Blätter für klassische Homöopathie

Schwangerschaft nach vorangegangener extremer Frühgeburt

von Joachim-F. Grätz

Es handelt sich um eine junge Mutter von 28 Jahren, die etwa 2 Jahre vor Behandlungsbeginn eine extreme Frühgeburt hatte (27. SSW, 750 g) und deren Kind Tim nun an Tetraplegie (alle 4 Gliedmaßen sind spastisch gelähmt), epileptischen Krampfanfällen und sog. Mikrozephalie (abnorme Kleinheit des Kopfes infolge primärer Fehlentwicklung des Gehirns und vorzeitigen Schlusses der Schädelnähte) leidet, also körperlich und geistig schwerst behindert ist.

Ein Jahr vor besagter Schwangerschaft mit Timmy kam es zu einen Abort. Unter Umständen habe sie eine Neigung dazu, denn vor kurzem sei sie wieder schwanger geworden, wobei profuse Blutungen nach zu schwerem Tragen einen Abbruch herbeiführt hätten.

Aber auch die Schwangerschaft von Timmy verlief von Anfang an komplikationsreich. So bestand lange Zeit, fast von Anfang an, ein ziehender Schmerz im Unterleib, "als ob die Menses einsetzen wollten", so dass die Patientin krankgeschrieben wurde und ganze 3 Monate liegen musste. Des weiteren gab es vom ersten bis dritten Monat immer wieder leichte Schmierblutungen von bräunlicher Farbe, weshalb sie Magnesium erhielt.

Ab dem 4. SSM durfte die werdende Mutter dann wieder arbeiten, sollte sich jedoch weiterhin schonen. Einen Monat später kam es zu einer weiteren leichten Blutung; die Ärzte fanden jedoch keine Ursache, auch der Muttermund war nach wie vor geschlossen. Ein wenig später schien es so, als ob Fruchtwasser abgegangen wäre; der betreuende Gynäkologe diagnostizierte jedoch nur einen Fluor vaginalis und verschrieb ein Döderleinpräparat. Im 7. SSM verlor die junge Frau zu ihrem großen Entsetzen "wieder Fruchtwasser", diesmal deutlich vermehrt, so dass sie zur stationären Überwachung ins Krankenhaus überstellt wurde. Wiederum gab es ein Magnesiumpräparat, um eventuell auftretende Wehen zu verhindern. Doch es kam trotzdem zu vermehrten wehenartigen Kontraktionen. Daraufhin wurde absolute Bettruhe verordnet. Trotz aller medizinischen Anstrengungen und 10 Tage strengsten Liegens ließ sich ein vorzeitiges "Platzen der Fruchtblase" nicht vermeiden, so dass nun schwere wehenhemmende Mittel aufgefahren werden mussten, samt Cortison für die Lungenreifung des noch ungeborenen Kindes. Dies habe die Patientin "schlecht vertragen" und so kam es zu einem der sehr gefürchteten Harnwegsinfekte während der Schwangerschaft (Die junge Frau war schon ihr Leben lang sehr blasenempfindlich!), welcher in herkömmlicher Manier mit Antibiotika behandelt wurde. Schließlich hörten die Wehen auf und den Infekt "hatte man in den Griff bekommen", nur - die Herztöne des Kindes ließen mit einem Mal zu wünschen übrig!

Dies zeigte sich besonders beim Wasserlassen, wobei fast ein Herzstillstand des noch Ungeborenen zu konstatieren war, durch den "Druck und das Pressen der Mutter". Eine weitere Auffälligkeit war der "ewige Schluck-auf des Kindes in utero". Schließlich stellten die Ärzte die Hochschwangere in der 27. SSW abrupt vor die makabere Alternative, "das Kind im Mutterleib sterben zu lassen oder einen sofortigen Kaiserschnitt vorzunehmen, welcher jedoch hinsichtlich der Lebensfähigkeit und Gesundheit des Kindes als äußerst fragwürdig zu beurteilen sei". Innerhalb von nur 10 Minuten sollte sich die junge Frau entscheiden! Und sie entschied sich, zusammen mit ihrem Mann, für ihr Kind.

