Asthma

Atmung und Psychosomatik

von Jochen Schleimer

Die Atmung ist der wohl einzige physiologische Prozess, der unbewusst abläuft und trotzdem willentlich steuerbar ist, in dem sich innerpsychische Prozesse widerspiegeln und der in der Lage ist, psychische Abläufe zu beeinflussen.

Störungen der Atmung sind deshalb als Ausdruck psychosomatischer Störungen sehr häufig, andererseits existieren - teilweise jahrtausendealte - Techniken, die es ermöglichen, über eine Kontrolle der Atmung definierte psychische Zustände herbeizuführen. Da jene psychischen Zustände in der Regel mit einer höheren Qualität von Gesundheit einhergehen, wurde das Herbeiführen solcher Zustände schon früh therapeutisch genutzt.

Biochemie der Atmung

Letztendlich dient die Atmung dem Austausch von Sauerstoff gegen Kohlendioxid (äußere Atmung), um Glucose zu verbrennen (innere Atmung), was über ein kompliziertes System von Enzymen und Co-Enzymen geschieht. Die Bruttoformel dafür lautet:

C6H1206 + 6 O2 > 6 H2O + 6 CO2

Wird nicht genug Sauerstoff zugeführt, so versucht der Körper eine Zeit lang Energie durch Vergärung von Glucose zu erzeugen, was zu einer Azidose und schließlich zum Tode führt.

Man kann monatelang ohne Nahrung leben, einige Tage ohne Wasser, aber nur wenige Minuten ohne Luft.

Psychosomatische Atemstörungen

Brustatmung
Sie ist die häufigste Form der Fehlatmung, so häufig, dass sie schon nicht mehr als krankhaft eingestuft wird. Bei der Brustatmung wird nur der obere Teil der Lungen, überwiegend durch Einsatz der Atemhilfsmuskulatur belüftet. Sie findet sich überwiegend bei Frauen und lässt sich durch Pranayama verbunden mit einem Bewusstwerdungsprozess der Fehlatmung relativ einfach beseitigen. Oft genügt es schon, den Patienten im Liegen anzuweisen, ein auf dem Bauch liegendes Buch mit Hilfe der Atmung hochzuheben.

Extrem schwierig kann die Behandlung der Brustatmung jedoch werden, wenn es sich nicht um eine "schlechte Angewohnheit", sondern um den Ausdruck einer neurotischen Störung (z.B. Zwangsneurose) handelt.

Hyperventilation
Atemfrequenz und Atemtiefe hängen vom Sauerstoffbedarf des Körpers ab. Interpretiert das Unterbewusstsein eine Situation oder auch nur die Vorstellung einer solchen als bedrohlich, so reagiert der älteste Hirnanteil (Medulla oblongata, Pons u.a.) mit einer Bereitstellungsreaktion, um Flucht oder Angriff zu ermöglichen. Dazu gehört auch eine Zunahme der Atemfrequenz.

Diese ansich sinnvolle Reaktion läuft jedoch ins Leere, wenn bereits minimale Stimuli zur Auslösung des "Fight-Or-Flight-Mechanismus" führen und zwar dann, wenn der bereitgestellte Sauerstoff nicht von einem gesteigerten Stoffwechsel verbraucht wird.

Die Pathogenese der Tetanie lässt sich am besten nach der Formel von György verstehen:

(K+) * (HCO3-) * (HPO4-)

(Ca++) * (Mg++) * (H+)

und

CO2 + H2O > HCO3- + H+

log + pk = ph konstant

Eine vermehrte Abnahme von CO2 führt dabei zu einer Alkalose, diese wiederum bewirkt einen Spasmus der glatten Atemmuskulatur, was wiederum beim Patienten zu einem Erstickungsgefühl mit Angst und noch mehr gesteigerter Atmung führt. Wenn der Circulus vitiosus einmal in Gang geraten ist, kann ihn der Patient willentlich kaum mehr unterbrechen. Es bewährt sich als Maßnahme der Ersten Hilfe, den Patienten in einen Plastiksack atmen zu lassen. Dadurch wird vermehrt CO2 eingeatmet und es kommt zu einer Normalisierung der Alkalose. Eine andere Möglichkeit ist die Injektion von Calcium i.v. Auch dadurch wird der Bruch der György-Formel konstant gehalten.

Als Prophylaxe eignet sich die Gabe von Calcium carbonicum C30, erspart jedoch nicht die Therapie der meist tief sitzenden Ängste der Patienten. Tetanien finden sich gehäuft bei Bulimie-Patienten: Durch das Erbrechen kommt es zu einem Verlust saurer Valenzen und damit zur sog. Magentetanie. Die Methode funktioniert auch in der anderen Richtung:

Bei Atemnot in Folge vermehrter Anstrengung kommt es im Körper zu einer metabolischen Azidose ("Übersäuerung des Blutes"), die durch eine respiratorische Alkalose mit vermehrter Abatmung von Kohlendioxid ausgeglichen werden kann. Das funktioniert folgendermaßen:

- Nur ein Drittel der tiefeingeatmeten Luft ausatmen
- Die Lungen sofort wieder mit Luft füllen
- Ca. 12x wiederholen
- Danach übliche Tiefatmung
- Wenn man sich von neuem müde fühlt und Atemnot verspürt wiederholen.

