Diskussionsforum

Es wird langsam Zeit, daß die Qualitätsdebatte auch in der holistischen Medizin aufgenommen wird

Peter-Alexander Möller

Wenn an dieser Stelle die "berufsständische Professionalisierung des Heilpraktikers" diskutiert werden darf, so hat es durchaus etwas Besonderes und es haben Worte der inneren Freude, der Bedeutsamkeit, gleichfalls der begründeten Neugierde, aber auch des bedachten Zweifels ihre gute Berechtigung. Ein derartiger Diskurs ist in Heilpraktikerkreisen eher neu, entsprechend unverbraucht sind die benutzten Argumente und völlig offen noch ist sein hoffentlich guter Abschluß. Für den in > naturheilkundlicher < Profession Interessierten soll hier > etwas < auf den Weg der zu gewinnenden und zukünftig vermehrt abzusichernden Erkenntnisse gebracht werden. Und dieses > Etwas < soll denjenigen Zusammenhalt, Identität, Profil, Bewahrung von Bewährtem, Möglichkeit zur Innovation sowie Plattform zum Diskurs bieten können, die sich einer fundierten Arbeit in der > Naturheilkunde < widmen möchten. Daß dieses besondere Anliegen keine Beiläufigkeit mehr verträgt, versteht sich eigentlich von selbst, zumal am guten Ende allen kritischen Nachdenkens die qualitätsvolle, effektive und nach den heutigen Möglichkeiten weitestgehend absicherbare Hilfeleistung gegenüber dem zumeist chronisch erkrankten, teils sogar schwersterkrankten Mitmenschen alltäglich neu zur Disposition steht. Ein neues, zukunftsbewußtes Konzept soll > es < sein, ohne dabei die Erfahrungsschätze der nahen wie fernen Vergangenheit gleichfalls außer Kraft setzen zu müssen. Eine Einbindung des bewährten "Alten" in eine tragfähige Konzeptionsstrategie des "Neuen" zu ermöglichen, ist das Ziel des Diskurses, eine Vorgabe, die etwas möglicher und etwas realer machen soll, was bislang nur allzu schwer zu realisieren war: Die qualifizierende Einsicht zu einem gemeinschaftlichen Anliegen in der holistischen Medizin.

Mittlerweile ist in den bewußteren wie selbstkritischeren Kreisen der Heilpraktikerschaft der Wahrheitsgehalt folgender Aussage unbestritten, daß nämlich "wer möchte, daß es bleibt wie es ist, im Grunde nicht möchte, daß es bleibt". Wir kommen gar nicht mehr darum herum, uns, unsere Therapiekonzepte, unsere Erkenntnismöglichkeiten sowie unsere besonderen naturheilkundlichen Qualitäten ständig aufs Neue zur Diskussion zu stellen. Dies hat letztendlich das Ziel der sukzessiven Verbesserung unseres besonderen Leistungsvermögens. Daß dieser, in gewisser Hinsicht auch selbstläuternde Prozeß der naturheilkundlichen Wahrheitsfindung, in der heutigen Zeit einer ganz anderen Dynamik ausgesetzt ist als dies noch vor ein paar Jahren der Fall war, ist mittlerweile schon ein Allgemeingut geworden, zumindest was ein zur Selbstkritik gereichendes wie zur weiteren Forschung und zum vertiefenden Nachhaken motivierendes Handeln betrifft. Wir müssen uns weiterentwickeln, egal, ob es uns lieb oder recht ist. Daß in diesem Sinne auch manches "Neue" gegen das eingebrachte "Alte" durchzusetzen ist, mag manches Mal gar schmerzlich sein. Zu guter Letzt aber wird es dem naturheilkundlichen "Profi" eine verbesserte naturheilkundliche Qualität, einen verbesserten Nachweisstandard seines naturheilkundlichen Tuns, eine verbesserte Transparenz und eine verbesserte Akzeptanz liefern können als dies derzeit möglich ist.

Verehrte Leserin, verehrter Leser und vor allem liebe Kollegin, lieber Kollege, in diesem interessanten Spannungsfeld zwischen bewährtem Erfahrungsgut und innovativem Erkenntnis-Design wünsche ich ein, wenn auch nicht gerade entspannendes, so doch zutiefst gewinnbringendes Lesen und zudem viele Anregungen zum weiterführenden Diskutieren, dies zunutze eines gemeinschaftlichen Denkens und zum begründeten Vorteil des sich vertrauensvoll in die Hände des Naturheilkundlers begebenden erkrankten Mitmenschens.

