THEMA AUSBILDUNG

Zur Ausbildungssituation

Teil 2

Dauer und mögliche Kosten sowie eine Betrachtung der Niedersächsischen Ergänzungsschule

Sicherlich existieren eine ganze Reihe möglicher Unterscheidungskriterien bzgl. der Ausbildungsmöglichkeiten zum Beruf des Heilpraktikers an Heilpraktikerschulen. Neben den bereits ausgeführten (s. Naturheilpraxis 06/99) könnte man noch folgende Unterscheidungskriterien festhalten:

Was die Unterrichtszeiten anbelangen, zeigen gerade größere Ausbildungsstätten Flexibilität. So existieren z. B. Tages-, Wochenend- und Abendschulen sowie diverse Kombinationen derselben und darüber hinaus spezielle Sonderseminare. Vorwiegend bei größeren Heilpraktikerschulen trifft man die Form der Tagesschule an. Vorteil ist hier vor allem die hohe Zahl an Unterrichtsstunden, d. h. üblicherweise werden ca. 2000 bis 3500 Stunden an Unterricht angeboten. Die Laufzeit beträgt im Durchschnitt ca. 18 bis 36 Monate, wobei die üblichen Schulferien berücksichtigt werden. In dieser Zeit liegt das Durcharbeiten und Einüben von medizinischem Stoff in einem vernünftigen Rahmen. Einige Institute lassen in dieser Zeit noch Seminararbeiten anfertigen bzw. schreiben Klausuren, um den Kenntnisstand des Einzelnen dokumentieren zu können.

Die Unterrichtszeit an Tagesschulen liegt an Werktagen meist zwischen 9.00 Uhr bis maximal 14.00 Uhr. Bei der Gruppe der Studentenschaft, welche sich eine derartige Form der Heilpraktikerausbildung ausgesucht hat, handelt es sich vorwiegend um Personen, die eine besonders gute Möglichkeit der freien beruflichen und familiären Zeiteinteilung besitzen. Wochenend- und Abendschulen dagegen bereiten primär auf eine Überprüfungsreife vor, geben aber innerhalb des Unterrichtsablaufes auch einige Orientierungshilfen zum Kennenlernen von Naturheilverfahren. Die gesamte Unterrichtszeit beläuft sich auf ca. 1200 bis 1800 Stunden. Dies bedingt natürlich, daß der gesamte Unterrichtsstoff im Verhältnis zur Tagesschule sehr stark komprimiert werden muß, obwohl die Inhalte dieselben sind.

Der Wochenendunterricht findet vorwiegend Samstags zwischen 9.00 Uhr und 14.00 Uhr statt, der Abendunterricht jeweils an einem oder zwei Abende in der Woche von ca. 19.00 Uhr bis 21.30 Uhr. Die gesamte Ausbildungszeit beläuft sich zwischen 16 und 26 Monaten. Selbstverständlich können sowohl von der Anzahl der Unterrichtsstunden her betrachtet, als auch von der gesamten Ausbildungszeit, nur Kernteile des gesamten Lehrstoffes tangiert werden. Somit wird der Studierende besonders in die Pflicht genommen, was Eigeninitiative und Disziplin beim Lernen und Vertiefen in den Unterrichtsstoff anbelangt. Naturgemäß werden von dieser Art des Ausbildungsmodus vor allem die Personen angesprochen, welche durch Beruf und Familie einem engen Zeitplan unterliegen.

Ob eine wirkliche Überprüfungsreife nach o. g. doch sehr kurzen Ausbildungszeit erreicht werden kann, hängt sehr stark vom Engagement und auch der Vorbildung des einzelnen Studierenden ab. Für Personen mit einer abgeschlossenen Ausbildung im Bereich des Gesundheitswesens (z. B. Masseure oder Krankengymnasten, Arzthelferinnen, Krankenschwestern usw.) könnte diese Form der Ausbildung u. U. für die Überprüfungsreife ausreichend sein, selbstverständlich fehlen allerdings auch dann immer noch wesentliche Kenntnisse und Erfahrungen in praxisrelevanten diagnostischen wie therapeutischen Bereichen.