So kam es zur Sectio (Kaiserschnitt) und einer extremen Frühgeburt mit all den Gefahren, die durch die herkömmliche neonatologische Intensivmedizin lauern. Timmy wurde ziemlich gleich nach der Geburt 30 Tage lang intubiert. Bei dem Notkaiserschnitt selbst kam es für ein paar Sekunden zu einem Atemstillstand, so dass der Kleine reanimiert werden musste. Dann, am zweiten Lebenstag Komplikation durch eine sog.

"Gehirnblutung" (Grad 3-4!). Später erhielt Timmy 4 Bluttransfusionen "wegen der ständigen Untersuchungen und mangelhafter Blutbildung". Thrombose aufgrund seines zerstochenen linken Ärmchens durch die mit der Zeit so vielen venösen Zugänge. 6 Wochen Wärmebettchen. Nabelbruch und Leistenbruch rechts. BNS-Krämpfe (Blitz-Nick-Salaam-Krämpfe, kindliche Epilepsie). Fokale Krämpfe (epileptische Krampfanfälle, von einem Herd ausgehend). Absencen. Probleme mit dem Schluckreflex, obwohl dieser in den ersten Lebenstagen wirklich sehr gut ausgebildet war! - Ein deutlicher Hinweis dafür, dass die schulmedizinische Intensivbetreuung, speziell wohl die Intubation, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit hier der eigentliche Verursacher ist! - Spitzfuß. Mit ca. 1 Jahr Pneumonie, antibiotisch behandelt.

Infektneigung und vieles andere mehr. Selbstverständlich hat Timmy von Anfang an Impfungen gemäß gültigem Impfkalender erhalten. Mittlerweile ist der kleine Bub schwerstbehindert (Tetraplegie, epileptische Krampfanfälle, Absencen)! Er kann weder selbständig sitzen, geschweige denn sich selbständig im Bettchen drehen oder auch nur seinen Kopf für längere Zeit aufrecht halten und ist damit ständig auf Hilfe angewiesen.

Aufgrund der guten Erfahrungen und Fortschritte mit der Homöopathie bei ihrem Sohn Tim kam nun die junge Mutter selber in die chronische Behandlung. Ihr ging es primär um ihre rezidivierenden Blasenentzündungen und "Probleme mit dem Unterleib", nicht etwa um eine weitere Schwangerschaft. Dies war völlig indiskutabel für sie, dazu hätte sie allen Mut verloren. Die Vorstellung, sich eventuell ein Leben lang um 2 behinderte Kinder kümmern zu müssen, bereitete ihr Unwohlsein und Angst. Mit einem sei es schon schwer genug, davon mache sich niemand ein wirklich realistisches Bild, ohne es selbst hautnah erlebt zu haben.

Wegen einer bestehenden akuten Blasenentzündung und der Tatsache, dass sämtliche vorhergehenden Cystitiden und sonstigen Infekte fast ausnahmslos antibiotisch behandelt wurden, und aufgrund der Zusammenhänge aus der bereits bekannten Familienanamnese von Tim begannen wir schließlich ad hoc mit Sulfur LM18, täglich 2mal 3 Tropfen auf einem Teelöffel voll Wasser, nach Bedarf. Das heißt, solange es wieder gut ging, sollte sie nichts weiter einnehmen; erst wenn sich das nächste Rezidiv wieder ankündigte, war mit dem Schwefel fortzufahren. Und dies so lange, bis der Fragebogen für die antimiasmatische chronische Kur ausgefüllt und das ausführliche Anamnesegespräch geführt waren, um dann ein endgültiges chronisches Arzneimittel für die Gesamtzusammenhänge bestimmen zu können.

Gute 4 Monate später konnte dann die ausführliche Erstanamnese geführt werden. Mit dem Sulfur sei sie gut zurechtgekommen; seit dieser Zeit habe sie deutlich weniger Probleme mit ihrer Blase gehabt. Früher, besonders zwischen dem 21. und 22. Lebensjahr, seien die Blasenentzündungen monatlich aufgetreten! Erst in den letzten 3 Jahren wurden sie seltener (ca. 3- bis 4mal pro Jahr), jedoch habe sie bei der geringsten Reizung extrem viel getrunken und konnte so häufig einer akuten Cystitis vorbeugen. Die erste Harnwegsinfektion hatte sie bereits als Kind, im zarten Alter von etwa 4 Jahren. Ihre linke Niere sei angeblich verkrüppelt oder in einer "anderen Lage, u.U. waagerecht"; auf jeden Fall arbeite sie langsamer. Dies wurde vor einigen Jahren mittels einer Untersuchung mit radioaktivem Kontrastmittel festgestellt, auf welches sie mit einem Ohnmachtsanfall reagiert habe.

