TRAUMA

Thoraxtraumata

von Michael Franzen


Obwohl unsere Autos durch Sicherheitsgurte und Airbags immer sicherer werden, treten Thoraxverletzungen am häufigsten bei Verkehrsunfällen auf. Der Grund dafür liegt meistens in der hohen Geschwindigkeit bzw. in der abrupten Geschwindigkeitsverminderung beim Unfall. So gehen die meisten geschlossenen Brustkorbverletzungen auf ein sogenanntes Dezelerationstrauma zurück. Ein Schlag gegen den Brustkorb oder eben der Aufprall auf dem Lenkrad bei einem Frontalzusammenstoß sind typische Ursachen, die - abgesehen von Hämatomen oder Prellmarken - äußerlich wenige Spuren hinterlassen und deshalb leicht dazu führen, daß schwerste lebensbedrohlichen Verletzungen der inneren Organe des Brustkorbs übersehen werden.


Knöcherne Verletzungen

Zu den knöchernen Strukturen des Thorax zählen das Sternum und die Rippen. Sie sind einerseits an der Atemmechanik maßgeblich beteiligt, besitzen aber andererseits eine wichtige Schutzfunktion für die im Thorax beherbergten inneren Organe. Die Beweglichkeit für die Atemexkursionen wird dabei durch die gelenkige Verbindung der Rippen mit den Wirbelkörpern einerseits und die knorpelige Verbindung mit dem Sternum andererseits sichergestellt. Von besonderer Bedeutung ist dabei, daß die Elastizität des Brustkorbs im Laufe des Lebens immer mehr abnimmt, da die knorpeligen und gelenkigen Anteile immer mehr verknöchern. Bei Kindern sind Rippenfrakturen deshalb eher selten; wenn sie doch vorkommen, sind sie besonders bei kleinen Kindern immer ein Anzeichen für ein schweres Thoraxtrauma mit Beteiligung von inneren Organen. Bei älteren Menschen nimmt die Gefahr auch durch ein leichteres Trauma eine Rippenfraktur zu erleiden immer mehr zu. Auch bei einer fachgerecht durchgeführten Reanimation kommt es deshalb häufig zu Rippenfrakturen, die bei der Notwendigkeit einer Reanimation freilich von untergeordneter Bedeutung sind. Eine weitere häufige Komplikation bei der kardiopulmonalen Reanimation sind Frakturen im Bereich des Processus xiphoideus (Schwertforsatz), wenn die Kompression des Brustkorbes zu weit ventral erfolgt. Im Vordergrund stehen aber nicht die iatrogen, sondern die primär durch ein Trauma verursachten knöchernen Verletzungen.

Bei den Rippenfrakturen unterscheidet man die einfache Rippenfraktur, die Rippenstückfraktur, die Rippenserienfraktur und als schwerstes Trauma der instabile Thorax. Wie bei anderen Frakturen spricht man auch hier von geschlossenen Rippenfrakturen, die durch die Haut und das darunterliegende Gewebe gedeckt sind und offenen Rippenfrakturen, die mit Verletzungen der Haut einhergehen. Bei der einfachen Rippenfraktur ist die betroffene Rippe infolge eines umschriebenen Schlages oder Stoßes nur an einer Stelle gebrochen, während bei der Rippenstückfraktur eine Rippe zweimal gebrochen ist und das zwischen den Bruchstellen gelegene Segment aber frei beweglich ist. Die Rippenserienfraktur ist als ein Bruch von mindestens drei nebeneinander gelegenen Rippen definiert. Der Entstehungsmechanismus dieser Verletzungsart ist oft eine Kompression des gesamten Brustkorbs mit einer Berstung nach außen an der Frakturstelle. Der instabile Thorax entsteht bei massiver Krafteinwirkung auf den Brustkorb z.B. bei einem Sturz aus großer Höhe. Es handelt sich dabei um eine bewegliche Rippenserienfraktur, die unterhalb der vierten Rippe liegt. Während höher oder weiter dorsal gelegene Rippenserienfrakturen durch die Muskulatur in der Regel stabilisiert werden, kann es an dieser Stelle durch Ablösung vom Sternum und Zerreißung der Interkostalräume zum instabilen Thorax kommen. Symptomatisch stehen bei allen Rippenfrakturen zunächst die Schmerzen im Vordergrund, aufgrund derer der Patient eine Haltung einnimmt, die ihm möglichst wenig Schmerzen bereitet, und sich einer flachen Schonatmung bedient. Aufgrund der mangelnden Atemexkursionen kann es in der Folge zu einer Minderventilation mit Dyspnoe und Zyanose bei verminderter Sauerstoffsättigung kommen.

