Thema Ausbildung

Überprüfungsmodus

Anfrage an das Sozialministerium Baden-Württemberg

von Anja Siegert

Überaus selten kam es in den letzten Jahren vor, daß sich Politiker intensiv nach dem Procedere und den Auswirkungen der Heilpraktikerüberprüfung erkundigt haben, um etwas Licht in dieses doch manchmal undurchschaubare Dunkel zu bringen. In Baden-Württemberg wurde nun vollbracht, was eigentlich schon lange überfällig war: Der Abgeordneten Frau Dr. Gisela Meister-Scheufelen u. a. (CDU) ist es zu verdanken, daß eine Anfrage an die Landesregierung gerichtet wurde, näheres zu o. g. Überprüfung auszuführen und zu erläutern. Die Antwort des Sozialministeriums vom 10. 02. 1999 durch Herrn Ministerialrat Dr. König erscheint überaus informativ und kompetent, so daß der Wortlaut sowohl der Anfrage wie auch der Stellungnahme an diesem Ort erscheinen soll. Sicherlich ist es möglich Inhalte, sowohl was die Anfrage, wie auch die Antwort betrifft, auf andere Bundesländer teilweise zu beziehen.

Landtag von Baden-Württemberg; 12. Wahlperiode - Antrag der Abg. Dr. Gisela Meister-Scheufelen u. a. CDU und Stellungnahme des Sozialministeriums.
Drucksache 12/3613 - vom 17.12.1998 - Heilpraktikerprüfungen in Baden-Württemberg -

Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten,

1. an welchen Gesundheitsämtern in Baden-Württemberg wie oft im Jahr seit 1995 wie viel Bewerberinnen und Bewerber nach der Durchführungsverordnung des Heilpraktikergesetzes überprüft werden,

2. wie hoch die Durchfallquoten in diesem Zeitraum im Vergleich zu anderen Bundesländern sind und ob bzw. wie viele Überprüfungsfragen per Einzelantrag mittels Gerichtsverfahren zurückgenommen wurden,

3. ob Überprüfungen wiederholt wurden, Wenn ja, welche und warum? Wie hoch waren die Durchfallquoten bei den Wiederholungsüberprüfungen?

4. auf welche Weise sichergestellt wird, dass bei den Überprüfungen Fragen gestellt werden, die den tatsächlichen Anforderungen an Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker entsprechen,

5. ob Heilpraktikerverbände bei der Erstellung des Fragenkatalogs einbezogen werden und wenn nein, warum nicht,

6. worin sich die Überprüfungsfragen und -modalitäten in Baden-Württemberg von denen vergleichbarer Bundesländer unterscheiden, wie z.B. Rheinland-Pfalz,

7. warum es keine Angaben über Referenzliteratur gibt und warum der Fragenkatalog nicht zugänglich ist,

8. ob zu erwarten ist, dass es eine bundesweite Vereinheitlichung der Überprüfungen geben wird. Welche Haltung hat die Landesregierung dazu?

Begründung:

Baden-Württemberg hat überdurchschnittliche Durchfallquoten bei den Überprüfungen nach der Durchführungsverordnung des Heilpraktikergesetzes. 1997 waren bei einer Überprüfung 100 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer durchgefallen. Da nicht wenige der Teilnehmenden zuvor mehrere Jahre eine Privatschule zur Vorbereitung des Heilpraktikerberufs besucht und dafür einen hohen Kostenaufwand zu tragen hatten, bedarf der Fragenkatalog bei der Überprüfung einer näheren Untersuchung. Der Heilpraktikerberuf gehört zu personenbezogenen Dienstleistungen, denen wir Wachstums- und Arbeitsmarktchancen für die Zukunft einräumen. Aus diesen Gründen erscheint nahe liegend, diese Branche zu fördern.

Stellungnahme

Mit Schreiben vom 10. Februar 1999 Nr. 53-0141.5/12/3613 nimmt das Sozialministerium zu dem Antrag wie folgt Stellung:

Zu 1. und 2.:... Zu berichten,
an welchen Gesundheitsämtern in Baden-Württemberg wie oft im Jahr seit 1995 wie viel Bewerberinnen und Bewerber nach der Durchführungsverordnung des Heilpraktikergesetzes überprüft werden, wie hoch die Durchfallquoten in diesem Zeitraum im Vergleich zu anderen Bundesländern sind und ob bzw. wie viele Überprüfungsfragen per Einzelantrag mittels Gerichtsverfahren zurückgenommen wurden, ...

