeit ist nicht immer gut.

Die Teufelskralle gehört zu den Sesamgewächsen und findet sich nur in Afrika. Sie darf nicht mit der bei uns anzutreffenden europäischen Teufelskralle verwechselt werden (Familie Campanulaceen). Die Früchte von Harpagophytum sind mit kräftigen Widerhaken ausgestattet, die am Fell von Tieren hängen bleiben und so als Samen überall hingelangen können. Schlimm ist, dass sich bei den Zweihufern manche dieser sperrigen krallenartigen Früchte (Samen) zwischen den Hufen verhaken und laufbehindernde Entzündungen auslösen.

Die Hauptinhaltsstoffe werden aus der Speicherwurzel gewonnen; bekannt sind bis heute Iridoide und Iridoidglykoside (Hauptbestandteil Harpagosid), welche den Arachidonstoffwechsel hemmen. Auch finden sich Flavonoide und Phytosterole. Bekannt ist außerdem, dass alle pflanzlichen Analgetika (wie übrigens auch die nichtsteroidalen = NSAR wie z.B. Aspirin, Paracetamol, Ibuprofen, Indometazin, Diclofenac u.a.) eine Hemmung des Prostaglandinstoffwechsels bedingen und dadurch eine Schmerzreduzierung bewirken.

7. Viscum album, Mistel (Herba) ist in diesem Zusammenhang ein Sonderfall insofern, als sie lediglich als Injektion eine Indikation erhielt: "Zur Segmenttherapie bei degenerativ-entzündlichen Gelenkerkrankungen durch Auslösung cuti-viceraler Reflexe nach Setzen lokaler Entzündungen durch intracutane Injektion." (Wie bei allen anderen hier aufgeführten Pflanzen ist von mir lediglich die Beziehung der Monografien zum Komplex "Rheuma" erwähnt - andere Anwendungsgebiete wie bei der Mistel z.B. als Adjuvans bei bösartigen Erkrankungen bleiben unerwähnt.) Das Präparat Plenosol der Fa. Madaus dürfte das älteste sein für dieses Anwendungsgebiet.

8. Bromelainum, ein Wirkstoff aus Ananas comosus, - Ananas - ist aus praktischen Gründen aufgeführt, obwohl er als Inhaltsstoff keine Ganzpflanze mehr ist. Es wurde das Bromelain jedoch - wie auch das Papain (Carica Papaya) von der E-Kommission (Phytotherapie) bearbeitet. Da wir jedoch in der Unfallmedizin (Sportmedizin) das antiödematöse Ananasenzym brauchen, sei seine Indikation genannt: "akute postoperative und posttraumatische Schwellungszustände..."

Man sieht: es ist nicht allzuviel, was einigermaßen für das umfangreiche Gebiet des rheumatischen Formenkreises monografiert ist. Wir fragen natürlich nach einer Reihe von Pflanzen, die traditionell in der naturheilkundlichen Praxis seit langem einen Platz haben:

1. Bryonia alba, die Zaunrübe, die ein wichtiges Mittel ist bei Gelenkergüssen (Knie, Ellenbogen, Schleimbeutelentzündungen. Sie erhält eine 0-Monografie, weil eine Wirkung nicht belegt ist. Wir müssen auf die homöopathische Urtinktur zurückgreifen.

2. Symphytum officinale, der Beinwell, hat als intern wirksam eine 0-Monografie erhalten, extern wurde ihm eine Wirksamkeit zugesprochen - allerdings mit Einschränkungen bezüglich der Anwendungsdauer und Menge der Salbe; dies bekanntermaßen wegen des Pyrrolizidinalkaloidgehalts (Kytta-Salbe, Symphytum-Rö-plex-Salbe Fa. Pharmakon, Traumaplant-Salbe von Harras-Curarina).

3. Spiraea ulmaria (= Filipendula ulmaria, Mädesüß oder Wiesenkönigin, enthält zwar Salicylate wie die Weidenrinde, bekam jedoch lediglich für Erkältungskrankheiten als Adjuvans eine Monografie. Selbstverständlich kann sie in Rheumatees Verwendung finden.

