Das unerschöpfliche Potential der Kinesiologie mit dem Reichtum der Irisdiagnose zu verbinden ist eine dankbare und lohnende Aufgabe. Die Iris eines Menschen zeigt uns eine Fülle von Merkmalen in Form und Farbe, was inzwischen auch die Sicherheitsexperten des Bankgewerbes entdeckt und genutzt haben. Die Identifikation eines Kunden über seine Iris ist um ein Vielfaches genauer als über den Fingerabdruck. Bezeichnen wir die Iris nicht als genetischen Steckbrief? - Vielleicht ist ein Banker durch diesen Begriff aufmerksam geworden. -
Wenn wir davon ausgehen können, dass jeder Mensch seine unverwechselbare Iris hat, führt uns das als Irisdiagnostiker zur Bestätigung der Einzigartigkeit des Menschen und seiner Widerspiegelung in der Iris. Wir befinden uns in Übereinstimmung mit unserem naturheilkundlichen Anspruch, jeden Menschen als Individuum zu betrachten und als Patient, seine ihm eigene Abweichung vom Pfad der Gesundheit (line of cure) verstehen zu lernen.
Wir müssen von diesem hohen Ideal immer dann abweichen, wenn wir Erfahrungen nachvollziehbar weitergeben wollen. Das Einzelbild muss in einen größeren Zusammenhang gebracht werden, wiederholt gemachte Beobachtungen führen zu Einteilungen in Gruppen deren Reaktionsweisen in gewisser Weise vorhersehbar werden.
Der Irisdiagnostiker arbeitet z. B. mit Konstitutions- und Dispositionstypen oder ordnet den verschiedenfarbigen Pigmenten auf der Regenbogenhaut spezifische Bedeutung zu. Die Aufgabe des Irisdiagnostikers besteht nun darin, auf der Grundlage einer genauen Anamnese, die individuellen Merkmale in der Iris mit seinem Wissen um ganzheitliche Zusammenhänge und Reaktionsweisen zu kombinieren und daraus diagnostische, aber auch therapeutische Schlüsse zu ziehen. Da wir meist auch Pupillenphänomene oder Sklerazeichen etc. miteinbeziehen sprechen wir oft korrekterweise von Augendiagnose.
Aus einem Standbild versuchen wir also den Ablauf eines pathalogischen Geschehens zu beurteilen. Eine Gratwanderung zwischen schematischer Einteilung und Beachtung der Individualität des Patienten. In dieser Phase kann uns die Kinesiologie eine erste große Hilfestellung geben, indem sie uns erlaubt die systematische Einteilung der Irisdiagnose zu benutzen, aber die Einzelperson im Auge zu behalten. Ich will diese Aussage durch eine kurze Einführung in die wichtigsten Grundlagen der Kinesiologie auch für den Nichtkinesiologen nachvollziehbar machen. Die Kinesiologie arbeitet mit einem Grundmodell, das in Form eines Dreiecks, "Triad of Health" genannt, die Grundpfeiler der Gesundheit als dynamisches System darstellen soll. Die drei Seiten repräsentieren die chemische (Stoffwechsel), strukturelle und psychisch-mentale Seite (energetische) des Menschen.
Diese Kräfte werden in der Kinesiologie Stressoren genannt, nach dem Stressbegriff von Seleye, der über das hinausgeht was wir gewöhnlich unter Stress verstehen. So ist der durch eine Fehlhaltung bedingte mechanische Reiz auf bestimmte Gelenke ein struktureller Stressor, das Kohlenmonoxyd das wir einatmen bedeutet chemischen Stress für den Körper.
Wichtig für unser weiteres Vorgehen ist die Feststellung: wenn das Dreieck schief steht, sind immer alle drei Seiten betroffen. Das Modell zeigt uns ebenso, dass wir auch therapeutisch von drei Seiten arbeiten können, der kinesiologische Test, in welchem Bereich wir vorzugsweise arbeiten sollten.