Zur besonderen heilpraktikerspezifischen Qualitätssicherung der angewandten Tätigkeiten und zur Frage der Transparenz kurativer Ganzheitlichkeiten.

Eine vornehmlich holistisch begründete Therapie muß heutzutage vielen Auseinandersetzungen standhalten können und sie muß vor allem anderen sich absichernd begründen lassen. Für diese Zwecke gilt es einen der jeweils gewählten holistischen Therapie anspruchsgemäßen und angemessenen Argumentations-Rahmen so zu bestimmen, daß in allen Einzelschritten eine sinnbewußte Orientierung für den Behandler möglich wird.

Viele aus der wissenschaftlichen Diskussion bekannte wie gleichfalls bewährte Einteilungen können für dieses Anliegen überaus dienlich sein, vorausgesetzt für die holistische Therapie wird nicht mehr vorrangig nach Fachbereichen, sondern nach Behandlungskausalitäten sowie Behandlungsrationalitäten unterteilt und infolgedessen auch argumentiert. Für den qualifizierten Behandler bedeutet dies, daß für seine Einzel-Therapieentscheidungen letztendlich sowohl die quantitativ klassifizierbare Heilungsfähigkeit wie auch die qualitativ bestimmbare Heilungsbereitschaft des Erkrankten in einem zueinander stets gültig zu haltenden Wechselbezug mit einzubeziehen sind. Für diesen nicht zuletzt für den erkrankten Mitmenschen wichtigen Zusammenhang gilt es im Folgenden zu skizzieren, wie die grundsätzlich mitzuberücksichtigende naturwissenschaftliche Datenlage mit den vielschichtigen Möglichkeiten einer geisteswissenschaftlichen Methodologie in direkten Kontakt gebracht und bezüglich der erweiterten Ergebnislage während der gesamten Therapie für neue Erkenntnisse gleichfalls offengehalten werden kann.

Eine Einteilung nach Behandlungskausalitäten und Behandlungsrationalitäten

Eine konsequente Einteilung nach Behandlungskausalitäten kann für alle Beteiligten überaus nützlich sein, wenn es gilt, die wechselseitig anspruchsvollen therapeutischen Leistungen bekannter und vor allem noch "fremder" Konzepte für den Erkrankten in seinem speziellen Erkrankungsfall als therapeutisch sinnvoll anzuerkennen oder auch - wahrscheinlich ist dies sogar weitaus öfter der Fall - bewußt abzulehnen.

Über die Einteilung nach Behandlungsrationalitäten hingegen können besondere Eigenständigkeiten einer möglicherweise zur Zeit noch unkonventionellen Herangehensweise für die spätere Nachprüfbarkeit (auf)bewahrt und postum wie parallel zur möglichen "Studie" legitimiert werden.

Die ebenso qualitätsvolle wie konsequente Auseinandersetzung mit den anspruchsgemäß vollständigen Entitäten der Behandlungskausalitäten und Behandlungsrationalitäten bildet einen akzeptablen Garanten für die therapeutische Qualität eines durchaus möglichen kontemplativen Erfassens einer besonderen krankhaften Eigenwertigkeit, sprich, der untersuchten "Identitäten" schwerster chronischer Erkrankungen schlechthin. Für beide Momente gilt das Zugestehen eines ihnen in spezifischer Weise zukommenden eigenen "Soseins".

Beide Entitäten schaffen und garantieren sogar die prinzipielle Möglichkeit ganzheitlicher Wesenserfassung, und zwar ohne ihnen bei der Erfassung gleichfalls Gewalt antun zu müssen. Die Behandlungsrationalitäten könnten qua eingedeutschter "Behandlungsvernünftigkeiten" sogar zukünftig durchaus einmal das werden bzw. das sein, was insbesondere dem professionellen Heilpraktiker helfen kann, sich wieder als der glaubwürdige Vertreter einer ganzheitlichen Sichtweise darstellen und auszeichnen zu können: nämlich als besonderer, charismatischer Behandler eigener Art und Weise und vor allem als weiser Intimus des Patienten.