Durch die starken Schmerzen sind die Patienten oft tachykard und haben einen erhöhten Blutdruck. Wichtige Hinweise für die Diagnose einer Rippenfraktur erhält man in der Anamnese über den Unfallhergang. Typisch sind z.B. die bereits erwähnten Dezelerationstraumen bei einer Lenkrad-Aufprallverletzung nach einem Auffahrunfall. Bei der Untersuchung des Patienten ist der gesamte Brustkorb frei zu machen, damit keine Verletzungen übersehen werden. Häufig kann man an der Frakturstelle Prellmarken oder Hämatome finden. Auch auf die Atemexkursionen und eventuelle Seiten(un)gleichheit sollte man achten. Besonders auffällig ist dabei die paradoxe Atmung, bei der sich der Thorax an der Frakturstelle bei der Expiration hebt und bei der Inspiration senkt, was man oft bei Rippenstückfrakturen beobachten kann. Dabei wird das lose Rippenstück bei der Inspiration durch den im Brustkorb herrschenden Unterdruck nach innen gezogen und bei der Expiration durch den Überdruck nach außen gedrückt. Nach der Inspektion der betroffenen Stelle sollte die Palpation erfolgen. Krepitationen (Knistern, das durch das Aneinanderreiben von Knochenenden entsteht) und Hautemphyseme (subkutane Hautschwellungen, die unter Knistern wegdrückbar sind) sind Hinweise auf eine Mehrfachfrakturierung. Bei der Auskultation ist vor allem auf seitenungleiche Atemgeräusche zu achten. Bei jedem Verdacht auf eine Rippenfraktur muß ein Röntgen-Thorax in zwei Ebenen angefertigt werden; gegebenenfalls sollte auch eine Schrägaufnahme erwogen werden. Eine einzelne Rippenfraktur, die nicht disloziert ist, kann unter Umständen im Röntgen zwar nur sehr schwer zu sehen sein, im Vordergrund steht jedoch der Ausschluß eines Pneumothorax. Bei Frakturen der unteren Rippen ist ein Abdomenultraschall indiziert, um Verletzungen der Bauchorgane ausschließen zu können. Die Entstehung eines Pneumo- oder Hämatothorax gehört zu den gefürchteten Komplikationen, die aus einer Rippenfraktur direkt entstehen können und werden weiter unten noch eingehend behandelt. Man muß jedoch immer bedenken, daß Verletzungsmechanismen, die zu Rippenfrakturen führen, oft auch Ursache von Verletzungen innerer Organe sind. Je schwerer das Trauma des knöchernen Brustkorbes, desto größer ist die Gefahr von Begleitverletzungen der inneren Thoraxorgane mit weiteren Komplikationen. (Abb. 1)


Abb. 1: Röntgen-Thorax bei instabilem Thorax, der operativ mit Osteosyntheseplatten versorgt wurde


Im Vordergrund der Therapie sollte zunächst die Analgesierung des Patienten stehen, um eine Schonatmung mit einer eventuellen Minderventilation zu verhindern. Während eine Solitärfraktur meist ambulant behandelt werden kann, müssen die Rippenserienfraktur und der instabile Thorax wegen der großen Komplikationsgefahr immer stationär behandelt werden. In manchen Fällen kann die Atemmechanik so eingeschränkt sein, daß die maschinelle Beatmung oder eine operative Stabilisierung notwendig wird. Bei der Sternumfraktur stehen ein lokaler Druckschmerz, ein retrosternales Druckgefühl und atmungsabhängige Schmerzen im Vordergrund der Symptomatik. Manchmal ist bei vorsichtiger Palpation eine Stufe tastbar. Häufig kommt die Sternumfraktur nicht alleine, sondern zusammen mit Rippenfrakturen vor. Auch Patienten mit einer Sternumfraktur sollten stationär überwacht werden, da als Komplikation unter anderem eine Contusio cordis (Herzquetschung) auftreten kann. Nur sehr selten entsteht durch eine Sternumfraktur eine atemmechanisch relevante Instabilität, die operativ versorgt werden muß. (Abb. 2)


Abb.2: Sternumfraktur (Pfeil) im seitlichen Strahlengang


Pneumo- und Hämatothorax

Weitere stumpfe und spitze Lungenverletzungen

Herz- und Gefäßverletzungen

Ösophagusverletzungen

Zwerchfellverletzungen

Literaturverzeichnis

Greck: Radiologische Diagnostik in der Trau-matlogie, Ferdinand Enke Verlag Stuttgart 1983

Gorgaß, Ahnefeld: Rettungsassistent und Rettungssanitäter, Springer Berlin 3 1992

Kuner, Schlosser: Traumatologie, Thieme Stuttgart 5 1995

Lutomsky, Flake: Leitfaden Rettungsdienst, Fischer Lübeck 1 1997

Matthys: Pneumologie, Springer Verlag Berlin 2 1980

Müller, Hasse: Klinikleitfaden Chirurgie, Jungjohann Neckarsulm 1 1995

Pschyrembel, Walter de Gruyter, Berlin 257 1993

Riede, Schaefer: Pathologie, Thieme Stuttgart 4 1995

Siegenthaler: Klinische Pathophysiologie, Thieme Stuttgart 7 1994

Bildnachweis:

Abb. 9 aus Rainer Klinge: Das Elektrokardiogramm, Thieme Stuttgart 7 1997

Abb. 1 - 8, 10 - 12 und 14 - 18 aus Kuner, Schlosser: Traumatologie, Thieme Stuttgart 5 1995

Anschrift des Verfassers:
Michael Franzen
Am Himbeerschlag 12
80935 München

Diesen Beitrag in vollem Umfang finden Sie in NATURHEILPRAXIS Nr. 8/99.


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Naturheilpraxis 08/99