Zurzeit schnappe sie jeden Infekt von Tim auf und sei häufig matt, ihr Nacken sei verspannt und sie leide unter Kopfschmerzen, Halsschmerzen, Husten und Schnupfen. Früher habe es ständig Infekte gegeben bzw. "einen Dauerinfekt". Dabei habe sie selten Fieber; an ein richtiges Fieber könne sie sich gar nicht erinnern.

Des weiteren bestand eine Neigung zu genitalen Pilzinfektionen mit Fluor vaginalis, meist klumpig, grießelig und beige-gelblich. Es gab auch schon einmal einen recht starken Geruch nach der Menstruation: unter Umständen wie nach alt gewordenem Joghurt und auch `mal mehr oder weniger intensiv fischig. Die Menses selber waren hinsichtlich Schmerzen und Intensität recht unauffällig. Früher waren sie allerdings vergesellschaftet mit heftigen wehen- und krampfartigen Bauchschmerzen, Rückenschmerzen sowie einer sehr starken Blutung. Sie dauerten auch stets deutlich länger als eine ganze Woche an. Auch heute noch ist die Farbe des Blutes recht dunkel, teilweise ins Schwärzliche gehend. Eine Woche vor der Menstruation sei die Patientin immer extrem stimmungsschwankend und unruhig. Die Pille habe sie ca. 10 Jahre lang eingenommen und relativ gut vertragen.

Im Bereich der Kinns gab es immer wieder Hautausschläge in Form von Pickeln und Pusteln, die sogar im Wind schmerzhaft waren. Auch um die Nase herum bestanden kleine "Wimmerl", besonders nach dem Verzehr von Citrusfrüchten. Auf Gräser reagiere sie seit Jahren mit den Schleimhäuten des oberen Respirationstraktes. Von Mai bis etwa September leide sie durchgehend unter Heuschnupfen. Eine Desensibilisierung habe nicht den gewünschten durchschlagenden Erfolg gebracht. Des weiteren bestand eine lokale Allergie gegen Wimperntusche und Ohrringe. Bei Modeschmuck entzündeten sich ihre Ohrlöcher schon nach einer halben Stunde, und dies auch bei Clips. Unechte Ketten am Hals machten Reaktionen ähnlich denen einer Sonnenallergie. Die Nasenspitze sei öfter feucht und kalt, wie die eines Hundes.

Früher gab es häufig Mandelentzündungen bis zu dem Zeitpunkt, als die Tonsillen mitsamt den sog. Polypen im Alter von 10 Jahren herausoperiert wurden. Im Gefolge dann unspezifische Halsentzündungen und Seitenstranganginen. Darüber hinaus leide die junge Mutter fast ständig an einem ausgedehnten Blähbauch.

Ihre Lieblingsgeschmacksrichtung sei sauer. Hände und Füße seien oft kalt. Sie friere auch im ganzen recht schnell. Des weiteren gab es eine leichte Neigung zu Krampfadern. Bei Hitze schwollen ihre Füße regelmäßig an. Nachts würden sie so heiß werden, dass sie sie unter der Bettdecke hervorstrecke. Auf den Nägeln gab es hin und wieder weiße Flecken. Die Zunge imponierte mit einem weißen Belag. Bis vor kurzem gab es massive Ängste vor Krankheiten, speziell vor Aids, Krebs und Herpes. Sie habe immer gleich das Schlimmste angenommen; beispielsweise hatte sie bei einer Blasenentzündung die Vorstellung von einem eventuellen Blasencarcinom. An Impfungen habe es die üblichen gegeben, die Pockenimpfung inbegriffen.