Zur ganzheitlichen Diagnostik und ganzheitlichen Therapie

Ein seriös konzipiertes ganzheitliches Diagnose- und Behandlungssystem ist wohlweislich immer sehr sorgfältig mit dem tradierten naturwissenschaftlichen Denksystem verbunden, genaugenommen integriert es dieses System grundsätzlich. Zwischen dem naturwissenschaftlichen System und der qualitätsbewußt konzipierten Holistik besteht eigentlich keine Konkurrenz. Vielmehr ist die Naturwissenschaftlichkeit in der medizinischen Aussage sowie die unter dem gleichnamigen Duktus vorangegangene Datenerhebung ein sehr wesentlicher Teil einer diagnostisch wie therapeutisch abgesicherten Behandlungsführung. Die holistisch konzipierte Therapie ist in keinster Weise eine unwissenschaftliche Medizin, vielmehr ist sie von ihrem Anspruch her eine Medizin, die noch weitaus wissenschaftlicher ist, als dies die derzeitige Medizin zur Zeit vermag. In diesem wissenschaftlichen Sinne ist die metaphysische Erweiterung auch zu philosophischen und sogar zu emotionalen und sozialen Vernünftigkeiten nicht nur sinnvoll, sondern zugunsten des teils schwer erkrankten Mitmenschen und nicht zuletzt auch der medizinischen Forschung ein erkenntnistheoretisches Muß.

Die allererste Forderung an alle Medizin ist, Kranke zu heilen bzw. ihnen in einer (lebens-) qualitativ umfassenden Weise vermittels kurativer Ganzheitlichkeiten in den Eigenwerten dynamisierend zu helfen. Eine weitere, nicht weniger wichtige Forderung ist die nach sogenannter wissenschaftlicher Wahrheit. Unabhängig von der Frage, ob nun irgendeine spezielle Medizin in einem besonderen chronischen Fall wirklich "Heilung" zu initiieren vermag oder nicht, bleibt festzuhalten, daß wahre "Heilung" kalkulativ nur im überaus radikal konzipierten Teamwork, d.h. von den unterschiedlichen "Wissensträgern" etwaiger Therapiekonzepte und körper- wie psychobezogener Organofunktionalitäten, weiter von Soziologen, von Psychologen und nicht zuletzt auch von Pädagogen zu erzielen ist.

Die heutige Grunderkenntnis, daß Systemmodelle der Kybernetik, wo nach dem holographischen Prinzip alles mit allem vernetzt ist, auch unsere therapeutischen Entscheidungen mitbestimmen, mag ein derartiger, wissenschaftlicher Zugewinn sein, daß dies fortan nicht mehr unberücksichtigt sein darf. Das gilt in ganz besonderem Maße für die Holistik. Im Sinne einer sehr radikal, gleichfalls konsequent zu verwissenschaftlichen Holistik gilt es weiter mitentscheidend einzubeziehen, daß es insbesondere auch bei den chronischen, bislang inkurablen Erkrankungen keine rein schwach linearen Kausalbeziehungen mehr gibt; gleiches gilt folglich im Umkehrschluß für deren Therapie.

In allen existierenden biologischen Systemen, sprich bei allen Rückkopplungsprozessen, verlieren die sogenannten klassischen Kausalgesetze ihre bis zu Beginn des 20sten Jahrhunderts unangefochtene und bis dahin erfolgreich postulierte Gültigkeit. Möglicherweise haben auch in biologischen Systemen die Gesetze der Quantenphysik den Vorrang vor den Gesetzen der klassischen Kausalphysik. Die Erkenntnisse der Quantenphysik wären auf jeden Fall spätestens dann maßgebend bei allen Therapieentscheidungen mitzuberücksichtigen, wenn die Annahme sichergestellt werden kann, daß die Grundregulation im biologischen Organismus von regulativer elektromagnetischer Ordnung ist.

Für diese Annahme spricht nach heutigem Wissensstand sehr vieles. Weiter müßten innerhalb der holistischen Krebstherapie ebenso die Erkenntnisse aus der Chaosforschung berücksichtigt werden, die plastischer ausgedrückt auch als "Theorie sensibler Dynamik" bezeichnet werden könnte, oder im noch weiter dimensionierten Rahmen die Erkenntnisse und Berechnungen um den sogenannten Hyperraum mit seinen zwölf Dimensionen.

