THEMA AUSBILDUNG

Die Heilpraktikerüberprüfung heute - eine Bestandsaufnahme

von Anja Siegert

Auffallend ist immer wieder, daß man im Zusammenhang mit dem Heilpraktikerberuf das Wort "Überprüfung" benutzt, statt einfach Prüfung zu sagen. Im ersten Moment bemerkt man diesen feinen Unterschied nicht sofort, erst wenn man sich über beide Termini - "Prüfung und Überprüfung" - kundig gemacht hat, versteht man besser, was mit ihnen ausgedrückt wird. Das Wort "Prüfung" bedeutet im Bereich der sinn- und sachverwandten Wörter soviel wie: "testen, checken, examinieren, zensieren, abhören etc."; der Begriff "Überprüfung" hingegen drückt mehr die Inhalte: "kritisch beleuchten, Rückschau halten, Bilanz ziehen etc." aus.


Diese feinen Unterscheidungskriterien besitzen gerade im Bereich des nichtapprobierten Heilers eine besondere Tragweite. Es liegt im Falle des Heilpraktikerberufes keine Testung hinsichtlich der Berufsqualifikationen vor, denn es erfolgt lediglich eine Kenntniskontrolle bezüglich einer Gefahrenabwehr: Der zukünftige Heilpraktiker darf keinerlei "Gefahr für die menschliche Gesundheit" darstellen. Das wäre im Prinzip schon alles. Es werden also keine praxis- bzw. berufsrelevanten Stoffgebiete wie z. B. naturheilkundliche Diagnostik und Therapie abgefragt, sondern der Aspirant muß wissen, wo seine Grenzen in der Berufsausübung liegen und welche rechtlichen Einschränkungen er zu befolgen hat.

Genau dieser Sachverhalt macht verständlich, warum man an dem Begriff "Überprüfung" unbedingt festhalten will: Dadurch geschieht schon eine Signalwirkung nach außen, die zeigt, daß der Heilpraktikerberuf eigentlich nicht unter die üblichen Berufstätigkeiten eingeordnet werden kann, denn es muß nicht - wie bei anderen Beschäftigungen üblich - eine berufliche Qualifikation einer Prüfungskommission vermittelt und belegt werden. Somit - da ja kein Anspruch auf eine "Fachprüfung" im eigentlichen Sinne erhoben wird - kann der Anwärter im Allgemeinen damit rechnen, keinerlei Inhaltsschwerpunkt zum Thema "naturheilkundliche Diagnose- und Therapieverfahren" in der Überprüfung präsentiert zu bekommen.

Für Kritiker des Berufsstandes ist natürlich dieses Gebaren ein guter Anlaß für das Anbringen von massiver Kritik. Diese - wie z. B. Teile der Ärzteschaft - befinden sich allerdings in einer Art Dilemma: Sicherlich fehlt auf der einen Seite der geprüfte Befähigungsnachweis zur Ausübung der Heilkunde, auf der anderen Seite möchte man aber den nichtapprobierten Heiler nicht dadurch aufwerten, daß man ihm bestätigt, er könne die Naturheilkunde wirklich beherrschen.

Da der Heilpraktikerberuf zahlreichen genauen richterlichen und gesetzlichen Regelungen, aber keinen direkten staatlich vorgeschriebenen Ausbildungskriterien unterliegt, entstehen hier natürlich auch hohe Anforderungen hinsichtlich Pflichtgefühl und Verantwortungsbewußtsein an denjenigen, der die Heilkunde ohne Bestallung ausüben möchte.

Der komplette Überprüfungsmodus sowie dessen Abwicklung ist reine Ländersache. Im Prinzip existieren wie z. B. in anderen Berufen keine festen Prüfungsordnungen mit bekannten Kriterien, welche sowohl für den Überprüfenden wie auch Prüfling bekannt und verbindlich sind.

Somit könnte jeder der Überprüfer nach seinem eigenen Gutdünken die Fragen mit ihren Inhalten und Schwerpunkten zusammenstellen. Durch das Bundesministeriums für Gesundheit wurden allerdings Leitlinien für die Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern gemäß § 2 Abs. 1 der I. Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz als Empfehlung für die Länder erstellt.

Mit Hilfe dieser ausgearbeiteten Leitlinien sollen bundesweit übereinstimmende Vorgaben und Maßstäbe für die Ausgestaltung und Abfolge sowie der Inhalte der Überprüfung fixiert werden. Allerdings besitzen diese Leitlinien keine direkte Verbindlichkeit für die einzelnen Bundesländer, es handelt sich um reine Empfehlungsvorgaben.

Die einzelnen Länder sind schon seit geraumer Zeit dabei, diese o. g. Leitlinien in Ihre Überprüfungsmodi zu integrieren.