Die Eltern der jungen Frau waren schon länger geschieden. Der Vater, ein Ausländer aus einem anderen Kulturkreis, hatte sie in ihrer Kindheit sehr "schikaniert" (eingesperrt, zu Hausarbeiten gezwungen, etc.), teilweise brutal geschlagen und häufiger mit einem Messer bedroht; einmal sogar minutenlang ein solches an ihren Unterkiefer gesetzt, um Gehorsam zu erzwingen. Später, als sie von daheim ausgezogen war, habe er sie des öfteren verfolgt und eingeschüchtert. Die Mutter war Deutsche; zu ihr gab es ein sehr inniges, herzliches Verhältnis. Als Hauptzusammenhänge aus der Familienanmnese sind besonders eine Gonorrhoe seitens des Vaters der Patientin und eine Tuberkulose der Oma mütterlicherseits zu nennen, womit spätestens an dieser Stelle deutlich wird, dass alle Miasmen ausgeprägt vertreten sind! Des weiteren gibt es mütterlicherseits Menstruationsbeschwerden, Beschwerden aus dem rheumatischen Formenkreis, Allergien, Hyperaktivität und Heuschnupfen. Väterlicherseits sind Typhus, Magengeschwüre, Prostatitis, Nierensteine, "paranoide Veranlagung", "überdepressive und psychopathische Neigung" anzuführen. Bei den gemeinsamen Kindern, den Geschwistern unserer jungen Mutter, finden wir langjähriges Bettnässen, Lungenentzündungen, Samenstrangentzündungen, Gürtelrose, Ohnmachtsanfälle und Hebephrenie (Form einer in der Pubertät einsetzenden Schizophrenie). - Alles in allem also schwerste miasmatische Störungen! (s. Repertotisation)

Arzneimittelwahl: Medorrhinum LM18, 5 Tropfen auf ein Glas voll Wasser, kräftig umrühren, davon nur 1 Teelöffel voll einzunehmen, alle 3 Tage abends, Fläschchen vorher 10mal schütteln.

Verlauf: Knappe 4 Wochen später kam der erste Anruf. Die Patientin litt unter einer ausgeprägten Reizblase und musste andauernd auf die Toilette. Der Urinbefund war allerdings negativ. Der Arzt habe "nur" eine leichte Eierstockentzündung links festgestellt. Dies merkte die Patientin auch besonders beim Gehen. Seit einer Woche bestehe auch wieder ein vermehrter Ausfluss, weißlich, cremig, flockig und ohne auffälligen Geruch bzw. Juckreiz. Außerdem habe sie große Probleme mit der Haut. Der Hautausschlag am Kinn habe enorm zu blühen begonnen, speziell nach der letzten Menstruation. Medorrhinum habe sie erst zweimal eingenommen. - Wir vereinbarten, das Mittel nun regelmäßig zu nehmen, zunächst sogar alle 2 Tage, also quasi als Akutmittel für die leichte Oophoritis und um dem chronischen Heilungsgeschehen gewissermaßen "einen kleinen Anschub zu geben".

Da ihr Urlaub kurz bevorstand und sie mit ihrer Familie in die Berge fahren wollte, ließ ich für alle Fälle noch Lachesis LM6 besorgen, um im Eventualfall spätere Beschaffungsprobleme zu vermeiden. Eine Woche später gab es dann "leichte Brustreizungen" und eine "leichte Anschwellung der Brustwarzen" sowie eine erhöhte Berührungsempfindlichkeit derselben, "als ob ich schwanger wäre". Wir verminderten die Tropfenanzahl vorübergehend auf 2 und änderten die Einnahmefrequenz auf alle 3 Tage. Ungefähr 2 Wochen später meldete sich die Eierstockentzündung vehement zurück. Zuerst links, dann nach rechts wandernd. Darüber hinaus ein "beißendes Gefühl in der Blase und Uterusgegend". Die Brustwarzen seien noch empfindlich, die Schwellung jedoch verschwunden. Auch die Haut habe Fortschritte gemacht. Eine Schwangerschaft bestehe aber offenbar nicht. - Wir setzten mit Medorrhinum aus und behandelten die veränderte Akutsituation mit Lachesis LM6 weiter (5 Tropfen auf ein Glas Wasser, kräftig umrühren, davon nach Bedarf nur einen einzigen Schluck einzunehmen). Dies musste etwa eine Woche beibehalten werden, denn bei jedem Versuch, die Lachesisdosierung ein wenig zu reduzieren, tauchten die ursprünglichen Symptome immer wieder auf. Doch nun habe sie seit ein paar Tagen Ruhe und empfinde keinerlei Schmerzen mehr. Des weiteren sei wieder ein Fluor von weißlicher Farbe und dicklicher flockiger Konsistenz aufgetreten, leicht säuerlich riechend. Wir setzten Lachesis ab und fuhren mit Medorrhinum einschleichend fort.