Wenn bereits heutzutage schon mit hinreichender Berechtigung davon ausgegangen werden kann, daß gerade beim chronischen bzw. auch schweren Erkranktsein der Verlust der Fähigkeit zur Selbstorganisation und zur autonomen Korrektur pathologischer Abweichungen die maßgebende Ursache seiner Entartung ist, wäre diese diagnostische Feststellung sowie die Beseitigung dieser Ursache eine ganz zentrale Aufgabe in der holistischen Medizin. Die lebenskomplexe Wiederherstellung der autonomen Regulation des chronisch Erkrankten und die eigentypische Sinnerkennung seiner für ihn besonderen Erkrankungskultur ist die anvisierte Thematik einer umfassenden medizinwissenschaftlichen Holistik.

Der Heilpraktiker in der holistischen Medizin

Die in bezug auf ein an > Güte < orientiertes Profitum sich notwendigerweise immer wieder zu guten Teilen neu begründende Erkenntnis, daß eine spezifische Legitimation des eigenen medizinischen Handelns heute wie zukünftig nur vermittels der in spezifischer Weise die einzigartige therapeutische Qualität absichernder, und d.h. auch allgemein anerkannter Standards verwirklicht werden kann, sollte eine unter der zwangsläufig nach Behandlungskausalitäten und Behandlungsrationalitäten vollzogenen Einstufung das zweckdienlich ausgerichtete Arbeiten der kurativen Ganzheitlichkeit in der holistischen Medizin möglich machen. Diese Vorgabe ist zumindest für den ganzheitlich orientierten Professional von zentraler Bedeutung. Für sein besonderes, in gewisser Hinsicht immer auch einzigartiges Tun soll zumindest für die derzeitige Argumentation gelten, die qualitativ in besonderem Maße herausragenden "anekdotischen Evidenzen" eines zunächst erst einmal immer nur weitererzählten, grundsätzlich aber ganzheitsmedizinisch begründeten Handelns vorerst als eigene Qualität zu akzeptieren, um sie später in ebenso "besondere" naturheilkundlich-komplementärmedizinisch abgesicherte "Wahrheiten" transferieren zu können.

Zum bestmöglichen Schutze des Verbrauchers soll und muß dem Heilpraktiker zu seiner zukünftigen Existenzberechtigung baldmöglichst eine einsehbare, und d.h. in allen einzelnen therapeutischen Schritten durchgängig nachvollziehbare Transparenz seines Tuns anhand gegeben werden können. Die technischen Möglichkeiten zur Nachvollziehbarkeit und Transparenz sind heute in historisch so noch nie dagewesener Weise gegeben. Und diese Möglichkeiten werden nicht nur vom interessierten Wissenschaftler vermehrt genutzt.

Zur Überprüfung der holistischen Therapie-Standards

Ein komplementärmedizinisch begründeter Utilitarismus könnte für die ganze sogenannte > Naturheilkunde < eine nomothesieschaffende Instanz bezüglich eines im gegebenen Einzelfall "besonderen" medizinischen Tuns sein bzw. werden. Moralisch wie auch ethisch gesehen können die zur ständigen Neu-Begründung anstehenden Werte-Entscheidungen vermittels ihrer Überprüfung ihren vorerst letztgültigen legitimen Sinn und für den Erkrankten wichtiger noch, ihren erfolgversprechenden therapeutischen Zweck bekommen. Und das, was als > naturheilkundliches < Verfahren oder Medikation genau für diese Zwecke als eine sogenannte > naturheilkundliche Ganzheit < bzw. als eine > zur therapeutischen Ganzheit sich hin ergänzende Komplementärmedizin < mit eigenwertbestimmenden Erfolg zur Disposition für bekannte naturwissenschaftliche Überprüfungsmethoden gestellt, und ohne durch den Vorgang etwaiger naturwissenschaftlicher Prüfung in seinem eigenen "Sosein" verändert worden zu sein, überprüft werden kann, das sollte dieser bewährten szientifischen Methode auch nicht vorenthalten bleiben dürfen. Das hingegen, was im begründeten Einzelfall als "besonderes", sprich hochsensibles dynamisches Verfahren eingestuft werden kann, und welches wirkungsspezifisch unter den "besonderen" und zur Selbstorganisation anstehenden Umständen anderer Methoden zu seiner Überprüfung bedarf, um in eigentümlicher Weise seine eigenwertige therapeutische Notwendigkeit für den erkrankten Mitmenschen einsichtig und für sachkundige Dritte nachvollziehbar machen zu können, muß folgegerecht anderen, und d.h. zum Teil auch höherwertigen Überprüfungsmethoden unterstellt sein. Gedacht ist hierbei an die ebenso gültigen wissenschaftlichen Erkenntnismethoden für naturphänomenologische Feinstzusammenhänge. Im diesem Sinne könnte es am Ende einer feinstregulativen Überprüfung grundsätzlich sogar zu einer neu zu bildenden Behandlungs-Regel kommen. Die Nachvollziehbarkeit der gewählten Überprüfungsmethode ist dabei zu keinem Zeitpunkt der Datenerhebung in Frage gestellt, und eine zeitgemäße Transparenz ist gewahrt.