Das Handwerkszeug des Kinesiologen ist der Muskeltest. Eine biophysikalische bzw. bioenergetische Testmethode, bei der ein einzelner Muskel als Indikator für bestimmte Reize strukturell-mechanischer, chemischer oder psychischer Art fungiert.
Da jeder Muskel ein Gedächtnis für das ganze System besitzt, bedienen wir uns eines leicht zugänglichen, häufig den Deltoideus oder Latissinus dorsi am Arm sowie den Quadrizeps oder Psoas am Bein. Es läge natürlich nahe, für den chemischen Reiz von z. B. geschluckter Blausäure den Magenmuskel oder bei psychischem Stress den sphincter pupillae zu benutzen, allein die "Handhabung" wäre etwas kompliziert.
Der ausgewählte Muskel wird dann auf Funktionstüchtigkeit überprüft und mit den drei oben genannten Stressreizen konfrontiert, was kinesiologisch "Challenge" genannt wird. Ein struktureller Challenge wäre z. B. eine Gelenkmobilisation mit anschließendem Muskeltest, ein chemischer Challenge das Austesten von Material oder Medikamenten-verträglichkeit.
Ein für mich unschätzbarer Vorteil ist das Miteinbeziehen der Psyche. Seit, nach jahrzehntelangem Streit um psychosomatische Anteile bei verschiedenen Krankheitsbildern, die Rolle der Psyche nicht nur beim Magengeschwür, sondern auch bei Rückenschmerzen anerkannt ist, dürfen wir uns getrost wieder der Ganzheitlichkeit des einzelnen Menschen zuwenden. Wer möchte noch bezweifeln, dass uns sowohl positive als auch negative Emotionen physisch beeinflussen. Die Haltung die wir einnehmen, ist offensichtlich nicht nur ein Fall für den Chiropraktor. Ein Leitsatz in der kinesiologischen Praxis lautet deshalb: wie wir in der Gegenwart reagieren, hängt unmittelbar von unseren Erfahrungen ab, welche wir in der Vergangenheit gemacht haben.
Dazu eine Fallbeschreibung:
Eine 35-jährige Frau in gutem Allgemeinzustand kommt wegen sporadisch auftretenden "asthmoiden" Beschwerden in die Praxis. Weder chemische noch biologische Asthmamittel haben irgendeine Besserung gebracht. Irisdiagnostisch lassen sich mehrere Anzeichen für eine neurogene Grundstruktur finden. Wann die Beschwerden auftreten kann sie nicht beantworten, aber die Frage nach Bewältigung von psychischem Stress lässt sie nachdenklich werden. Die Atemnot zeigt sich beim Einatmen! In letzter Zeit hauptsächlich bei Orchesteraufführungen, sie spielt Oboe, beim Anblick des Dirigenten kommt sie in Stress. Das könnte das Ende ihrer Karriere bedeuten.
Der Muskeltest bestätigt das neurogene Muster als Ursache. Betroffen: Funktionskreis Lunge, die Emotion, die anzeigt ist PANIK. Sie spontan: ja der bringt mich in Panik. Nach Klärung der Hintergründe in der Gegenwart meldet sich ein tiefer liegender Zusammenhang in der Vergangenheit.
Der Test zeigt als Ursachenalter 14 Jahre, weiterhin Panik als Emotion. Das Ereignis kommt ihr sofort in den Sinn. Sie ist im Schwimmbad und zwei Jungs halten sie solange unter Wasser, dass sie glaubt zu ertrinken. Nach der Ablösung dieses Stresserlebnisses testet der Muskel aber immer noch schwach.
Also weiter zurück: 6 Jahre gleiche Emotion.
Sie wacht nachts durch unerträgliche Hitze auf und sieht das Nachbarhaus in Flammen, sie ist allein im Zimmer und glaubt zu ersticken. Nach der Ablösung dieses zweiten Erlebnisses von Atemnot, fühlt sie sich sehr erleichtert. Seit gut einem Jahr hat sie keine Luftprobleme mehr gehabt.