Atempanzer
Verlangen, tief durchzuatmen und Unmöglichkeit dazu. Es handelt sich um eine meist harmlose aber lästige psychosomatische Störung, die gut auf eine homöopathische Behandlung anspricht.

Die am ehesten in Frage kommenden Mittel sind:
Alumna, Antimonium carbonicum, Aurum, Bryonia, Calcium phosphoricum, Crotalus terrificus, Digitalis, Kalium nitricum, Lachesis, Lobelia, Platina, Sepia, Silicea, Stannum und Sulphur.

Asthma
Das Bronchialasthma stellt eine im Prinzip reversible Obstruktion der kleinen Bronchien und Bronchiolen dar. Das führende Symptom des Asthmaanfalls ist die anfallsartige Atemnot mit teils persistierender Dyspnoe bei zeitweise fast beschwerdefreien Intervallen. Es gibt drei Pathomechanismen, die die Atemnot auslösen:

1. Broncho- bzw. Bronchiolospasmus der glatten Muskulatur
2. Ödem der Bronchialschleimhaut
3. Hyper- und Dyskrinie (zu viel und zu zähe Schleimhautabsonderung) Die Folge dieser drei Mechanismen ist die Hypoventilation mit Störungen der Diffusion und Perfusion.

Äthiologisch unterscheidet man ein allergisches Asthma von nicht exogen allergischem Asthma.

Für das Vorliegen von letzterem sprechen:

a. Auftreten meist jenseits des 40. Lebensjahres
b. negative Allergietests
c. Auftreten meist nach einem Infekt der oberen Luftwege
d. Nahrungsmittel-Allergien und -unverträglichkeiten

Beide Formen können sich gegenseitig bedingen und verstärken bzw. nebeneinander auftreten.

Unabhängig von der Ätiologie wird das Bronchialasthma durch folgende Faktoren ausgelöst oder verschlimmert:

1. Nebel,
2. Rauch,
3. Staub,
4. feucht-kalte Luft,
5. Dämpfe,
6. Gase

Atemnot stellt eine existentielle Bedrohung dar, deshalb führt ein chronisches Asthma zu psychischen Veränderungen von Krankheitswert. Andererseits wird immer wieder diskutiert - seltener jedoch bewiesen -, dass Asthma eine seelische Ursache hat, bzw. das eine seelische Komponente zum Unterhalt der Erkrankung entscheidend beiträgt. Es ist deshalb angemessen von Asthma als psychosomatischer Erkrankung zu sprechen.

Die homöopathische Behandlung des Bronchialasthmas ist äußerst schwierig und Patentrezepte existieren kaum. In der Regel ist eine jahrelange anti-miasmatische Kur notwendig. Es existieren jedoch einige Medikamente, die als Palliativmaßnahme - und oft darüber hinaus - schnelle Erleichterung bringen, ohne zu einer Regulationsstarre zu führen:

Aspidosperma:
Asthma mit Emphysem, blasses Gesicht, cyanotische Lippen, Puls klein und weich, besonders angezeigt bei alten Menschen

Lobelia:
Atemnot durch ein Gefühl, als ob die Brust eingeschnürt sei, verbunden mit der Empfindung, als ob das Blut durch die Brust strömt Grindelia robusta

Dicker, zäher Schleim in den Luftwegen, heftigste Atemnot beim Einschlafen, Erwachen mit Atemnot In sehr schweren Fällen hat sich Gelsemium und Sumbul TM als Kombination gut bewährt.

In der TCM kann man zwei Asthmatypen unterscheiden:

YANG-Asthma (Fülle) mit hochgehobenen, verspannten Schultern, Beklemmung und Völlegefühl in der Brust, vollem, kräftigem Puls und angestrengter Atmung.

YIN-Asthma (Leere) mit meist nächtlicher Atemnot, kleinem, schwachen Puls und Niereninsuffizienz.

Das YANG-Asthma entspricht in etwa dem Asthma bronchiale, das YIN-Asthma dem Asthma cardiale, also einer Herzerkrankung. Das YIN-Asthma ist mit den Methoden der TCM weitaus schwieriger und mit geringer Aussicht auf Erfolg zu behandeln als das YANG-Asthma.

Nadelkombinationen für das YANG-Asthma:

Ohrakupunktur:

Atemtherapie (Pranayama) bei psychosomatischen Störungen

Bhastrika Pranayama

Bhramari Pranayama

Nadi Shodana Pranayama

I. Alternierende Atmung

II. Kumbhaka

Literaturverzeichnis:

Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Jochen Schleimer
Waltramstr. 3
81547 München

Diesen Beitrag in vollem Umfang finden Sie inNATURHEILPRAXIS Nr. 6/99.

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Naturheilpraxis 06/99