Ein Beispiel dafür mag die Zentralisierung der Überprüfung sein, d. h. es gibt in einigen Bundesländern nur noch ganz bestimmte Überprüfungsorte und Überprüfungszeiten. Der große Vorteil liegt in der wesentlich besseren Gleichbehandlung der einzelnen Heilpraktikeranwärter. Ein Nachteil könnte darin gesehen werden, daß z. T. etwas längere Wartezeiten bezüglich des Absolvierens der Überprüfung in Kauf genommen werden müssen. Selbstverständlich ist und bleibt der Amtsarzt der Verantwortliche für die Überprüfung. Unterstützt wird er dabei von sogenannten "Beisitzern", welche in der Regel Heilpraktiker sind, die von den entsprechenden Verbänden für diese Tätigkeit vorgeschlagen wurden. Manchmal ist bei der Überprüfung selbst noch eine weitere Person zugegen, welche das Protokoll führt.

Beisitzer haben nur beratende Funktion im Gesamtprozedere der Überprüfung, sie dürfen zwar selbst im mündlichen Teil - meist nur einige wenige - Fragen stellen, jedoch wird auch dadurch kein entscheidender Einfluß ausgeübt. Maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob ein Aspirant das Ziel erreicht hat, ist vornehmlich die Meinung und die Überzeugung des Amtsarztes.

Da die Leitlinienempfehlungen des Bundesministeriums noch nicht überall zu gleichen Überprüfungen geführt haben, gibt es diesbezüglich noch Unterschiede.

Augenblicklich ist jeder Amtsarzt selbst für Durchführung und Gesamtkonzeption bzw. Bewertung der Überprüfung zuständig. Dadurch kristallisiert sich natürlich auch sein individueller Überprüfungsstil heraus. Solche Gegebenheiten sprechen sich im Laufe der Zeit innerhalb des Zuständigkeitsbereiches des jeweiligen Amtsarztes in der Heilpraktikerszene herum, so daß im Laufe der Zeit ein gewisser "Prüfungstourismus" entstanden ist. Manchmal versuchte auch ein Aspirant, welcher das Ziel der Überprüfung bei dem für ihn zuständigen Amtsarzt nicht erreicht hatte, durch z. B. Änderung des Wohnsitzes in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Gesundheitsamtes zu gelangen um sich somit vielleicht beim nächsten Versuch bessere Chancen ausrechnen zu können. Wie gesagt wird allerdings durch die Erstellung der bundeseinheitlichen Leitlinien und die Zentralisierung der Überprüfung versucht, diesen Methoden ein Ende zu bereiten.

Eine etwas genauere Standortbestimmung der Heilpraktikerüberprüfung wurde durch ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 27.02.1991 vorgenommen (AZ: M 16 K 90.363).

Sollte man o. g. Urteils studieren, bemerkt man, daß sich die Trennungslinie zwischen den Wortinhalten "Prüfung" und "Überprüfung" wieder etwas relativiert hat.

Greifbare Inhaltsschwerpunkte liegen vorwiegend auf der Feststellung, ob ein Heilpraktiker - z. B. nach den Kriterien der Sorgfaltsvorschrift - seine diagnostischen und therapeutischen Grenzen bezüglich der Behandlung von Patienten klar realisieren kann. Um dieses zu bewerkstelligen benötigt er natürlich ein ähnliches, umfangreiches Hintergrundwissen wie bei einer regulär ausgeformten "Prüfung" in medizinischen Bereichen. Gleichzeitig wird damit dem Ziel, nämlich zu erkennen, ob der zukünftige Heilpraktiker eine Gefahr für die Volksgesundheit darstellt, ziemlich realistisch Genüge getan.

Dies bedingt natürlich, daß der Prüfling eine doch ziemlich große Menge an medizinischem Stoff zu beherrschen hat, immer mit dem Blick auf die zukünftigen Behandlungen von Patienten und von ihm später einmal angewendeten naturheilkundlichen Maßnahmen in Diagnose und Therapie. Somit wird doch ein relativ strenges und gutes Qualitätsniveau erreicht, obwohl es sich "nur" um eine Überprüfung handelt.

Wesentliche Inhalte der Überprüfung kann man den Vorgaben der Leitlinien des Bundesministeriums für Gesundheit entnehmen (315-4334-3/4). Hier werden die einzelnen Themengebiete des zu erwartenden Wissens explizit aufgeführt (vgl.: Liebau, K. F.: Berufskunde für den Heilpraktiker bzw. Script zum Thema "Ausbildung und Überprüfung zum Beruf des Heilpraktikers - Aktuelle Informationen zu Ausbildungsgängen und Daten, Fakten sowie Hintergründe zu Überprüfungsbelangen - s. Anhang ).