Jetzt können wir zurückkehren zu unserer iridologischen Gratwanderung. Wie stellen wir die Verbindung her zwischen Kinesiologie und Augendiagnose? Um in der Alpinisten-Sprache zu bleiben: Kinesiologie ist wie ein Seil zur Absicherung unseres eingeschlagenen Pfades. Wir gebrauchen weiterhin unser bisheriges augendiagnostische Schema. Die Kinesiologie wird ähnlich wie andere die Augendiagnose begleitenden Diagnoseverfahren einmal parallel als zusätzliche Informationssammlung benutzt, soll darüber hinaus aber die für uns im Einzelfall relevanten augendiagnostischen Merkmale bestätigen. Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen.
Ein wichtiges Standbein der Irisdiagnose ist die Einteilung in Konstitutions- und Dispositionstypen mit ihren bekannten Reaktionsweisen. Eine eindeutige Zuordnung ist aber selten möglich, was nicht überrascht, zeigt doch die Iris vorzugsweise Stärken und Schwächen von Generationen. Wir müssen daher eher die vorherrschende Konstitution bestimmen oder häufig davon abweichend die für einen ganz bestimmten pathologischen Ablauf verantwortlichen Anteil einer anderen Konstitution erkennen. Diese Probleme lösen wir elegant über den Muskeltest, der uns die Frage beantwortet, ob die Entgleisung z. B. dem neurogenen oder dem Bindegewebsschwächetyp zuzuordnen ist.
Eine weitere Schwierigkeit der Irisdiagnose ist die Bestimmung des Zeitfaktors, wann wird ein Zeichen aktiv oder die Frage chronisch oder akut? Die kinesiologische Lösung ist: der Muskeltest zeigt mir immer die Priorität an. Nicht überraschend für den Naturheilkundigen ist deshalb, dass als erste NOT-wendige Korrektur meist die Sanierung der Ausscheidungssysteme: Leber, Lunge, Darm oder Haut anzeigt. Zuerst die Hähne öffnen! Daran anschließend erfolgt die Gewichtung der ins Auge springenden Merkmale.
Auch bei der sich anschließenden Therapieüberlegung kann die Kinesiologie entscheidende Hilfe anbieten. Dazu möchte ich an unser Grundmodell in Form des Dreiecks erinnern und den drei Seiten einige dazugehörig Therapierichtungen anfügen. (s. Skizze) Das Modell soll uns ständig vor Augen führen in welchem Bereich wir vorzugsweise arbeiten sollen und - besonders auch bei Therapieversagern - erinnern, die beiden anderen Seiten nicht zu vernachlässigen. Durch die Kombination von Kinesiologie und Augendiagnose habe ich in der Praxis mehr Sicherheit bekommen und ich möchte behaupten, dass nicht nur der Anfänger und Fortgeschrittenen Irisdiagnostiker viele Vorteile daraus zieht, auch für die Lösung noch strittiger Fragen könnte die Kinesiologie einen wertvollen Beitrag liefern. Wem diese Ausführungen zu einfach klingen, den möchte ich beruhigen, damit es einfach wird, müssen mindestens zwei Voraussetzungen gegeben sein:
1. Ein präziser Muskeltest
Es bedarf oft einer längeren Vorbereitung bis eine Person einwandfrei testbar ist. Das kann von wenigen Minuten bis zu Stunden in Anspruch nehmen bis alle Testhindernisse beseitigt sind. - Übrigens ergibt diese "Vorarbeit" oft die Lösung, wozu jemand die Krankheit braucht! -
2. Präzise gestellte Fragen aufgrund profunder Kenntnisse ganzheitlich medizinischer Zusammenhänge und natürlich der Augendiagnose.
Zur Bekräftigung zum Schluss zwei Hinweise des Begründers der Applied Kinesiology George Goodheart:
"Muscletesting is an art"
"You can only find what you know"
"Muskeltesten ist eine Kunst. - Du kannst nur finden was du weißt."
Anschrift des Verfassers:
Erwin Stutz
Heilpraktiker
Hofstadtgasse 1
88131 Lindau