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Osteopathie

2. Internationaler Kongreß:

Erst vor einem Jahr ins Leben gerufen, und doch schon fast Tradition: der internationale Kongreß des "Verbandes der Osteopathen Deutschland" (VOD) war eine machtvolle Demonstration der Stärke und des Ehrgeizes dieser Therapierichtung und ihrer Vertreter und Vertreterinnen. Das zeigte nicht nur das exzellenten Fortbildungsprogramm und die hochkarätig besetzten Forumstagung "Wie wissenschaftlich ist die Osteopathie". Eingebunden in den Kongreß fand ein Treffen der Schulleiter und Vertreter der (konkurrierenden) Dachorganisationen "Akademie für Osteopathie in Deutschland" (AOD/VOD) und "Deutsche Akademie für Osteopathie" (DAO) statt. Ziel: Schaffung gemeinsamer Basiskriterien für Ausbildung und Zulassung zum D.O. und Entwicklung von Strategien für das neue Jahrtausend zur Durchsetzung eines eigenständigen Berufsstandes.

Anfänge:

Die Osteopathie hatte es in Deutschland zunächst nicht einfach, da die Hegemonie der PALMER`schen Ideologie und die ideologischen Barrieren in unseren Köpfen ein Verständnis für den ganzheitlich orientierten Ansatz im System der STILL`schen Osteopathie sehr erschwerten. Wegbereitend für die Osteopathie war in Deutschland das Interesse für die Kinesiologie und für humanistische Körpertherapien aus dem New-Age Zentrum in Esalen. So ist es nicht verwunderlich, daß die Osteopathie in Deutschland zunächst nur Interesse finden konnte bei den "Außenseitern" unter Physiotherapeuten, Ärzten und Heilpraktikern.

Ausbildung:

Es wurde postgraduiert nichtakademisch weitergebildet - z.T. in ausgezeichneter Qualität und umfassender Stundenzahl. Seit diesem Jahr wird bei uns aber auch eine "grundständige" osteopathische Vollzeitausbildung angeboten, was in Nordamerika, Neuseeland/ Australien und unseren europäischen Nachbarn schon lange üblich ist. Diese Ausbildung erstreckt sich über fünf Jahre und beinhaltet auf hohem Niveau nicht nur osteopathische Fächer, sondern erstreckt sich auch auf die allgemeine Medizin, Chemie, Physik und fachrelevante Fremdsprachenkenntnisse (englisch und französisch). Ein hoher Aufwand an Zeit und Geld für die Studierenden.

Berufsstand:

Das Dilemma der Nur-Osteopathen besteht darin, daß bei uns der Begriff "Osteopathie" in keiner Weise geschützt und abgegrenzt ist, andererseits selbst auf hohem Niveau Ausgebildete damit noch kein Recht zu einer Berufsausübung in der Bundesrepublik erwerben.

Wissenschaftlichkeit:

"Die Osteopathie muß sich heute gleichermaßen in Forschung, Lehre und Praxis bewähren, will sie innerhalb der Medizin bestehen. Wo aber findet die Forschung statt und unter welchen Rahmenbedingungen erfolgt sie? Wie fließen deren Ergebnisse in Lehre und Praxis ein und wie beeinflussen umgekehrt die in der Praxis gesammelten Erfahrungswerte Forschung und Lehre?" fragt Marina Fuhrmann, 1. Vorsitzende des VOD. In Europa jedenfalls existieren denkbar wenig Arbeiten über die Effektivität osteopathischer Behandlung. Da wird zunächst wohl nur der hilfesuchende Blick über den "Großen Teich" helfen. Für die Zukunft aber muß in Europa die Zuammenarbeit mit Ärzten und Kliniken gesucht werden, um Studien realisieren zu können, die von den Entscheidungsträgern zumindest zur Kenntnis genommen werden. Selbst noch so gute Diplomarbeiten der D.O.-Aspiranten werden dem nicht genügen können (allerdings kann man auf eine Arbeit von Schwerla et al. gespannt sein, die demnächst in der Zeitschrift "Forschende Komplementärmedizin", Karger-Verlag, veröffentlicht wird).

Forschung:

Ein osteopathisches Forschungsvorhaben ist z.Zt. in Vorbereitung: über den Zeitraum von mehr als sechs Jahren sollen mehr als 100 Kinder beobachtet werden, die von Geburt an osteopathisch behandelt werden. Sie sollen verglichen werden mit einer gleich großen Anzahl von Kindern, die "placebobehandelt" werden. Die Auswahl erfolgt streng randomisiert, bei gewissen Ausschlußkriterien. An Hand der üblichen Routineuntersuchungen zur Kindesentwicklung soll überprüft werden, ob osteopathische Behandlung einen Einfluß hat auf die Häufigkeit des Vorkommens von Otitis media, atopischer Dermatitis, sowie auf das Vorkommen sogenannter "Spuckkinder" und deren Neigung zu visceralen Problemen, und auf die motorische Entwicklung. Man kann gespannt sein, ob dieser (noch) kleine Verband das leisten kann!

Ausblick:

Die Osteopathen spielen eine gewisse (für uns Heilpraktiker problematische) Rolle in der Diskussion um eine EG-weite Absicherung praxis- und lebensorientierter Behandlungsverfahren. Da müssen wir natürlich skeptisch und wachsam sein. Außerdem brechen sie ein in unser ureigenstes Terrain - hier die nichtärztliche Ausübung manueller Heilweisen. Sich darüber zu ereifern, ist aber müßig: der Zug ist abgefahren.

Ob die Osteopathen die Möglichkeiten des Heilpraktikergesetzes zu schätzen wissen und damit partielle Verbündete sein können, wird sich noch herausstellen müssen.

Insgesamt ein bemerkenswerter Kongreß, hervorragend organisiert (einschließlich Simultanübersetzung mit Funkübertragung) vom münchener "team4U" mit Christoph Newiger, Autor des TRIAS-Buches "Osteopathie. Sanftes heilen mit den Händen." Schade nur, daß die Teilnahmegebühren mit DM 640,-- doch recht hoch liegen. Sicherlich ist das Interesse an diesem Thema noch wesentlich größer, als die ohnehin nicht geringe Zahl von 220 TeilnehmerInnen vermuten läßt.

Anschrift des Verfassers:
Norbert Hermann
Marktstr. 396
44795 Bochum

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Naturheilpraxis 11/99