Die Heilpraktiker-Kenntnisüberprüfung ist in Baden-Württemberg auf insgesamt 5 Gesundheitsämter konzentriert. Es handelt sich um die Gesundheitsämter in den Landkreisen Heilbronn, Tübingen, Freiburg, Karlsruhe sowie um das Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Stuttgart. Über die dort seit 1995 (schriftlich) überprüften Antragsteller und die Durchfallquoten liegen der Landesregierung folgende Informationen vor: (siehe Tabelle)

In Baden-Württemberg betrugen somit die Durchfallquoten im Jahre 1999 zwischen 50% und 64%. Eine Teil-Umfrage bei anderen Bundesländern ergab, dass dort im ersten Halbjahr 1998 die Durchfallquote der schriftlichen Überprüfung bei 50% bis 70% lag. Nach den Erfahrungen der überprüfenden Amtsärzte sind die relativ hoch anmutenden Nichtbestehensquoten insbesondere auf folgende Ursachen zurückzuführen:

Da das Heilpraktikergesetz eine bestimmte Art und Weise der Vorbereitung auf die Überprüfung nicht vorsieht, bestehen bei den Antragstellern zum Teil unzutreffende Vorstellungen über die Überprüfung.

Auch der Kenntnisstand der Antragsteller ist zum Teil sehr unterschiedlich. Es kann angenommen werden, dass sich ca. 20% der Antragsteller nahezu unvorbereitet - in Erwartung eines Zufallserfolges - der Kenntnisüberprüfung unterziehen.

Der Landesregierung ist nicht bekannt, dass in den vergangenen Jahren Überprüfungsfragen per Einzelantrag mittels Gerichtsverfahren zurückgenommen wurden. Vereinzelt kommt es jedoch vor, dass im Widerspruchsverfahren einzelne Fragen der schriftlichen Überprüfung auf Grund einer gutachterlichen Bewertung als unzulässig erachtet werden, weil sie auf keinem eindeutigen wissenschaftlichen Konsens beruhen.

In diesem Fall werden die hinsichtlich ihrer Validität fehlerhaften Fragen zunächst aus der Bewertung und anschließend auch aus dem Fragenpool eliminiert.

Zu 3.:... Zu berichten, ...
ob Überprüfungen wiederholt wurden. Wenn ja, welche und warum? Wie hoch waren die Durchfallquoten bei den Wiederholungsüberprüfungen?...

Die Kenntnisüberprüfung ist keine Prüfung im Sinne einer Leistungskontrolle zur Feststellung einer bestimmten Qualifikation. Sie ist deshalb auch im Gegensatz zu den üblichen schulischen und beruflichen Prüfungen grundsätzlich beliebig wiederholbar.

Falls sich durchgefallene Antragsteller für eine Wiederholung der Überprüfung entscheiden, müssen sie einen erneuten Erlaubnisantrag stellen und sich einer nochmaligen (vollen) Überprüfung mit schriftlichem und mündlichem Teil unterziehen.

Ausnahmen können nur in Betracht kommen, wenn nachträglich festgestellt wird, dass die Leistungsfähigkeit eines Antragstellers im mündlichen Teil auf Grund außergewöhnlicher Belastungen oder nicht vorhersehbarer Erkrankungen erheblich gemindert war. In diesen Fällen gilt das Überprüfungsverfahren als nicht abgeschlossen, sodass der Antragsteller ohne erneute schriftliche Überprüfung nochmals zur mündlichen Überprüfung zugelassen wird.

Statistische Daten über Anmeldungen zu Erst- bzw. Wiederholungsüberprüfungen werden von den Gesundheitsämtern nicht erhoben, da bislang jede Wiederholungsüberprüfung als Neuanmeldung registriert wurde. Es wird geschätzt, dass 80 bis 90% aller Antragsteller, die die Überprüfung beim ersten Anlauf nicht bestanden haben, einen erneuten Erlaubnisantrag stellen. Lediglich das Gesundheitsamt Tübingen hat im Jahr 1998 ausnahmsweise die Zahl der Wiederholungsüberprüfungen statistisch erfasst.

