Die Lymphbelastung des Gummibärchenkindes
Margret Rupprecht
Als „kleine Schweinchen“ (lat. scrofulae) bezeichnete man in früheren Zeiten nicht nur die lieben Kleinen, die sich bei Tisch nicht zu benehmen wussten. Die alten Ärzte verstanden darunter vor allem multiple Lymphdrüsenschwellungen, die sich rechts und links am Hals wie die Ferkel am Mutterschwein aufreihen – eine putzige Beschreibung für ein allerdings weniger amüsantes Krankheitsbild: die Skrofulose.
Der Begriff Skrofulose ist mittlerweile aus der Mode gekommen, das Phänomen, die skrofulöse Dyskrasie, und ihre pathologischen Folgen aber deshalb noch lange nicht verschwunden. Man spricht heute stattdessen von „Infektanfälligkeit“. Auch wenn man das Vollbild einer Skrofulose nur noch selten zu sehen bekommt, ist das Krankheitsbild genauso aktuell wie im 18. und 19. Jahrhundert.
Im Neuen Hausschatz der Heilkunde aus dem frühen 20. Jahrhundert wird die Skrofelkrankheit als Krankheitsform definiert, welcher als wesentliche Züge chronische Lymphdrüsenschwellungen und gewisse Erkrankungen der Haut und Schleimhäute zukommen. Was als altertümlich anmutendes Krankheitsbild gilt, ist unter Naturheilkundlern und unter Augendiagnostikern bekannt als lymphatische oder lymphatisch-hyperplastische Konstitution, die sich vor allem bei Kindern immer noch häufig beobachten lässt.
			
		
		  Woran erkennt man ein skrofulöses Kind? Eine lymphatische Belastung zeigt sich an vielen Merkmalen, die zusammen ein eindeutiges Bild ergeben: Typisch sind blasse Haut, schlaffe Muskulatur, ein mehr oder weniger ausgeprägtes Übergewicht und ein rundes „Mondgesicht“. Dicke Beinchen, ein bisschen Bauch und der Ansatz zum Doppelkinn sind ebenso typisch wie eine träge, verdrießliche und gleichgültige Haltung gegenüber der Umwelt, die Lehrer und Eltern nicht selten zur Verzweiflung bringt. 
		  
		  Das lymphatische Kind ist schwer zu motivieren und neigt zu trägen Reaktionen. Doch es gibt nicht nur den pastösen Typ, sondern auch den nervösen Lymphatiker: schlanke bis magere Kinder mit weißer, durchscheinender Haut, blass, lebhaft und leicht erregbar. 
		  
Beiden Erscheinungsformen gemeinsam ist die Neigung zu Lymphdrüsenschwellungen im Halsbereich, zu wiederkehrenden Hautausschlägen im Gesicht und auf dem behaarten Teil des Kopfes, beide erkranken häufig an Mittelohrentzündung, Gehörgangsekzemen, Bindehaut- und Lidrandentzündung sowie chronischem Schnupfen. Die Nasenschleimhaut ist beim leisesten Reiz gerötet, geschwollen und sondert ein reichliches, dickes, eitrig-borkiges Sekret ab. Dasselbe gilt für die Rachenschleimhaut; die Drüsen an der hinteren Rachenwand vergrößern sich zu erbsengroßen Geschwülsten, und auch die Mandeln entzünden sich immer wieder. Chronische Mandelentzündungen wiederum führen zu einer Vergrößerung des Gewebes, bis der HNO-Arzt irgendwann konstatiert, „dass die Mandeln rausmüssen“.
		  
Für den naturheilkundlich orientierten Behandler ist es immer wieder ein Jammer zu erleben, wie vorschnell und fast bedenkenlos wichtiges lymphatisches Gewebe wie Polypen, Mandeln oder Blinddarm operativ entfernt werden, weil man glaubt, es sei ohnehin nicht so wichtig, und man könne mit einem chirurgischen Eingriff die zugrunde liegende Problematik gewissermaßen „wegschneiden“. Dabei liegen die Ursachen tiefer, und man nimmt ihnen lediglich das Terrain, um sich bemerkbar zu machen.
		  
		  
Ernährung
			
		  Dass skrofulöse Kinder in früheren Jahrhunderten oft an Lungen- und Brustfellentzündung oder Blutvergiftung starben, lag unter anderem daran, dass die Versorgung mit Frischkost durch die Armut der ..
		  
		  Literatur
		  M. Augustin, V. Schmiedel: Leitfaden Naturheilkunde. Elsevier Verlag, München 2007
		  Elvira Bierbach, Michael Herzog: Handbuch Naturheilpraxis. Elsevier Verlag, München 2005
		  Burgersteins Handbuch Nährstoffe. 12. Auflage, Trias Verlag, Stuttgart 2012
		  Joachim Broy: Die Konstitution – Humorale Diagnostik und Therapie. Klaus Foitzick Verlag, München 1992
		  Der neue Clarke. Eine Enzyklopädie für den homöopathischen Praktiker. Dr. Grohmann Verlag für homöopathische Literatur, Bielefeld 2001
		  Walter Dorsch, Friedrich Carl Sitzmann: Naturheilverfahren in der Kinderheilkunde. Hippokrates Verlag, Stuttgart 2003
		  Otto Gillert, Walther Rulffs: Hydrotherapie und Balneotherapie. Pflaum Verlag, München 1990
		  Jochen Schleimer: Gesunde Kinder durch Homöopathie. Verlag T. Marczell, München 1984
	    Peter-Hansen Volkmann: Ökosystem Mensch. VBN Verlag, Lübeck 2009		
Anschrift der Verfasserin
Margret Rupprecht
Quinta Essentia
Heilpraktikerin und Medizinjournalistin
Hohensalzaer Straße 6a
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Naturheilpraxis 3/2016