Samuel Hahnemann: Die Chronischen Krankheiten

Theoretische Grundlagen

Matthias Wischner (Hrsg.)

3. überarb. Aufl., Haug Verlag, Stuttgart: 2006, 130 S., geb., € [D] 29,95/ € [A] 30,80/CHF 50,90

ISBN 978-3-8304-7260-9

Der Haug Verlag gibt den ersten Band der Chronischen Krankheiten in einer Neuauflage heraus. Matthias Wischner hat diese 3. Auflage bearbeitet und stellt die Änderungen von der ersten zur zweiten Auflage leicht erkennbar dar. Neuerungen in der 2. Auflage sind in blauer Schrift gedruckt und Streichungen in Endnoten notiert. Die so gut erkennbaren Änderungen zeigen deutlich, worauf es Hahnemann besonders ankam, und ermöglichen einen Einblick in die historische Entwicklung von seinen Vorstellungen zur Theorie und Behandlung der chronischen Krankheiten.

Der Bearbeiter fasst im Vorwort die wesentlichen Veränderungen „Von der ersten zur zweiten Auflage“ zusammen. Er definiert die Begriffe „Miasma, Psora, Syphilis und Sykosis“ basierend auf der Darstellung Hahnemanns.
Wischner geht auf das Phänomen der Homöopathie als Gegenentwurf zur konventionellen Medizin zur Zeit Hahnemanns und zu späteren Zeiten ein. Daraus resultiere die Schwierigkeit, die Chronischen Krankheiten zu verstehen.

Hahnemann teilte den Text in nur zwei Kapitel und gliederte in die Natur der chronischen Krankheiten und deren Heilung. Letzte unterteilt sich wiederum in die Abschnitte Sykosis, Syphilis und Psora. Wischner fügt in dieser Auflage eine Reihe weiterer Überschriften ein, die den Text nach Themen gliedern. So finden sich nun Überschriften wie „Zeichen der latenten Psora“, „Zeichen der manifesten Psora“ und im Kapitel „Heilung der chronischen Krankheiten“ Überschriften wie „Bedeutung des Schwefels“, „Reaktion auf die erste Gabe“, „Akute Zwischenkrankheiten“. Insgesamt sind es 26 Überschriften, die hinzugefügt wurden und dem Leser helfen, den Text sicherer zu erfassen und einzelne Themenbereiche schneller aufzufinden. Leider fehlt ein Register, das die Suche von Aussagen zu bestimmten Begriffen erleichtern würde.

Wischner behält die kritische Einführung von Klunker, die bereits dem Nachdruck der 2. Auflage vorangestellt wurde, bei und kommentiert sie kurz. Es ist bemerkenswert, dass die durchaus berechtigte Kritik, die Klunker bereits 1988 formulierte, so wenig beachtet wurde und Autoren wie beispielsweise Gienow und Vijayakar in ihren neuen Konzepten der „Miasmenlehre“ in keinster Weise darauf eingehen. Auch wenn Klunker die Auffassung vertritt, dass die Homöopathen fasziniert seien von subjektiven, spekulativen, neo-gnostischen1 und weltanschaulichen Theoriebildungen oder durch ein missverstandenes Festhalten an einer „reinen Lehre“, Hahnemann auf dem klar gewiesenen Weg nicht gefolgt seien, ist das nicht leicht von der Hand zu weisen. Erlebt man, wie schwer es Kollegen fällt, veraltete Begriffe aufzugeben, scheint die Frage durchaus berechtigt, ob es nicht doch darum geht, sich mit einer Geheimsprache von den anderen Medizinern abzuheben. Ein wenig zielführendes Gehabe, wenn es darum geht, der Homöopathie ihren Platz in der Medizin heute zu sichern. Auch Anne Carolin Ulrich fordert in ihrem Buch „Die chronischen Krankheiten“ (siehe die folgende Buchbesprechung), sich einer heute aktuellen und allgemeinverständlichen Begrifflichkeit zu bedienen.

Bei aller berechtigten Kritik an Hahnemanns Theorie der chronischen Krankheiten und den Auswüchsen, die darauf aufbauend bis heute formuliert wurden, ist festzuhalten, dass grundlegende Beobachtungen und Schlussfolgerungen Hahnemanns eine beachtliche Übereinstimmung mit den Auffassungen der aktuellen Medizintheorie haben (siehe auch Carolin Ulrich: Die chronischen Krankheiten).

Wer nun den Gedanken hegt dieses Buch zu kaufen, fragt sich, woher er die Bände 2–5 mit den „antipsorischen“ Arzneimittel bekommen kann. In Verbindung mit der Gesamten Arzneimittellehre, in welcher die Arzneimittel der Bände 2–5 der Chronischen Krankheiten enthalten sind, wird das Werk für den Käufer wieder vollständig. Die Vorworte der Bände 2–5 finden sich in den Kleinen medizinischen Schriften, die von Josef M. Schmidt herausgegeben wurden.

Roger Rissel

1Die Ausdrücke Gnosis, Gnostik und Gnostizismus werden oft unterschiedslos verwendet. Üblicherweise bezeichnet Gnosis ein religiöses Geheimwissen, das die Gnostiker nach eigenem Verständnis von der übrigen Menschheit abhebt.