4. Taraxacum officinale, der Löwenzahn, der ebenfalls bei verschiedenen Rheumaformen unterstützende Funktion hat, ist zwar monografiert (Dyspepsie, unterstützend zur Diurese), das Rheuma ist jedoch nicht erwähnt. Zumindest bleibt die Pflanze verfügbar.

5. Dasselbe gilt für Juniperus communis, den Wacholder. Seine Nützlichkeit bei Appetitlosigkeit und bei Dyspepsie fand Eingang in die Monografie, nicht aber das Rheuma oder gar "blutreinigend". Letzterer Begriff gilt in der heutigen Medizin als unwissenschaftlich - was uns nicht hindern muss, die bewährte Kneipp'sche Beerenkur durchzuführen.

6. Berberis vulgaris, Berberitze deren Früchte ebenfalls ein traditionelles Unterstützungsmittel beim Rheuma sind, haben eine 0-Monografie.

7. Clematis recta, die Waldrebe wurde in der Phyto-Kommission nicht behandelt - in der Homöopathie ist sie weiterhin in Verwendung.

8. Solanum Dulcamara, der bittersüße Nachtschatten hat im Arzneibild Haut und Rheuma. Ersteres Indikationsgebiet wurde monografiert (siehe Präparat Cefabene Tropfen und Salbe von Fa. Cefak), letzteres fand keine Erwähnung, so dass auch hier die homöopathische Tinktur uns weiterhelfen kann - oder das erwähnte Präparat!

9. Aegopodium podagraria, Geißfuß oder Giersch, wird heute pharmazeutisch gar nicht mehr verwendet und es bleibt den sog. Frühjahrskuren vorbehalten, das als unausrottbares Unkraut verschrieene Doldenblütlergewächs zu verwenden.

10. Eine Art Sonderstatus hat die Pestwurz, Petasites hybridus. Obwohl ebenfalls betroffen (wie z.B. der Huflattich) von den Pyrrolizidinalkaloiden, gelang es der Fa. Weber & Weber, diese Stoffe zu entfernen. Das Präparat Petadolex ist im Handel und vor allem bei Myalgien, Muskelverspannungen etc. bewährt.

III.

Die für den "rheumatischen Formenkreis" zur äußerlichen Anwendung positiv monografierten Drogen bzw. Drogenbestandteile möchte ich kurz noch aufführen:

1. Capsicum annuum, Paprika als Hautreizmittel zur Segmenttherapie und Tiefendurchblutung.
2. Ackerminzenöl (Mentha arvensis) bei Myalgien.
3. Fichten- und Kiefernadelöle zu Einreibungen und Bädern.
4. Weiße Senfsamen (Senapsis alba) als Hautreizmittel zur Segmenttherapie und Tiefendurchblutung.
5. Lärchenterpentin zu Einreibungen.
6. Heublumen für Rheumabäder und den Kneipp'schen Heublumensack zu heißen Auflagen.

IV.

Dies ist eine grobe Übersicht. Unklar ist bis jetzt, was dann von diesen Pflanzen auf die in der Diskussion befindliche Positiv-Liste kommen wird, die für die Kassenerstattung maßgeblich ist. Es werden nicht viele Pflanzen sein - das dürfte man jetzt schon vermuten, wenn man realistisch ist. Das andere wird der Patient aus der eigenen Tasche bezahlen, wie jetzt schon meistens. Wenn man zwei Dinge bedenkt, nämlich, dass
1. Rheuma eine Volkskrankheit ist,
2. die Bevölkerungspyramide sich stark auf ältere Menschen hin verändert,
wird man den Bedarf auf diesem Gebiet erkennen.

An den Schluss möchte ich eine Bemerkung des großen Paracelsus stellen:
"Die Arznei ist gerichtet in die Welt gleich einem Schiff auf dem Meer, das keine bleibende Statt hat, sondern durch den Schiffmann geführt wird, nach dem, was ihm begegnet: Nicht nach dem gestrigen Wind, sondern nach dem heutigen."

Anschrift des Verfassers:
Josef Karl
Heilpraktiker
Siegfriedstr. 10
80803 München

Diesen Beitrag in vollem Umfang finden Sie in 'Naturheilpraxis' Nr.11/99.

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