Schleswig-Holstein

Bundesland Schleswig - Holstein
Verordnungen, Erlasse: 1. Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst (Gesundheitsdienst-Gesetz - GDG) v. 26.3.1979
2. Zulassung zur Heilpraktikertätigkeit; Erl. v. 20.4.1951
3. Anwendung des Heilpraktikergesetzes auf psychotherapeutisch tätige Diplom-Psychologen v. 2.1.1987
4. vorläufige Heilpraktikerrichtlinie, gültig ab 1.9.1998
Merkblatt: Information liegt nicht vor
Anmeldung zur Erlaubniserteilung bei: s. DVO
Inhalte des Antrages: s. DVO
Zuständige/s Gesundheitsamt/ämter: Gesundheitsamt Husum (im Rahmen der Amtshilfe für alle Gesundheitsämter)
Anzahl der Überprüfungen pro Jahr: zweimal pro Jahr
Allgemeine Informationen zur Durchführung der Überprüfung: .
- Bestandteile der Überprüfung: schriftlich, mündlich/praktisch
- Anzahl der Aufgaben im schriftlichen Teil: 80 Fragen im Multiple-choice-Verfahren, von denen mindestens 80 Prozent richtig beantwortet sein müssen
- Zeitdauer der Überprüfung: schriftlich: 160 Minuten (pro Frage 2 Minuten)
mündlich zwischen 15 bis 45 Minuten pro Person
- Zeitspanne zwischen den Teilen der Überprüfung: bis zu sechs Wochen
- Zusammensetzung des Gremiums der Überprüfung (mündlicher Teil) Vorsitz eines Arztes des Gesundheitsamtes mit einem beisitzenden Heilpraktiker
- Anzahl der Prüfungsteilnehmer (mündlicher Teil): Prüfung in Gruppen bis zu 4 Personen ist möglich
Gebühren lt. Gebührenverordnung (Stand 1998): Überprüfung beim Gesundheitsamt DM 420,-
Erteilung der Erlaubnis DM 260,-
Widerspruch: -zuständige Behörde Untere Verwaltungsbehörde, ggf. Gesundheitsam
Sonstige Informationen: Prüfungsaspiranten erhalten im Vorfeld Teile der Richtlinien bzw. Leitlinien

Durch das Gerichtsurteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.01.1957 wurde bezüglich des Erlaubnisverfahrens zum Beruf des Heilpraktikers festgelegt, daß man die Überprüfung so oft wie man möchte, wiederholen kann. Eine Bedingung herrscht dabei allerdings vor: "(...) vor erneuter Antragstellung muß eine angemessene Zeit vergangen sein, in welcher der Antragsteller seine fachlichen Kenntnisse aufbessern konnte."

Betrachtet man andere Berufe, so liegt die Obergrenze der Prüfungswiederholungen bei maximal drei Versuchen. Danach geht man üblicherweise davon aus, daß der Betreffende für diesen Beruf nicht geeignet ist. Der Heilpraktikerberuf weist also auch in diesem Rahmen größere Freiheiten als andere Berufe auf.

Insgesamt zeigt es sich, daß im Prinzip nur jemand diese Überprüfung bewältigen kann, welcher eine relativ hochwertige Ausbildung bzw. Vorbereitung durchlaufen hat.

Für den Heilpraktiker an sich kann dies nur von großem Vorteil sein, denn das größte Kapital seiner Praxisführung - wie in jedem anderen Beruf auch - ist sein eigenes Wissen und Können als Basis seiner Berufsausübung.

Da teilweise die Durchfallquoten bei Heilpraktikerüberprüfungen über 50 % liegen (vgl.: "Die Gestaltung der Zulassung zum Beruf des Heilpraktikers in den einzelnen Bundesländer"), könnte man einerseits auf die Schwere dieser Art der Prüfung schließen oder aber auch auf die mangelnde Vorbildung bzw. Vorbereitung der Kandidaten.

Es scheint heutzutage nicht mehr so einfach zu sein, die Überprüfung beim Amtsarzt zu meistern, wie es vielleicht früher einmal war. Dies spricht jedoch keinesfalls gegen den Überprüfungsmodus - ganz im Gegenteil. Nur der Heilpraktiker, welcher medizinisches und psychologisches Basiswissen hat und dadurch auch seine diagnostischen und therapeutischen Grenzen kennt und akzeptiert, ist letztendlich in der Lage ganzheitliche Behandlungserfolge aufweisen zu können, ohne in irgendeiner Art und Weise jemandem dabei zu schaden. Schwerwiegende Erkrankungen des Patienten, die seine Möglichkeiten vielleicht übersteigen könnten, würde er an einen Arzt verweisen.

Somit besitzt der Patient bei einem solchen nichtapprobierten, aber überprüften und sich weitestgehend unter Kontrolle stellenden Behandler, doch eine sehr große Sicherheit, sich in "seriösen Händen" zu befinden.

Fortsetzung der Thematik in der nächsten Ausgabe

Eine komplette Zusammenfassung in Skriptform zum Thema Ausbildung mit allen aktuellen Informationen ist nach dem Erscheinen in der NATURHEILPRAXIS über die Autorin zum Preis von DM 79,- erhältlich.

Anschrift der Verfasserin:


A.S.i.t. - Anja Siegert
Pilgerwiesenstraße 15
73630 Remshalden

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