Knappe 3 Monate später berichtete mir die junge Frau, sie fühle sich sehr wohl und sei sehr zufrieden. Zurzeit nehme sie etwa alle 1 1/2 Wochen 3 Tropfen (Wasserglasmethode). Jedes Mal nach der Einnahme spüre sie eine leichte Spannung und Schwellung in der Brust und einen leichten Schmerz ("Schmerz ist zu viel gesagt; mehr Bewusstsein") im Unterleib, was immer mit ein wenig Ausfluss endete. - Wir vereinbarten eine etwa dreiwöchige Arzneimittelpause und einen neuen Termin zur Durchsprache der bisherigen chronischen Kur.

Unter Medorrhinum war ihre "Periode" stärker; seit Absetzen des Mittels normal stark. Während ihrer Menstruation gehe es ihr nun sehr gut. Die Blutung selbst dauere 5 Tage an, die ersten beiden Tage etwas dunkler und dann schön hell und "frisch". Seit Medorrhinum-Ende stellten sich nun nach "ihren Tagen" langsam wieder leichte Schmerzen am linken Eierstock ein; am rechten auch, dort jedoch nur unterschwellig. Ihre Brust reagiere nur noch ganz schwach und auch ihre Akne am Kinnbereich habe sich deutlich verbessert. Ein Fluor bestehe ständig, leicht gelblich und etwas säuerlich riechend. Der Blähbauch sei jedoch völlig verschwunden. Abends gebe es Fußschwellungen und schwere Beine; die Füße würden auch heiß, so dass sie sie aus dem Bett strecken müsste. Auch ihre Träume seien zurzeit sehr auffällig. Sie träume vermehrt von Fäkalien, vom "in der Scheiße wühlen". Die Fingernägel seien sehr schön geworden und sie friere auch nicht mehr. Ihre Ängste, insbesondere vor Krankheiten, gehörten nun endgültig der Vergangenheit an. Und auch von Neigung zu Erkältungen könne keine Rede mehr sein. Die junge Frau war überglücklich, ganz besonders auch in Bezug auf die Fortschritte ihres kleinen Tim, der zu diesem Zeitpunkt keinerlei Antiepileptika mehr zu nehmen brauchte und mit der Homöopathie deutlich lebensfroher und bewusster geworden war.

Wir hatten 3 Antiepileptika über einen Zeitraum von 9 Monaten ausgeschlichen; jeweils 2 Monate Ausschleichen und 1 Monat Abwarten von Entzugserscheinungen! "Sie haben unser Leben richtig verändert und wir sind glücklich darüber." - Eine sehr gewichtige Aussage, die auch einen Therapeuten glücklich macht und ihn bestärkt, den eingeschlagenen Weg zielstrebig weiterzuverfolgen.

Wir wechselten das chronische Arzneimittel hin zu Lachesis LM18 für zunächst 6 Wochen, 3 Tropfen auf ein Glas voll Wasser, kräftig umrühren, davon nur 1 Teelöffel voll einnehmen, zweimal die Woche abends (Fläschchen vorher 10mal schütteln).

Etwa 8 Wochen später berichtete die Patientin von ihrem Heuschnupfen, der erst seit einer Woche bestehe (Wir hatten immerhin schon Mitte Juni!), "oft auch bei Regen", dessen akute Spitzen sie fortan mit Allium cepa D12 coupieren sollte. Hinsichtlich der Ovarien habe es einmal links ein Pochen gegeben, 4 Tage später rechts, jedoch ohne Schmerzen. Während der Mitte ihres Zyklus seien beide Eierstöcke bei Bewegung spürbar. Weiterhin bekomme die junge Frau schnell schwere Beine und ein Ziehen im Kreuzbereich. Sie sei schnell matt und viel müde. Darüber hinaus ein klein wenig depressiv, ohne Tatendrang. Die Brust sei bei Berührung schmerzhaft; seit ihrer letzten Menstruation sei dies allerdings ohne Befund. "Im ganzen bin ich reizbarer und ungeduldiger." Ihre Träume hätten sich verbessert (nicht mehr von Fäkalien), aber ihre Haut sei wieder unruhiger geworden.