In diesem überaus komplexen Zusammenhang hat sich die moderne und qualitätsbewußte Heilpraktikerschaft der guten Herausforderung zu stellen und die heilpraktikerspezifischen Handlungskriterien neu und in der Art und Weise zusammenzufassen, daß gemäß der für den "besonderen" Aufgabenbereich zur Disposition stehenden Qualitäten einer holistischen Therapie zukünftig auch den Kriterien standgehalten werden kann, die für das "besondere" therapeutische Handeln legitimierend sind. Zu nennen sind zumindest: Nachvollziehbarkeit, Überprüfbarkeit, Wirksamkeit und Effektivität.

Die Fragen der Wirtschaftlichkeit etwaiger komplementärmedizinischer Verfahren sollten an dieser Stelle noch nicht diskutiert werden. Für die Regel mag aber gelten, daß dynamische Diagnose- und Therapieverfahren sehr effektiv und überaus kostengünstig sind; allerdings müßten dabei Fragen einer hocheffektiven Prophylaxe grundsätzlich mitdiskutiert werden.

Gleichfalls gilt es aber bereits an dieser Stelle sehr akribisch darauf zu achten, daß insbesondere die Eigentümlichkeit eines möglicherweise vielversprechenden und begründetermaßen komplementärmedizinisch orientierten Ansatzes nicht wieder vorschnell aufgegeben werden muß, weil beispielsweise derzeit noch kein gemeinhin akzeptierter Erklärungsansatz vorliegt. Auch wenn ein derartiger Ansatz vorerst in seiner besonderen Effizienz nur als erzählte, aber gleichwie herausragende "anekdotische Evidenz" übermittelt und vorübergehend in nur metaphorischer Begründung bewahrenswert erscheint, sollte die Heilpraktikerschaft begründetermaßen den Mut aufbringen, nach allen Kräften Überlegungen anzustellen, ob nicht dessen herausragende Eigenart bis zu einer späteren, umfassender möglichen Überprüfung dokumentiert und aufbewahrt werden kann. Auch das wäre durchaus als wichtiger Teil einer heilpraktikerspezifischen Qualitätssicherung und Transparenz zu verstehen.

Zur wissenschaftshistorischen Einbettung

Der qualitätsbewußte Heilpraktiker unserer Tage kann davon ausgehen, daß die derzeitige Auseinandersetzung um die "Alternative zur Medizin" grundsätzlicher Art ist. Das gleichfalls die > Naturheilkunde < wie überhaupt die holistische Medizin ansich in existentieller Weise treffen sollende Motto lautet zumeist wie folgt: Wenn Komplementärmedizin wirksam ist, dann ist sie Medizin und nicht Ergänzung oder gar Alternative zur Medizin. Sollte sie hingegen nicht wirksam sein, dann gehört sie weder zur Medizin noch stellt sie eine Ergänzung bzw. Alternative dar, es sein denn, man möchte bewußt auf alle dem Verbraucherschutz dienenden Maßstäbe einer medizinischen Qualitätssicherung verzichten. Über eine derart abqualifizierende Art der Einschätzung komplementärmedizinischer Vorgehensweisen wird impliziert, daß, unter einer nach naturwissenschaftlicher Kriterienvorgabe erfolgter Überprüfung, deren Eingliederbarkeit in den Bereich der Medizin prinzipiell genauso möglich ist, wie gleichfalls dessen grundsätzliche Ausgrenzung. Allerdings, so die gängige Argumentation, bedarf es keinerlei besonderer Methoden für deren Überprüfung, denn die sogenannte ,Binnenanerkennung' ist a priori nichts anderes als ein Eingeständnis fehlender Wirksamkeit.

