Industrie und Forschung

Ist mit einer Darmlavage eine Optimierung der Darmflora möglich?

Studie mit einer Golytely-Lösung

von Edzard F. Keibel

Die Mikrobiologische Behandlung genoss dank der anhaltenden Pilzdiskussion auch im Lager der Laienpresse ein monatelanges Interesse in Patienten- wie in Behandlerkreisen. Lange stritt man über die Frage, ob Darmpilze überhaupt eine Relevanz hätten und wenn ja, welche Spezies in welcher Populationsgröße und mit welcher "Gesinnung" (Stichwort: Phenotyping-switching) zur Gefahr für Leib und Leben des Wirtes würden.

Um diese Diskussion ist es inzwischen merklich ruhiger geworden und auch die Yellowpress hat sich bereits aktuelleren Themen zugewandt: u.a. Viagra.

In Behandlerkreisen scheint sich mittlerweile die Ernüchterung breit gemacht zu haben, dass sich mit einer noch so radikalen medikamentösen Ausrottung von Pilzen im Darm unter der Begleitung strengster Kostumstellung offensichtlich die Gesundung des Patienten noch nicht einstellen muss. Auch bei einer immer weiter verfeinerten Labordiagnostik reicht das Zählen und Differenzieren von Pilzen nicht aus. Jeder ernstzunehmende Behandler und Laborant weiß, dass nur bei der Betrachtung des Gesamtmilieus (der aeroben und anaeroben Keime, des pH-Wertes im Darm, des sIgA, ggf. der Entzündungsmarker, der Enteritiserreger, evtl. der Pankreatischen Elastase etc.) eine Bewertung der Darmpilze unter Berücksichtigung der gesamten Darmsituation zulässt.

Dienstbare Laboratorien bieten inzwischen eine Reihe von überflüssigen oder gar zweifelhaften Untersuchungen an (z.B. Nahrungsmittelallergien aus Stuhluntersuchungen! - Mykologie wird zur Mythologie (6)), um dann gar Aussagen und Therapieempfehlungen auszusprechen, ohne den Patienten je gesehen zu haben oder seine Anamnese zu kennen! Wenn sich nach etlichen Stuhluntersuchungen die "Therapieempfehlungen" stark ähneln, weil sich bestimmte Präparatenamen ständig wiederholen, sollte der Behandler stutzig werden! Diese stark vereinfachten Therapieschemata könnten für den Anfänger evtl. eine Hilfe sein, doch dahinter verbergen sich leider u.U. "Seilschaften", bei denen merkantile Interessen vor Patienteninteressen gestellt werden!

Schaut man sich einmal das Angebot der verschiedenen Laboratorien zur Stuhldiagnostik genauer an, so wird es für den "Einsteiger" deshalb recht schwierig zu unterscheiden, welche Parameter für die jeweilige Fragestellung wichtig sind. Eine komplette Stuhlanalytik ist genauso wenig notwendig, wie man ja bei einer Standard-Blutanalyse z.B. auch niemals sämtliche Hormonanalysen erstellen würde.

Zum Thema:
Wann in der Medizin das Klistier (Darmeinlauf) mittels eines Irrigators (heute verwendet man auch die Colon-Hydro-Therapie) eingeführt wurde, lässt sich nicht mehr genau datieren. Doch diese Form der "Entgiftung", "Entlastung", "Stoffwechselumstimmung" ist noch immer eine der wichtigsten Begleittherapien bei jeder Fastenkur. Alle Patienten, die einmal diese Prozedur auf sich genommen haben, berichten von einer deutlich besseren seelischen und körperlichen Verfassung. In den verschiedenen Religionen diente und dient das Fasten u.a. der Vorbereitung einer intensiveren inneren Einkehr und Bewusstseinserweiterung.

Eine vergleichsweise gründlichere aber drastischere Darmentleerung ist vor jeder Koloskoskopie üblich, welche mit der sogenannten "Darmlavage" darauf abzielt, das gesamte Darmrohr stuhlfrei und die Darmschleimhautoberfläche, insbesondere die "Nischen" wie Divertikel von anhaftenden Faecesresten und gelegentlichen Kotsteinen frei zu machen.