Was die Klassenstärken in den etwas größeren Ausbildungsinstituten anbelangt, so schwanken diese nach stichpunktartigen Umfragen zwischen 20 und 40 Schülern, in den kleineren Schulen belaufen sich die Schülerzahlen auf ca. 8 bis 20 Studierende. Es leuchtet ein, daß je geringer die Klassenstärke ist, sich ein Dozent um so individueller um einzelne Studierende und deren Lernschwächen bzw. Lernschwerpunkte kümmern kann. Manche Institute bieten zum konventionellen Unterricht noch eine Videounterstützung an. Unterrichtseinheiten können so am Fernseher "erlebt" und mitverfolgt werden.

Dieser Videounterricht kann als eine Vertiefung bzw. Vervollkommnung zum normalen Studium angesehen werden oder natürlich auch als Unterstützung für autodidaktisch Lernende. Allerdings sind bei dieser Art der Wissensaneignung diverse Interaktionsmöglichkeiten, wie sie in einem dozentengeführten Unterricht möglich sind, nicht gegeben. Natürlich ist es in den meisten Ausbildungsinstituten möglich, die o. g. Schulvariationen parallel zu nutzen. Auffällig bei manchen Ausbildungsinstituten ist das sogenannte "rollierende System", auch "Revolving-System" genannt. Kernpunkt dieser Vorgehensweise ist die Tatsache, daß nach einem ganz bestimmten Zeitraum die Themen des Stoffverteilungsplanes sich immer wieder kontinuierlich wiederholen. D. h. in einer 24-monatigen Ausbildungszeit z. B. werden alle vorgesehenen Themen durchgenommen und beginnen dann wieder turnusmäßig von neuem. Der Heilpraktikeranwärter hat bei Studienbeginn sofort die Möglichkeit irgendwo in den Fächerkanon einzusteigen, mit der Gewißheit innerhalb seiner Ausbildungszeit alle relevanten Themen einmal durchlaufen zu können. Daß ein medizinischer Neuling bei diesem Verfahren teilweise vollkommen überfordert ist, liegt auf der Hand, deshalb halten seriöse Schulen für Studienbeginner "Einführungs- bzw. Propädeutikkurse" mit entsprechendem Lernmaterial und ggf. Begleitseminaren parat.

Normalerweise gliedern Heilpraktikerschulen ihren Themenplan nach Schul- bzw. Semester- oder Trimesterklassen didaktisch auf. Dies bedeutet, daß mit jedem neuen Schuljahr eine Anzahl von Schülern die Ausbildung beginnt und sich der Unterrichtsstoff systematisch aufbaut, so daß sich mit jedem neuen Schuljahr vorgesehene Themen weiterentwickeln können.

Sinnvoll ist es die Heilpraktikerausbildung an einem Institut mit einer schulinternen Prüfung abzuschließen, die allerdings keine Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung beinhaltet. Es handelt sich vielmehr um eine Art Kenntnisüberprüfung und die diesbezügliche Leistungsdokumentation, also eher um eine "kollegiale Fachprüfung" der einzelnen Schulen. Was das Thema Studienkosten betrifft, so sind nach Umfragen und Recherchen nur ungefähre Preisangaben möglich. Je nach gewählter Ausbildungsart und Studienform variieren die Schulkosten zwischen DM 6.000 und DM 18.000, wobei hiermit die Grenze nach oben bei weitem nicht erreicht ist. Hinzu kommen natürlich noch Kosten für Unterrichtsmaterialien, Bücher und Gerätschaften.

Auch das Besuchen diverser Sonderseminare oder Assistenzpraktika können natürlich noch weitere Löcher in den Geldbeutel reißen. Nicht zu vergessen sind die Prüfungsanmeldegebühren, die schnell noch ein paar hundert DM verschlucken.

Private Heilpraktikerschulen sind primär auf Gewinn ausgerichtete Unternehmungen, dies bedeutet, daß ein ökonomischer Faktor zumindest seitens der Schulbetreiber immer mitschwingt. Was die Informationen zu Studiendauer und Kosten anbelangt, wird die Sachlage - laut Aussage von Studierenden an unterschiedlichen Instituten - häufig doch etwas zu "rosig" dargestellt. Es sollten einem Heilpraktikeranwärter keinesfalls falsche Hoffnungen gemacht werden, so daß er etwa glauben könnte, dieser Beruf sei in einer minimalen Zeit zu erlernen, um hinterher in der Lage zu sein, eine eigene Praxis in Selbständigkeit führen zu können. Selbst in einer Tagesschule können Einübungs- und Vertiefungsphasen zu kurz kommen. Wichtig ist es zu überlegen und vor allem sich zu vergegenwärtigen, wie groß doch einerseits die Menge des medizinischen Lernstoffes ist und andererseits wieviel Zeit benötigt werden muß, um berufsspezifische Verfahren in Diagnostik und Therapie für eine spätere Praxisreife erfassen zu können.