Ob am Ende einer szientifisch konzipierten Überprüfung die Ein- oder Ausgliederung der > Naturheilkunde < in die Medizin steht, bleibt bezüglich dieser ohnehin hochbedenklichen Gesamtaussage ohne Belang. Die derzeit vorherrschende, ausschließlich nach dem naturwissenschaftlichen Paradigma orientierte Schul-Medizin ließe sich jedenfalls über derartige Vorgaben bequem egalisieren, und gleichfalls würde die > Naturheilkunde < getreu jenem Erkenntnisstand endgültig vermittels der vermeintlich objektiven Standards in (binnen-)wissenschaftlich abgesicherter Weise abqualifiziert werden können. Sie wäre für die "wahre" medizinische Profession nicht mehr haltbar und würde es nicht weiter verdienen, daß man sich überhaupt noch einmal so zeitintensiv wie ebenso ermüdend mit "ihren sogenannten Eigenarten" auseinandersetzt. Mit jener für die orthodoxe Schul-Medizin gebräuchlichen Argumentation wird davon ausgegangen, daß die nach wie vor verbreitete Akzeptanz sogenannter alternativmedizinischer Konzepte in der Bevölkerung indirekt eine stete Duldung der im naturwissenschaftlichen Sinne nicht überprüfter bzw. entsprechend nicht wirksamer Verfahren bedingt. Und das heißt, daß gleichfalls eine schleichende Aushöhlung wissenschaftlicher Tugenden hingenommen wird, was dann letztendlich zu einer Verschlechterung der Medizin an sich führt.

In diesem Zusammenhang bleibt zu prüfen, inwieweit zukünftig umgekehrt nicht auch für die Schul-Medizin ein (zeitgemäß) höherer Nachweisstandard zu fordern ist. Was für nichtmateriell, selbstorganisierend dynamische bzw. transmateriell verfeinerte Medizin nachweisbar ist, müßte nämlich bei den pharmazeutischen Mitteln erst recht nachweisbar sein. Nicht ganz unproblematisch wird es in diesem Zusammenhang für die allopathischen Mittel sein, daß auf diese Weise gleichfalls die starken Nebenwirkungen nachgewiesen werden können. Wenn für die oben angeführte Diskussion um die Wirkungsnachweisbarkeit nach wie vor von veralteten Nachweisprinzipien ausgegangen wird, ist es mit besonderer Bedeutsamkeit eine Aufgabe in der holistischen Medizin und für die holistische Therapie, "modernere und damit feinere" Nachweismethoden zu fordern, über welche ein qualitätsvolles, und das heißt objektives Wirksamkeitsverhältnis zwischen den beabsichtigten Zielwirkungen und den Nebenwirkungen erfaßt werden kann.

Viele regulative Arzneimittel und Verfahren der holistischen Therapie würden bezüglich ihrer Effizienzen mindestens genausogut, höchstwahrscheinlich sogar noch besser als die pharmazeutischen Mittel darstehen. Denn gerade radikal selbstorganisierende Medikamente und Verfahren sind "erfahrungsheilkundlich bzw. erfahrungsgemäß" sehr gut in der Lage, durch geeignete Such- und Erkennungsprozesse, die krankheitsspezifischen Eigenwerte anzusteuern und vor allem im kurativen Sinne nachhaltig zu beeinflussen. Da für lebende Systeme ohne Kenntnis der wichtigsten Eigenwerte für einen beliebigen (kurativen) Zeitraum keine identischen, ja nicht einmal ähnliche Zustände vorzuherrschen brauchen, ist die vermittels der ausschließlichen Berücksichtigung der statistischen Mittelwerte begründete Medikation eine Therapie, wo aufgrund einer statistischen, und d.h. hier auch "binnenwissenschaftlich legitimierten Illusion" mit grundsätzlich einkalkulierten Unbestimmbarkeiten sowohl zugunsten von Zielwirkungen wie aber auch Nebenwirkungen vorgegangen wird.

In diesem Zusammenhang hat sich die Heilpraktikerschaft - es ist ausdrücklich nicht der einzelne Heilpraktiker gemeint! - verstärkt der Aufgabe zu widmen, insbesondere die Weiter-Entwicklung jener Meßmethoden aufmerksam zu verfolgen, welche die Effizienz und Wirksamkeitsnachweise jener selbstorganisierend wirkenden, dynamischen Therapiemethoden und insbesondere transmateriellen Medikamente zukünftig möglich machen können. Gleiches betrifft dann natürlich auch die iatogenen Folgeanalysen medizinischer Methoden und Medikamente überhaupt, sofern sich diese im Sinne einer zukünftig fehlenden, technologisch stichhaltigen Wirksamkeitseffektivität nicht selbst "binnenanerkennen" wollen.