Lachesis wurde nun abgesetzt und Medorrhinum weitergegeben, allerdings in der Potenz LM30, 1 Tropfen auf ein Glas Wasser, nur einmal pro Woche, für zunächst 8 Wochen.

Erst etwa 4 Monate später meldete sich die Patientin wieder. Sie habe die LM30 bis zum Beginn ihres Urlaubs genommen (ungefähr 7 Wochen lang) und sei nun schwanger. Zurzeit gehe es ihr recht gut. Fußschwellungen bestünden nicht mehr, allerdings friere sie wieder recht schnell. Sie müsse auch wieder recht häufig Wasser lassen, nur kleine Mengen. Der Fluor vaginalis sei auch noch da, immer noch weißlich-gelblich; "wenn's überhaupt `mal riecht, dann säuerlich". Ansonsten habe ihre Brust unter Medorrhinum LM30 mitreagiert und leichte Eierstockschmerzen habe es auch hin und wieder gegeben.

Wir reduzierten die Potenz wieder auf LM18 bei 3-täglicher Einnahme von nur 3 Tropfen nach der Wasserglasmethode für zunächst 3 Wochen.

Nach Ablauf dieses Zeitraumes fühlte sich die neu Schwangere immer noch sehr wohl. Sie hatte sich nur einmal übergeben müssen, ansonsten bestand nur selten eine kaum nennenswerte Übelkeit. Auch nur einmal gab es für recht kurze Zeit einen bräunlichen Ausfluss, unter Umständen mit ein wenig Blut. Zuvor habe sie sich jedoch während eines Spazierganges sehr beeilt. Der sonstige Fluor war immer noch gelblich und hin und wieder zäh und seit Beginn der Schwangerschaft vermehrt. Der Arzt habe allerdings keine Pilze feststellen können. Ab und zu gab es ein Ziehen im Bauchraum, welches ihr aber keinerlei Sorgen bereiten würde. Das mit dem Frieren sei auch viel besser geworden. Ihre Beine seien immer noch warm und schwer und die Blasenreizung mit dem Drang zur Toilette bestehe weiterhin. - Medorrhinum wurde beibehalten.

Drei Wochen später eine leichte Erkältung mit Kopfschmerzen und ein wenig Schnupfen. Seit 2 Tagen minimale Schmierblutungen, bräunlich, dunkel und bröselig. "Fluor vermehrt mit Blut, nicht viel." Immer noch säuerlich riechend. Am Ende des Wasserlassens und "zwischendurch" ein ziehender Schmerz Richtung Eierstöcke. Unter Umständen auch ein Druck nach unten. - Wir vereinbarten, die Symptome gynäkologisch abklären zu lassen. Der Arzt konnte jedoch nichts Pathologisches feststellen und meinte, "dies käme aufgrund von körperlicher Anstrengung". Und die hatte unsere junge Mutter allemal, denn man macht sich landläufig kein richtiges Bild davon, was es heißt, mit einem behinderten Kind zusammenzuleben! Der Arzt konstatierte auch eine oben sitzende Plazenta, wovon im Falle von Tim damals nun gar keine Rede gewesen war, denn diese lag immer sehr seitlich und deutlich tief! Einen Tag nach dem Besuch beim Frauenarzt lösten sich die Symptome - ohne jegliche Behandlung - in Luft auf, als ob nichts gewesen wäre. - Wir waren zufrieden. - In den darauffolgenden Tagen gab es nur ab und zu noch beim Stehen einen leichten Druck nach unten, auf den Muttermund, und dies im 4. SSM, was in diesem Stadium - mechanisch betrachtet - nicht plausibel zu erklären war. "Nachts hier und da auch ein Ziepen und Ziehen." - Aus diesem Grunde behandelten wir mit Sepia LM18, 3 Tropfen auf ein Glas Wasser, alle 3 Tage, zwischen. Schon nach einer Woche die erlösende Zwischenmeldung: es gehe sehr gut, sie habe Sepia erst zweimal genommen. Der Vater von Tim bestätigte dann telefonisch: "Die jetzige Schwangerschaft meiner Frau beruhigt mich. Die erste war damals in diesem Stadium schon sehr problematisch. Ich bin zuversichtlich und gelassen."