Für jeden Patienten ist deshalb unmittelbar einleuchtend, dass diese Maßnahme auch zur Einleitung einer Mikrobiologischen Behandlung sinnvoll ist. Hinzu kommt natürlich sowohl beim Patienten wie beim Therapeuten der Wunsch, auf diese Weise evtl. auch zusätzlich "ein paar böse Keime" mit aus dem Darm zu "spülen". Da sich diese Strategie schon seit mehreren Jahren in meiner Praxis sehr bewährt hat, lag es nahe, diese "Wunschvorstellung" einmal unter Laborbeobachtung zu prüfen. In einer Studie, an der 27 Patienten teilnahmen, sollten die Probanden zunächst eine Stuhlprobe an das Labor (Enterosan ® Labor L+S AG) einsenden. Einige Tage später, am besten an dem auf die Probeentnahme folgenden Wochenende hatten die Probanden die Aufgabe, nach dem Frühstück möglichst eine Menge von 3 - 4 l einer Golytely-Lösung (Klean-Prep ® - Norgine GmbH (8)) zu trinken. Sowohl die Portionsmengen, als auch die Zeitdauer durften von den Probanden frei gewählt werden (üblicherweise 3 - 5 Stunden). Eine zweite Stuhlprobe sollte einige Tage später ebenfalls zur Untersuchung in das Labor geschickt werden. Dabei sollte abgewartet werden, bis der Stuhl seine übliche Beschaffenheit wieder erlangt hatte. Im Labor wurden die aerobe, anaerobe Flora, Pilze identifiziert und quantifiziert (KbE/g) sowie eine pH-Wert-Bestimmung vorgenommen.

Die Probanden wurden vorher darüber informiert, dass sie auf die beschriebene Weise ihren gesamten Darm säubern, dass zu Beginn ein Rumoren und Kollern im Bauchraum mit folgenden Stuhlentleerungen einsetzen und zum Schluss häufig nur noch "klares Wasser" entleert würde. Sie sollten darauf achten, dass sie während der Darmlavage jederzeit freien Zugang zu ihrer Toilette hatten, weshalb sich gerade für Berufstätige das Wochenende anbot.

Wenn auch nicht alle Patienten begeistert von dieser Anwendung waren, so haben sie im allgemeinen doch alle bereitwillig mitgemacht und die ganze Prozedur als wohltuende Darmreinigung empfunden. Lediglich eine Patientin erwähnte, dass sie diese Darmlavage nicht noch ein zweites Mal machen würde. Als belastend und störend wurde die ungewohnt große Trinkmenge empfunden. Auf diese Kritik soll zum Schluss noch einmal eingegangen werden.

Zum Wirkmechanismus von Klean-Prep ®:

Klean-Prep ® ist ein Pulver zur Herstellung einer Polyethylenglykol (PEG)-Elektrolytlösung für eine Darmspülung (Darmlavage). Darmspüllösungen auf der Basis von Golytely ermöglichen eine Darmlavage ohne nennenswerte Beeinflussungen des Flüssigkeits- und Elektrolythaushaltes. Bei der Golytely-Lösung werden hochmolekulares Polyethylenglykol 3350 und Natriumsulfat kombiniert mit den Elektrolyten Kaliumchlorid, Natriumchlorid und Natriumhydrogencarbonat um eine isoosmolare Konzentration mit einer Osmolarität von etwa 285 mosm/kg zu erzielen. Das hochmolekulare Polyethylenglykol 3350 ist ein inertes Makromolekül, das während der gastrointestinalen Passage nicht verstoffwechselt wird und nur minimal resorbiert wird.

Golytely-Lösungen werden zur Darmreinigung vor endoskopischen Untersuchungen, vor operativen Eingriffen oder vor der Gabe von Röntgenkontrastmitteln erfolgreich eingesetzt. Die physikalische Wirkung dieser isoosmolaren Trinklösung erklärt den sehr guten Reinigungseffekt ohne Gefährdung des Patienten.

Wie übliche Laxantien darf dieses Mittel bei Magen-Darmverengungen, Ileus, Perforation, Ulcerationen im Magen oder Darm, toxischer Kolitis und toxischem Megacolon nicht eingesetzt werden (Angaben des Herstellers).

