Grundannahmen der Naturheilkunde

Denken in Ganzheiten - ganzheitliches Denken

von Norman Thelen

Der Begriff der "Dauer" des Philosophen Henri Bergson und das Selbstorganisationsparadigma des Physikers Erich Jantsch eröffnen eine zweifache Perspektive

Einleitung: Zwei Herausforderungen

Der inflationäre Gebrauch des Begriffs "ganzheitlich" in Fach- und Boulevardpresse hat zu einer Verwischung seiner Bedeutung geführt. Da von Seiten der Alternativmedizin meist versäumt wird, genau anzugeben, was der Begriff eigentlich meint, worin das Ganze besteht, ergibt sich die Bedeutung nur in der Abgrenzung von der Schulmedizin. Ganzheitlichkeit meint die Kritik an eingeengten Sichtweisen. Gegenstand meiner Arbeit ist es, den Begriff "ganzheitlich" mit eigenständiger Bedeutung zu füllen und mögliche Kriterien für ein ganzheitliches Denken zu erarbeiten. Das Ergebnis kann nicht vollständig sein, ich möchte jedoch einige Aspekte zur Anregung bringen, die geeignet sind, nicht nur das konkrete Verständnis von Mensch und Gesundheit für die therapeutische Praxis den heutigen Anforderungen entsprechend auszudrücken, sondern auch im wissenschaftstheoretischen Streit zwischen schulmedizinischen und alternativen Methoden eine Annäherung zu ermöglichen.

Was als das Ganze betrachtet wird, ist abhängig vom eigenen Weltbild und von den vertretenen theoretischen Vorannahmen. Eine Aufzählung von Elementen der vermeintlichen Ganzheit wäre zwar wünschenswert, da sie oft ausbleibt, führt aber letztlich nicht weit. Sie bestätigt die Beschränktheit einer einzelnen Perspektive und die eventuelle Unvereinbarkeit von Weltbildern. Versteht man Ganzheitlichkeit als Erweiterung und Ergänzung von Sichtweisen, die in der Lage sein soll verschiedene Grundansichten über das Lebens zu harmonisieren, verlagert sich der Diskurs auf eine Metaebene. Es zeigt sich, daß ganzheitliches Denken zwei Herausforderungen begegnet. Einerseits die Erarbeitung eines Wirklichkeitsmodells, das der Komplexität der Phänomene gerecht werden muß. Anderseits die Veränderung des "Denkstils", die eine methodische Neuerung und Vielfalt beinhaltet. Was das Modell betrifft, so können fruchtbare Anregungen von der Systemtheorie entliehen werden. Bezüglich der Erörterung des Denkstils bildet das Terrain von Philosophie und Wissenschaftstheorie eine gute Ausgangsbasis. Die Arbeiten von Henri Bergson und Erich Jantsch können in dieser zweifachen Hinsicht teils zur Inspiration, teils zur Klärung beitragen. Im Rahmen der Diskussion lassen sich Argumente für die Stärkung der Position der alternativen Heilmethoden und -auffassungen in der Wissenschaft formulieren.

1. Was heißt ganzheitliches Denken? System und Ebenen

2. Bergsons "Dauer"

Ein bewegungsloser Athlet

Abkehr von der verräumlichten Zeit

Intellekt, Fixierung und Schemata

Wahrnehmung der Bewegtheit

 

Literatur:

Bergson, H., (1912), Schöpferische Entwicklung, Diederichs, Jena. - ders., (1920), Zeit und Freiheit, Diederichs, Jena. - ders., (1948), Denken und schöpferisches Werden, Westkultur-Verlag, Meisenheim/Glan.

Capra, F., (1982), Wendezeit, Scherz, Bern u.a.

- ders., (1996), Lebensnetz, Scherz, Bern u.a.

Hejl, P.M., Köck, W.K., Roth, G., (Hrsg.), (1978), Wahrnehmung und Kommunikation, Peter Lang, Frankfurt a.M.

Hinz, E., (1982), Denken und Systemtheorie, Diss., Beltz, Weinheim und Basel.

Jantsch, E., (1978), Erkenntnistheoretische Aspekte der Selbstorganisation natürlicher Systeme, in: Hejl et al. (Hrsg.).

Jurevics, P., (1949), Henri Bergson, Karl Alber, Freiburg.

Maturana, U., (1978), Cognition, in: Hejl et al. (Hrsg.).

Prigogine, I., Stengers, I., (1981), Dialog mit der Natur, Piper, München.

 

Anmerkungen:

1Capra (1982) S.55
2 Prigogine (1981) S.18
3 ebd. S.13
4 Hinz (1982) S.9
5 Capra (1996) S. 51 f
6 Hinz (1982) S.9; Hinz zitiert hier den Kognitionspsychologen Neisser.
7 ebd. S.7
8 Jurevics (1949) S.24
9 Jurevics (1949) S.28
10 ebd. S.16
11 ebd. S.17 f
12 ebd. S.16
13 Friedrich Kottje in der Einleitung zu Bergson (1948) S.10
14 Bergson (1920) S.78
15 Jurevics (1949) S.33
16 Bergson (1948) S.23
17 Jurevics (1949) S.37
18 Jurevics (1949) S.38
19 Bergson (1912) S.342
20 Jurevics (1949) S.40
21 Bergson (1948) S.25 f
22 ebd. S.70 f
23 Jurevics (1949) S.66
24 Bergson (1948) S.151
25 ebd. S.77
26 Bergson (1912) S.166
27 Bergson (1948) S.52
28 ebd. S.47
29 ebd. S.44
30 Bergson (1948) S.44 & 45
31 Jurevics (1949) S.96
32 ebd. S.101
33 ebd. S.102

 

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Anschrift des Verfassers:
Norman Thelen
Stud. psych., stud. phil.
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089 / 985785

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