FACHFORUM

Overgrowthsyndrom

Das Richtige am falschen Platz

Ein Beitrag von Fabian Müller

Ein Patient mit aufgeblähtem Bauch sitzt uns gegenüber. Er berichtet über Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfälle. Als Heilpraktiker denken wir auch immer an die Darm-Mikrobiota. Eine Sonderform der Dysbiose, bei der unsere normale Darmsanierung nicht greift, ist das Overgrowthsyndrom. Die Fehlbesiedlung des Dünndarms mit Keimen aus dem Dickdarm wird auch als Small Intestinal Bacterial Overgrowth (SIBO) bezeichnet.


Physiologisch kommen im Dünndarm nur geringe Mengen von Keimen vor. Hauptsächlich finden wir dort Laktobazillen und Enterokokken. Von einem Small Intestinal Bacterial Overgrowth, also einer Überwucherung des Dünndarms mit Dickdarmkeimen, spricht man, wenn mehr als 105 koloniebildende Einheiten pro Milliliter im proximalen Jejunum vorhanden sind.
Dickdarmkeime können bei Störungen der Dickdarmmikrobiota oder Defekten der Ileozäkalklappe in den Dünndarm „hochwandern“. Eine exokrine Pankreasinsuffizienz, eine chronische Gastritis oder die Langzeiteinnahme von Protonenpumpenhemmern können zu einer Zunahme von Fett und/oder Eiweiß im Dickdarm führen. Dies sorgt für eine starke Vermehrung der Fäulniskeime. Auch eine Störungen der Peristaltik, Darmstenose oder postoperative Komplikationen wie das Kurzdarmsyndrom, das Syndrom der blinden Schlinge oder das Frühdumpingsyndrom führen dazu. Peristaltikstörungen können durch Kolondivertikeln, Sklerodermie oder diabetische Enteropathie auftreten. Bei geringer Magensäureproduktion können auch Dickdarmkeime über anal-orale Sexualpraktiken in den Dünndarm gelangen.
Meiner Erfahrung nach ist auch eine Belastung mit Schwermetallen eine Ursache des Overgrowthsyndroms. Welcher Pathomechanismus hier vorliegt, ist wissenschaftlich nicht geklärt. Denkbar wäre die Verminderung der Laktobazillen und Enterokokken, eine Veränderung der Peristaltik oder eine Schädigung von Magen, Pankreas und Leber.

Symptome

Ein aufgetriebener Bauch, Blähungen, Bauchschmerzen im Nabelbereich, Mundgeruch und weicher bis flüssiger Stuhl sind die Leitsymptome des Overgrowthsyndroms. Es kommt häufig zu Malassimilation und Gewichtsverlusten. Die Vitamine A, D, K1 und B12 sind häufig defizitär. Meist besteht ein sekundärer Laktasemangel. Extraabdominal findet man Gelenkschmerzen, Anämie oder Rosazea. In vielen Fällen kommt es auch zu einem Leaky-Gut-Syndrom, vereinzelt bis zur manifesten Darmentzündung. Die Symptome unterscheiden sich nicht wesentlich von einer „normalen“ Dysbiose.

Diagnostik

Wie können wir nun aber ein SIBO diagnostizieren? Die sicherste Diagnostik ist die endoskopische Gewinnung von Jejunuminhalt unter anaeroben Bedingungen. Die ist aber sehr aufwendig und wird deshalb fast nur zu Forschungszwecken – und nicht in der täglichen Praxis – durchgeführt.
Etabliert hat sich dagegen ein Wasserstoffatemtest. Er kann entweder mit einem Testgerät in der Praxis durchgeführt werden, oder die Atemprobe wird in einem Vakuumröhrchen oder Beutel aufgefangen und in einem Labor (z. B. Ganzimmun oder Enterosan) analysiert. Als Erstes wird die Konzentration der Ausatemluft beim nüchternen Patienten bestimmt. Anschließend trinkt der Patient ein in Wasser gelöstes Substrat. Meist wird 80 g Glukose als Substrat dafür verwendet. Anschließend wird alle 15 bis 20 Minuten die Wasserstoffkonzentration bestimmt. Wenn es zu einem Anstieg der ausgeatmeten Wasserstoffkonzentration über einen bestimmten Wert kommt, so liegt ein SIBO vor. Über die Höhe des Wertanstieges gibt es unterschiedliche Angaben: 20 ppm, 15 ppm, 12 ppm oder 10 ppm bei asymptomatischem Verlauf und 5 ppm bei Symptomauftritt. Da Glukose zwar hauptsächlich im Jejunum, aber auch bereits im Duodenum resorbiert wird, schließt ein negativer Glukose-Atemtest eine Dünndarmfehlbesiedelung nicht aus. Bei der Verwendung von 10 g Laktulose als Substrat beurteilt man nur die ersten 60–90 Minuten. Bei schneller Darmpassage kann es zu falsch-positiven Ergebnissen kommen. Bei den Werten, die später gemessen werden, ist ein Anstieg der Wasserstoffkonzentration physiologisch. Ein früher Wasserstoffanstieg bei einem Fruktose- oder Laktulose-Atemtest deutet auch auf ein SIBO hin.

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Kausalbehandlung

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SIBO-Darmsanierung

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Verbesserung der Verdauungsleistung und Peristaltik

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Reduktion der Dickdarmkeime im Dünndarm

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Laktobazillen und Enterokokken

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Funktionsverbesserung der Ileozäkalklappe

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Förderung der Dünndarmregeneration

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Verfasser
Fabian Müller, Heilpraktiker
Brudermühlstraße 36
81371 München
E-Mail: naturheilpraxis@fabian-mueller.net

 

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Naturheilpraxis 07/2017