Abb. 1


Abb. 2


Abb. 3


Abb. 4


Zur Auswertung:

Die 27 Probanden waren im Alter zwischen 20 - 81 Jahren (Durchschnitt 46,8 Jahre).
Abb.1
Es nahmen 22 weibliche und 4 männliche Probanden an der Studie teil.
Zwischen der ersten und zweiten Stuhlprobe lagen 2 - 28 (Durchschnitt 9,28 Tage), in einem Fall 125 Tage.

Die folgenden Beschwerden wurden vor Beginn der Behandlung angegebenen:
Abb.2
Selbstverständlich war in keinem der erwähnten Fälle damit zu rechnen, dass die Beschwerden durch die eingesetzte Darmlavage beseitigt worden wären. Sie diente wie schon eingangs beschrieben, der Vorbereitung einer Mikrobiologischen Behandlung.

Zur Beurteilung:

Wie sahen die Stuhlergebnisse vor und nach der Darmlavage aus? Gab es Verschiebungen die auf eine Beeinflussung der Flora hinwiesen?

Betrachtete man zunächst die pH-Werte, so stellte man fest, dass diese nicht wesentlich durch den Einsatz von Klean-Prep ® beeinflußt wurden.
(Abb. 3)
Die deutlichsten Veränderungen zeigten sich bei den Keimverschiebungen der Pilze:
(Abb. 4)
Pilze wurden jedoch nicht bei allen Probanden nachgewiesen:
(Abb.5)
Die freien Felder in der Grafik zeigen Werte unterhalb der Nachweisgrenze (< 3 log 10). Durch die Grafik wird ferner deutlich, dass in 7 Fällen die Pilzpopulation reduziert wurde, in 4 anderen Fällen jedoch in der 2. Stuhlprobe höher ausfielen. Bei den übrigen 16 Probanden war keine messbare Veränderung eingetreten.

Wie soll man das bewerten? Hatte die Darmlavage möglicherweise z.T. Pilznester hervorgespült, wodurch sich die Keimzahl in der 2. Stuhlprobe erhöhte?

Auf der anderen Seite hatten sich die Ergebnisse verbessert (Probandennummer 2, 6, 18, 19, 23, 24, 25). Wie sollte das interpretiert werden? Waren Pilze durch die Darmlavage "weggespült" worden?

Es ist bekannt, dass die Messung von Pilzpopulationen immer nur in relativen Zahlen möglich ist, abhängig von der Technik der Probeentnahme und vom Nahrungsangebot 24 Stunden vor der Stuhlentnahme. Das führte in der Vergangenheit zu der kontroversen Diskussion, wie diese Ergebnisse überhaupt zu beurteilen sind! Das ist als "Unsicherheitsfaktor" bei der Bewertung der vorliegenden Ergebnisse zu berücksichtigen. Deutlich wird jedoch, dass der Wunsch, die Pilze einfach aus dem Darm zu "spülen" nicht zu realisieren ist, zumal bekannt ist, dass diese darmwandständig sind und sich die Hyphen sogar in die Schleimhaut "hineinbohren" können (Adhäsion).

Die Frage, warum die Ergebnisse so wenig eindeutig sind, ist innerhalb eines so kleinen Patientenkollektives schwer zu beantworten und muss deshalb offen bleiben.

Die aeroebe und anaerobe Flora:

Bei der Betrachtung der aeroben, wie der anaeroben Keime sind keine signifikanten Abweichungen der Ergebnisse zwischen der ersten und der zweiten Stuhlprobe nachweisbar.

Resümee:

Mit einer Darmlavage ist eine Keimverschiebung nicht zu erreichen, aber auch nicht zu befürchten! Will man wirklich nachhaltig das Milieu im Intestitium und die Keimpopulation auf der Darmschleimhaut beeinflussen, so sind die bekannten Strategien (s. Literaturliste (3), (4)) die probaten Mittel.

Auf der anderen Seite zeigt diese Studie aber in beruhigender Weise, dass nicht jede kleine Sommerdiarrhoe sofort die ganze Darmflora "auf den Kopf stellen" und eine (kostspielige) Langzeittherapie nach sich ziehen muss. Eine langandauernde Diarrhoe ist selbstverständlich anamnestisch und differentialdiagnostisch gesondert zu betrachten und zu behandeln!

Trotzdem bleibt die Darmlavage eine sinnvolle Basisbehandlung nicht nur bei Fastenkuren. Auch vor und ggf. während einer Mikrobiologischen Behandlung hat sie ihren bedeutenden Stellenwert.