In der 15. SSW gab es dann des öfteren Verhärtungen des Bauches. "Ich habe aber nicht das Gefühl, es ist `ne Wehe." Manchmal nur an bestimmten Stellen, "aber nicht steinhart". Für ca. 10 Minuten etwa, manchmal auch für nur 1 Minute. Zurzeit jeden Morgen. Der Druck auf den Muttermund sei vollkommen verschwunden und Schmierblutungen seien seither auch nicht wieder aufgetreten. Der Ausfluss bestehe allerdings unverändert weiter. - Wir setzten die Kur nun wieder mit dem ursprünglichen chronischen Mittel fort (Med. LM18). In der 22. SSW dann die nächste Meldung: Es gehe sehr gut. Keine Spannungen am Bauch mehr und auch keine neuerlichen Schmierblutungen, obwohl sie ihr Kind Timmy weiterhin noch hebe. Auch keine Schwellungen bzw. Ödeme. In der 31. SSW erhielt ich die Nachricht: "Wir haben schon eine Flasche geköpft!" Es gehe weiterhin ausgezeichnet.

Eine Woche später waren dann aber Wassereinlagerungen an Beinen, speziell im Knöchelbereich, festzustellen; allerdings noch nicht sichtbar, jedoch seit ein paar Tagen deutlich spürbar. Und Eisenmangel. Sie nehme deshalb schon seit längerem den von ihrer Hebamme empfohlenen Kräuterblutsaft ein. Mit Medorrhinum klappe es etwa nur einmal die Woche, aus Vergesslichkeit, weil ständig so viel zu tun sei. - Wir vereinbarten Levico D3 für den akuten Eisenmangel zu nehmen, nach Bedarf 3mal 5 Globuli am Tag, und mit Medorrhinum ein wenig zu steigern (5 Tropfen im Glas Wasser, alle 2 Tage).

Diese Entscheidung erwies sich als goldrichtig, denn bei öfterer Einnahme "wurde es mit dem Wasser deutlich besser". Auch das "Schummrige" war seit Levico weg. Ab und zu gebe es abends noch ein wenig Hautjucken, eigentlich aber schon während der gesamten Schwangerschaft, was sich momentan etwas verstärkt habe. Jedoch der Heuschnupfen ließ auf sich warten (Wir schrieben immerhin schon wieder den Monat Mai!); es gab überhaupt keine Anzeichen für allergische Reaktionen im oberen Respirationstrakt! - Im folgenden besprachen wir die Geburtsapotheke für Eventualfälle - es waren ja nur noch 6 Wochen bis zum errechneten Geburtstermin - und setzten Medorrhinum zu diesem Zeitpunkt ausschleichend ab.

Eine Woche vor der Geburt diagnostizierten die Gynäkologen im Krankenhaus erstmals eine Pilzinfektion mit juckendem geruchlosen Fluor vaginalis, welche mittels Zäpfchen behandelt wurde. Die Wehen setzten dann relativ pünktlich zum Termin ein und kamen nach einiger Zeit in einem guten Drei-Minutenrhythmus. Trotzdem erblickte der gesunde Bub nur per sectio das Licht der Welt (Die junge Frau hatte sich nach langen Beratungen in mehreren Kliniken für einen weiteren Kaiserschnitt entschieden, da bei dem ersten damaligen Notkaiserschnitt in der 27. SSW ein Längsschnitt über den gesamten Bauch vorgenommen wurde und nun kein Arzt die Verantwortung dafür übernehmen wollte, ob diese Naht die Wehen einer Normalgeburt aushalten würde oder nicht.). Die diesmalige Kaiserschnittnarbe verheilte aber deutlich besser als das erste Mal - wir hatten die Operationsnachsorge mit den beiden Mitteln Staphisagria und Nux vomica durchgeführt - und auch die Gebärmutter zog sich wieder schnell und sehr gut zusammen, unterstützt durch Bellis perennis, dem Gänseblümchen. Die Gemütsverfassung der glücklichen, zweifachen Mutter war sehr stabil und blieb es auch, so dass sie bald wieder ihren umfangreichen Alltag aufnehmen konnte. Erwähnenswert hinsichtlich der miasmatischen Aspekte ist noch die Beobachtung, dass zum Ende dieser Schwangerschaft recht viele kleine gestielte Fleischwärzchen (verrucae filiformes) an Hals und Brust der jungen Frau aufgetreten waren, welche nach dem Partus langsam sukzessive verschwanden.