Danach unterzogen sich 31 von insgesamt 150 Antragstellern zum wiederholten Mal einer schriftlichen Überprüfung. Nach Abschluß der mündlichen Überprüfung konnte dieses Gesundheitsamt in 26 von 31 Fällen eine Erlaubnisempfehlung gegenüber der zuständigen Erlaubnisbehörde (untere Verwaltungsbehörde) aussprechen.

Zu 4.:... Zu berichten, ...
auf welche Weise sichergestellt wird, dass bei den Überprüfungen Fragen gestellt werden, die den tatsächlichen Anforderungen der Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker entsprechen, ...

Die Überprüfung dient der Feststellung, ob die Bewerber solche heilkundlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen, dass die Ausübung der Heilkunde durch sie nicht zu einer Gefährdung der menschlichen Gesundheit führt. Dementsprechend steht bei der Erlaubniserteilung die Erfüllung von unabweislichen Mindestanforderungen im Mittelpunkt. Die Fragen im mündlichen und schriftlichen Teil richten sich daher weniger an den tatsächlichen Anforderungen des von der Therapievielfalt geprägten Heilpraktikerberufes aus, als vielmehr an elementaren medizischen Kenntnissen. Ein solcher Maßstab ist allein schon aus Erwägungen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes geboten, wenn die Ausübung der Heilkunde durch Heilpraktiker nicht zu einer Gefährdung der menschlichen Gesundheit führen soll.

Die schriftlichen Überprüfungsfragen wurden bis März 1998 zu 75% einem länderübergreifend erstellten Fragenpool entnommen. Die im Pool enthaltenen Fragen wurden zuvor vom Institut für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen in Mainz (IMPP) auf ihre Validität geprüft. Die restlichen 25% der Fragen bestanden entweder aus modifizierten Fragen dieses Pools oder trugen allgemeinen Anforderungen Rechnung. Seitdem hat sich Baden-Württemberg dem von Bayern initiierten gemeinsamen Überprüfungsverfahren angeschlossen (vgl. Ziffer 7).

Zu 5.:... Zu berichten, ...
ob Heilpraktikerverbände bei der Erstellung des Fragenkatalogs einbezogen wurden und wenn nein, warum nicht, ... Bei der Erstellung des Fragenkatalogs für die schriftliche Überprüfung werden die Heilpraktikerverbände nicht beteiligt. Allerdings wird der Fragenkatalog den Verbänden unmittelbar nach der schriftlichen Überprüfung zur Verfügung gestellt, da die von den Verbänden benannten Heilpraktiker-Beisitzer zum Teil mit Korrekturaufgaben betraut werden. Anregungen und Korrekturwünsche der Beisitzer werden geprüft und ggf. bei der Erneuerung des Fragenkatalogs berücksichtigt.

Einzelne Heilpraktikerverbände haben in einem Gespräch mit dem Sozialministerium 1997 den Wunsch zum Ausdruck gebracht, dass die Heilpraktiker-Beisitzer fachbezogene Fragen aus dem Bereich der Naturheilkunde in die mündliche Überprüfung einbringen können und dass diese Beisitzer bereits in die Vorbereitung der Überprüfung einbezogen werden. Das Sozialministerium hat diesem Wunsch grundsätzlich entsprochen, wobei der Umfang der Beteiligung in das Ermessen der Gesundheitsämter gestellt wurde. Die Einbeziehung der Heilpraktiker-Beisitzer bei der Erstellung des schriftlichen Fragenkatalogs kommt wegen der Beteiligung des Landes an dem länderübergreifenden Überprüfungsverfahren (vgl. Ziffer 7) nicht in Betracht.

Zu 6.:... Zu berichten, ...
worin sich die Überprüfungsfragen und -modalitäten in Baden-Württemberg von denen vergleichbarer Bundesländer unterscheiden, wie z.B. Rheinland-Pfalz ...