Dumrese schildert in seinem Buch "Pilzdiagnostik in der Praxis" (2) die Crux, dass wiederholte antimykotische Behandlungen nicht fruchten. Immer wieder wird deshalb die Frage aufgeworfen, ob es bereits Therapieresistenzen auf die bekannten Antimykotika (Nystatin, Clotrimazol) gäbe.

Der Grund sind vermutlich (unerkannte) Divertikel (gerade bei Problempatienten), die in unerreichbaren Nischen ein Dauerreservoir für Pilze darstellen und deshalb von üblichen Antimykotika nicht erreicht werden können. Hier kann langfristig nur eine wiederholte Darmlavage zusammen mit einer Darmschleimhauttherapie (3) (4) für Abhilfe sorgen.

Aus verschiedenen Gründen ziehe ich die beschriebene Darmlavage in meiner Praxis einer Colon-Hydro-Therapie vor:

- Der Darm, von der Natur als "Einbahnstraße" konzipiert, wird in seiner "Arbeitsrichtung", also von oben nach unten stimuliert und gereinigt. (Eine Colon-Hydro-Therapie hätte deshalb beim unerkannten Overgrowth-Syndrom u.U. fatale Folgen.)
- Der Patient bestimmt Ort und Zeit der Darmlavage selbst und kann seine gewohnte Toilette benutzen.
- Die Klean-Prep ® - Trinklavage ist im Vergleich zur Colon-Hydro-Therapie bedeutend preiswerter und schon deshalb häufiger wiederholbar.

Das Problem der großen und ungewohnten Trinkmenge lässt sich dadurch lösen, dass man den Patienten an zwei aufeinanderfolgenden Tagen oder Wochenenden jeweils nur 2 Liter der Klean-Prep ® -Trinklavage (das entspricht 2 Beuteln) einnehmen lässt.

Bei einer Koloskopie lassen sich keine Unterschiede feststellen ob 4 Liter über zwei Tage vorher verteilt oder unmittelbar vor der Untersuchung eingesetzt wurden.

Für die freundliche Unterstützung dieser Studie möchte ich den Mitarbeitern der Fa. Norgine Beyer und Gruss ebenso herzlich danken, wie den Herren Balles, Beckmann und Rüffer vom Enterosan ® Labor L+S AG.

Literaturhinweise:

(1) Beckmann, G.; Rüffer, A.; Sonnenschein, B.
Wiederaufforstung - Symbioselenkung - Substitution der Darmflora
Einige kritische Anmerkungen
Naturheilpraxis Nr. 05 Mai 1997 (S. 780 - 785)
(2) Dumrese, J.
Pilzdiagnostik in der Praxis Ralf Reglin Verlag Köln 1997
(3) Keibel, E. F.
Myrrhe - Eine antike Arznei mit alten und neuen Indikationen
Naturheilpraxis Nr. 48 Mai 1995 (S. 24 - 31)
(4) Keibel, E. F.
Intestinalmykosen - Praktische Erfahrungen mit einer naturgemäßen Therapie
Naturheilpraxis Nr. 03 März 1997 (S. 343 - 346)
(5) Nolting, S.
Mykosen des Verdauungstraktes
Medi-Verlag Hamburg
(6) Rüffer, A. ; Beckmann, G.; Balles, J.; Sonnenschein, B.
Allergiediagnostik aus dem Stuhl - ist das möglich?
Naturheilpraxis Nr. 08 August 1998 (S. 1240 - 1246)
(7) Rüffer, A.; Beckmann, G.; Sonnenschein, B.
Was ist ein Pilz ohne seinen Wirt?
Ärztezeitschrift für Naturheilkunde Heft 6, Juni 1997 (S. 437 - 444)
Labor: Eingesetztes Präparat:
Enterosan ® Labor L+S AG
Mangelsfeld 4
97708 Bad Bocklet-Großenbrach
Tel.: 09708 - 91000
Fax: 09708 - 6885
Eingesetztes Präparat:
(8)
Klean-Prep ®
Norgine GmbH
Postfach 1840
35007 Marburg
PZN -4644102

Anschrift des Verfassers:
Edzard F. Keibel
Heiligengeiststr. 17
23843 Bad Oldesloe

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Naturheilpraxis 09/99