Ein knappes halbes Jahr später konnten wir schon wieder mit der chronischen Kur fortfahren, und zwar mit Medorrhinum LM24, 1 Tropfen alle 5 Tage (Wasserglasmethode), da noch einige Symptome deutlich für dieses Mittel sprachen und da auch ihr Kind mehr oder weniger ausgeprägte Anzeichen eines sykotischen Säuglings zeigte und so nach diesem Mittel verlangte, welches es nun ausschließlich über die Muttermilch erhielt. - Die wieder einsetzenden Menses der jungen Frau waren bereits zu diesem Zeitpunkt völlig unauffällig geworden. "Es kam immer sofort helles Blut". Auch alle früheren Symptome des sog. PMS (PräMenstruelles Syndrom) hatten sich gänzlich verloren. Dasselbe gilt für die Blasenreizungen und die Neigung zu Cystitiden (Blasenentzündungen) und Eierstockentzündungen.

Ein paar Monate später - sie hatte mittlerweile abgestillt - wechselten wir dann aus bestimmten, hier nicht näher zu erläuternden Gründen zu Sulfur LM18, 5 Tropfen nach der Wasserglasmethode. Und unter Sulfur wurde sie nun ein weiteres Mal schwanger! Diesmal gab es allerdings kaum nennenswerte Symptome mehr, jedenfalls "lief die Schwangerschaft nur so nebenher" und wurde auch nicht mehr so "ernst genommen" wie diejenige zuvor, hatte ich den Eindruck. Sie verlief nämlich in biologisch normalen, natürlichen Bahnen, so, wie es eigentlich immer laufen sollte, so dass man sich keinerlei Sorgen zu machen braucht.

Es war ganz offensichtlich, dass die junge Frau ihr Urvertrauen in die Natur wieder zurückgewonnen hatte. - Wir begleiteten diese zweite "homöopathische" Schwangerschaft zeitweise mit Sepia LM18, jedoch wirklich nur zeitweise, da die Patientin aufgrund ihrer Geschäftigkeit mit ihrem Haushalt, ihren beiden Kindern - davon ein schwerst behindertes! - und einem anstehenden Umzug in ein neues Eigenheim kaum an die Einnahme von Sepia dachte und somit die Tropfen öfter vergaß als sie sie einnahm. Und dies war auch nicht weiter schlimm, denn der jungen Frau ging es weiterhin ausgezeichnet. Ich hörte quasi erst wieder etwas von ihr, als das Kind schon auf der Welt war, so gut war alles verlaufen!

Man kann nur den Hut ziehen vor so viel Courage dieser jungen Mutter, die ihren Weg ganz alleine ging - natürlich mit dem Rückhalt und Verständnis ihres lieben Ehemannes - und die sich nach so viel erfahrenem Leid zugetraut hatte, nochmals schwanger zu werden und zwei gesunden Kindern das Leben zu schenken. - Meinen allerherzlichsten Glückwunsch!

Literatur, Fragebogen:

Repertorisations-Software:

SAMUEL-Serie Computer-Repertorisation; Vertrieb: Peter Plattner, Waldstraße 12, 82335 Berg

Anschrift des Verfassers:

Dr.-Ing. Joachim-F. Grätz
Hauptstraße 21
82319 Starnberg/See



Zurück zum Inhaltsverzeichnis / Zum nächsten Artikel

 

 

Naturheilpraxis 06/99