Es ist von eminenter Bedeutung, daß sich ein Interessent für den Beruf des Heilpraktikers intensiv über die einzelnen Ausbildungsmodalitäten verschiedener Ausbildungsinstitute kundig macht und zumindest die Chance einiger Probeunterrichte - die viele Institute anbieten - nutzt, um so besser Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Ausbildungsangebote abschätzen zu können.

Ergänzungsschule

Der Niedersächsische Landtag hat Ende 1997 das Schulgesetz (Landesangelegenheit) dahingehend geändert ("§ 161 NSchG - Anerkannte Ergänzungsschulen"), daß Heilpraktikerschulen den Status einer "anerkannten Ergänzungsschule" nach dem Niedersächsischen Schulgesetz erlangen können, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt werden.

Am 14.10.1998 wurde nun durch einen Runderlaß eine genauere Regelung diesbezüglich erlassen:
(Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker; Ergänzungsschulen gemäß § 161 Abs. 2 NSchG. RdErl. D. MK v. 14.10.1998 - 402-81 111/2-2-1/98 -)

"Mit der Novellierung des § 161 NSchG wurde die Möglichkeit eröffnet, Schulen in freier Trägerschaft, die der Ausbildung von Heilpraktikerinnen und Heilpraktikern dienen, auf Antrag die Eigenschaft einer anerkannten Ergänzungsschule zu verleihen, sofern die im Gesetz genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Die Anerkennung als Ergänzungsschule setzt neben der Erfüllung der in § 161 Abs. 2 NSchG genannten Anforderungen den Nachweis voraus, daß mindestens die im RdErl. des MS vom 22.2.1995 (Nds. MBl. S. 375) hinsichtlich der Überprüfung geforderten Sachgebiete inhaltlich vermittelt werden.

Zur Überprüfung der Anforderung, daß wenigstens in drei im Heilpraktikerwesen nicht nur vereinzelt vertretenen Behandlungsmethoden umfassend auszubilden ist, ist die vom MFAS erstellte Liste (...) heranzuziehen. Es wird darauf hingewiesen, daß einzelne Behandlungsmethoden nicht dem Heilpraktikerwesen zuzuordnen sind (Negativliste ...) und daher für die Anerkennung als Ergänzungsschule nicht in Frage kommen können.

Der Anforderung des § 161 Abs. 2 NSchG hinsichtlich des Ausbildungsumfangs (18 Monate) wird durch den Nachweis entsprochen, daß der Schulträger die oben genannte Ausbildung bei Vollzeitunterricht mit jeweils mindestens 30 Wochenstunden Unterricht bei 60 Unterrichtswochen (eineinhalb Jahre) durch geeignetes Fachpersonal in entsprechenden Räumen vermittelt. Die Abschlußprüfung am Ende des Bildungsganges an anerkannten Ergänzungsschulen stellt keine Prüfung zu einem Berufsabschluß dar."

Bei diesem Modell einer Ergänzungsschule ist auffallend, daß nur 18 Monate (halbtägige) Ausbildungszeit verlangt werden. Große Teile des Heilpraktikerberufsstandes halten - wenn man nach einem ausreichenden Ausbildungs- bzw. Vorbereitungszeitraum fragt - mindestens 24 bis 36 Monate (z. T. Vollzeitschule) gerade einmal für angemessen. Auch das Darstellen bzw. Unterscheiden der Heilpraktikertätigkeiten in eine Positiv- und eine Negativliste ist bemerkenswert.

Es kommt jedoch klar zum Ausdruck, daß auch die Abschlußprüfung an o. g. Ergänzungsschule nicht ausreicht, die Tätigkeit als Heilpraktiker aufzunehmen. Der Absolvent einer solchen Ausbildungsinstitution kommt nicht umhin ebenfalls die Überprüfung bei einem Amtsarzt abzulegen, genauso wie auch die Studierenden an privaten Heilpraktikerausbildungsinstitutionen!

Anschrift der Verfasserin:
A.S.i.t. - Anja Siegert
Pilgerwiesenstr. 15
73630 Remshalden

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Naturheilpraxis 09/99