Aber noch ein vorgeblich weiterer Aspekt erschwert die derzeitige Diskussion um den möglicherweise besonderen Stellenwert der > Naturheilkunde < . Denn auch in einer zur gegenwärtigen Zeit in sehr rascher Weise sich in den Werten verändernden und letztlich zunehmend brisanter werdenden wirtschaftlichen Auseinandersetzung um die richtige medizinische Versorgung der Bevölkerung sind mit der ethisch wie moralisch eindimensional begründeten Problematik einer gerechten Kostenerstattung wie der im Grunde durchaus berechtigten und nur allzu modernen Frage nach der allgemeinen Finanzierbarkeit und last but not least damit verbunden der gültigen Einstufung zu einer als medizinisch notwendig geltenden Leistung die Partner gefunden worden, um bei einer im Grunde recht zwieträchtigen Allianz dennoch wirkungsvoll genug im vorgeblich gemeinsamen Tenor gegen komplementärmedizinisches Gedankengut vorgehen zu können. Zu hören ist beispielsweise folgendes: Die Zukunft einer Krankenversicherung kann nicht in der Integration unkonventioneller Methoden liegen, weil die zwingend notwendige Rationalisierung im Gesundheitswesen keine "alternativen" komplementären, unkonventionellen Methoden als Grundleistung zuläßt, sofern deren Wirksamkeit nicht zuvor über wissenschaftlich begründete Wirksamkeitsnachweise unmißverständlich nachgewiesen werden kann.

Für eine sogenannte "Pseudo-Medizin", die gemäß naturwissenschaftlicher Kriterienvorgabe gar nicht richtig wirken kann, braucht und darf von einem Versicherer entsprechend nicht geleistet zu werden. Die Leistungsträger haben auftragsgemäß nur das zu honorieren, was in der medizinischen Versorgung als ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich eingestuft werden kann. Zudem darf mit keiner medizinischen Leistung das medizinisch notwendige Maß überschritten werden.

Wenn es in der hier skizzenhaft angedeuteten Debatte bezüglich von in gutem wie hohem Maße eigentümlichen Evidenzen einer holistischen Medizin im direkten Vergleich zur szientifisch orientierten Medizin an sich gar nicht so sehr um die Frage der wissenschaftlichen Objektivität geht, sondern vielmehr um die Klärung der den zuweilen recht unterschiedlichen medizinischen Ansätzen zugrundegelegten Wissenschaftstheorie, so müssen mit besonderer Notwendigkeit gerade auch für die Komplementärmedizin baldmöglichst adäquate Kriterien zu ihrer generellen Überprüfbarkeit und Transparenz festgelegt werden (können). Als ein vorläufiges (End-)Ergebnis eines stets von neuem und wiederholt zu führenden naturheilkundlichen Diskurses gilt es bezüglich der in der Holistik sich typischerweise erst im konkreten Behandlungsfall über die spezifischen "Eigenwerte" des Erkrankten zur Eindeutigkeit hin manifestierenden Evidenzen ihre anspruchsvoll > anekdotischen Anteile < kennzeichnend hervorzuheben, um diese anschließend im professionellen Konsensus als besondere > Evidenzen < naturheilkundlich oder besser noch als holistisch anzuerkennender Verfahren in der Medizin und für die Medizin einer grundsätzlich dynamisch konzipierten Qualitätssicherung zuführen zu können. Im wissenschaftlichen Sinne wäre für den naturheilkundlichen Professional darüber eine gemeinhin akzeptable, dynamische Qualitätsbestimmung seines therapeutischen Handelns möglich, und gleichfalls wäre eine für Dritte nachvollziehbare Transparenz des zur "Selbstorganisation" anregenden Therapiehandelns gewährleistet.

Für die angedeuteten Zusammen-hänge gilt es zukünftig in einer Art komplementärmedizinischen Diskurs zu klären:

Anschrift des Verfasser:
Hp Dr. phil. Peter-Alexander Möller
Ochsenzoller Str. 189
D-22848 Norderstedt
Email: moellerpa@aol.com



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Naturheilpraxis 05/99