Baden-Württemberg beteiligt sich seit März 1998 an dem von Bayern koordinierten länderübergreifenden Überprüfungsverfahren (weitere Teilnehmer derzeit: Saarland, Berlin und Brandenburg). Die schriftlichen Überprüfungsfragen werden von Bayern dem gemeinsamen - vom IMPP validierten - Fragenpool (vgl. Ziffer 4) entnommen, von den Gesundheitsämtern der beteiligten Bundesländer auf ihre Verwendbarkeit geprüft und deren Verbesserungsvorschläge abgestimmt. Das Gesundheitsamt Ansbach (Bayern) übersendet ein bis zwei Monate vor den einheitlich festgelegten Überprüfungsterminen (halbjährlich) den gemeinsam abgestimmten Fragenkatalog einschließlich des Lösungsschlüssels an die beteiligten Gesundheitsämter. Die Auswertung der schriftlichen Überprüfung erfolgt durch die jeweiligen Gesundheitsämter vor Ort.

Die allgemeine Heilpraktikerüberprüfung umfasst 50 Multiplechoice-Fragen, die auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkte Heilpraktikerüberprüfung 28 Multiplechoice-Fragen, von denen jeweils mindestens 75% (sog. Bestehensgrenze) richtig beantwortet werden müssen, um zur mündlichen Überprüfung zugelassen zu werden.

Rheinland-Pfalz hat sich diesem gemeinsamen Überprüfungsverfahren bislang nicht angeschlossen. Dort führt das Gesundheitsamt Mainz zentrale Überprüfungen durch. Die Fragen werden ebenfalls dem bundesweiten Fragenpool entnommen. Die Bestehensgrenze im schriftlichen Teil ist auf 60% richtig beantworteter Fragen festgesetzt. Auch in Rheinland-Pfalz bestehen ca. 60 bis 70% der Antragsteller die (schriftliche und mündliche) Heilpraktikerüberprüfung nicht.

Zu 7.:... Zu berichten, ...
warum es keine Angaben über Referenzliteratur gibt und warum der Fragenkatalog nicht zugänglich ist, ...
Das Heilpraktikergesetz sieht keine staatlich geregelte Ausbildung vor. Kursanbieter, bei denen sich Heilpraktikeranwärter auf die gesundheitsamtliche Kenntnisüberprüfung vorbereiten, wird der Status von freien Unterrichtseinrichtungen beigemessen. Sie legen ihre Stoffpläne selbst fest und orientieren sich dabei über die Vermittlung spezifischer Therapieformen im Bereich der unkonventionellen Heilmethoden hinaus - in der Regel auch am Schwierigkeitsgrad der Kenntnisüberprüfung.

Es obliegt den Kursanbietern - jeweils ausgehend von ihren Lehrinhalten - angehenden Heilpraktiker auch Literaturhinweise zu geben. Es liegt - auch aus Kostengründen - im Interesse der am gemeinsamen Fragenpool beteiligten Bundesländer, die darin enthaltenen Fragen möglichst lange nutzen zu können. Um einer wahllosen Verbreitung dieser Fragen und somit einer vorzeitigen Erschöpfung des Fragenpools vorzubeugen, wird der Fragenkatalog der Öffentlichkeit - mit Ausnahme der Heilpraktiker-Beisitzer (vgl. Ziffer 5) - nicht zugänglich gemacht.

Zu 8.:... Zu berichten, ...
ob zu erwarten ist , dass es eine bundesweite Vereinheitlichung der Überprüfungen geben wird. Welche Haltung hat die Landesregierung dazu?
Die Länder sind bestrebt, das Überprüfungsverfahren weiter bundesweit zu vereinheitlichen. Vor dem Hintergrund des gemeinsamen Fragenpools der Bundesländer wird es als notwendig erachtet, die Anzahl der Überprüfungen auf jährlich zwei bundeseinheitliche Termine zu beschränken. Die Landesregierung unterstützt auch weiterhin solche Bestrebung.

Für das Ministrium
(Unterschrift)

Anschrift der Verfasserin:
A.S.i.t. - Anja Siegert
Pilgerwiesenstraße
73630 Remshalden

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Naturheilpraxis 07/99