Porträt

Der Fluss

Unser Weg

Ein Beitrag von Elisa Gebhardt

Als Heilpraktikerin betritt man mit jedem Patienten neue Wege. Diese Wege können einfach sein. Sie können schwer sein. Manchmal sind sie voll von Steinen, und doch stehen wundervolle Blumen am Wegesrand. Mit Krebspatienten ist es anders. Mit ihnen springt man in einen wilden Fluss. Umso mehr, wenn die Patientin die eigene Tante ist. Dies ist die Geschichte der letzten beiden Lebensjahre meiner Tante Inge.


Es duftet nach Kaffee. Die Sonne scheint durch das gläserne Dach des Wintergartens. Die Hunde liegen hechelnd im Garten. Der Käsekuchen von Tante Inge steht auf dem Tisch und glänzt goldgelb. So war es immer.
So ist es auch heute.
Nur heute stürzen wir uns nicht wie ausgehungerte Bären auf den famosen Käsekuchen. Heute sind wir appetitlos, sprachlos. Tante Inge hat die Diagnose Krebs erhalten.

Ich fange doch gerade erst an!

„Elisa, was soll ich jetzt machen?“ Meine Tante blickte mich hoffnungsvoll an. Ich atmete tief ein.
Erst wenige Wochen zuvor hatte ich meine eigene Naturheilpraxis eröffnet. Alle waren da. Es gab Blumen, Prosecco, viel zu lachen, ein Neubeginn.
Die Schwerpunkte meiner Praxis legte ich auf die Gebiete, in denen ich mich durch meine bisherige Arbeit und Hospitation, meine Aus- und Fortbildungen sicher fühlte.
Die Behandlung von Krebserkrankungen gehörte definitiv nicht dazu. Dafür fühlte ich mich nicht annähernd qualifiziert. Jetzt traf mich Tante Inges Diagnose doppelt: als Heilpraktikerin und Nichte. Auf der einen Seite der Schmerz, dass sie Krebs hat, auf der anderen Seite der Druck, sie therapeutisch unterstützen zu wollen.

Ausbrecherkrebs

Eine Gürtelrose, die einfach nicht zum Stillstand kommen wollte, führte sie zum Hausarzt. Dieser hatte sofort den richtigen Verdacht: Wenn das Immunsystem durch Krebs geschwächt ist, zeigt sich das häufig zuerst durch chronische Erkrankungen. Er veranlasste eine Blutuntersuchung, die Fährte führte zum Lungenfacharzt. Lungenkrebs. In ihrem Leben hat sie nicht eine Zigarette geraucht.
Lungenkrebs. Ein Pancoast-Tumor. Niederschmetternd. Ich wusste, was das bedeutet.

Der Pancoast-Tumor ist ein Bronchialkarzinom, das an der oberen Lungenspitze sitzt. Es greift sehr rasch auf Halsweichteile, Rippen, Wirbel und – am schlimmsten – auf das nahe Arm-Nervengeflecht über. Es wird auch als „Ausbrecherkrebs“ bezeichnet. Dementsprechend trifft viele Patienten mit so einem Tumor das Pancoast-­Syndrom.
Die Symptome, ausgelöst durch das Einwachsen des Tumors in das Nervengeflecht: Schmerzen in Schulter und Arm, Parästhesien, Lähmungen, Rippenschmerzen, Schädigung des vegetativen Nervensystems (Horner-Syndrom) und eine Einengung der Halsvenen.

Ich erinnerte mich, wie ich einmal im Rahmen meiner Arbeit als Physiotherapeutin mit einem Krebspatienten darüber sprach. Er sagte: Nervenschmerzen sind die schlimmsten. Ich bekam Angst.

Verunsicherung

Der Tumor saß an einer sehr schwer operablen Stelle. Der zuerst konsultierte Arzt riet trotzdem zu einer OP mit anschließender Chemotherapie, als Versuch, mangels Alternative. Eine eingeholte Zweitmeinung fiel anders aus. Die Operation hätte einen ungewissen Ausgang und ein besonders hohes Risiko, die Genesungszeit sei schwer und langwierig, die Heilungschancen seien gering. Es ginge eher um Zeit. Vielleicht lebe sie durch die Therapie eine ungewisse Zeit länger. Klar war, es geht nicht um Heilung.
Genauere Aussagen gab es nicht. Dazu kamen die vielen Ratschläge, die Erfahrungsberichte von Freunden und Bekannten, die in so einer Situation gut gemeint, selten aber gut sind.

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Die Frage nach der verlorenen Zeit

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Der Wunsch nach Antworten

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Unser Weg

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Fehlversuche und Erfolge

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Jeder Tag ist anders

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Das Wort Tod

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Der Aha-Moment

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Ende

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Anfang

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Naturheilpraxis 04/2017