Akupunktur/TCM

Die Theorie des Shang Han Lun in der Behandlung männlicher Sexualstörungen

Teil 1

Suzanne Robidoux

Entgegen der weit verbreiteten Annahme können mit dem klassischen System des „Shang Han Za Bing Lun“ (normalerweise übersetzt als „Abhandlung über durch Kälteschädigung induzierte Krankheiten“) von Zhang Zhong Jing nicht nur Kältekrankheiten, sondern innere und äußere Erkrankungen, akute und chronische Leiden und Kälte- wie auch Hitzepathologien behandelt werden. Dieser erste von zwei Teilen gibt einen Einblick in das theoretische Grundgerüst für die Behandlung hartnäckiger und komplexer männlicher Sexualstörungen. Im zweiten Teil in der kommenden Ausgabe werden wir uns dann mit zwei Patientenfällen aus der Praxis befassen.


Es gibt sechs anerkannte Abstammungslinien, die die Lehren von Zhang Zhong Jings Klassiker „Shang Han Za Bing Lun“ unterrichten, den er in Zeiten der Han-Dynastie schrieb. Innerhalb der Abstammungslinie der Autorin stammen die Lehren vom kaiserlichen Arzt Wang Xiang Zheng auch Wang Xiang Wei genannt), der sein Wissen an Prof. Hu Xi Shu zu Beginn des 20. Jahrhunderts weitergab. Dieser wiederum gab es an Dr. Feng Shi Lun weiter, der es an die Autorin weitergab.


Männliche Sexualstörungen aus Sicht der TCM

Die fünfte Ausgabe des Lehrwerks „TCM Internal Medicine“1, das an der Univer-sität für Chinesische Medizin in Peking verwendet wird und einen modernen TCM-Ansatz repräsentiert, ordnet die -Diagnose und Behandlung männlicher Sexualstörungen in folgende mögliche Disharmoniemuster ein:

1. Herz und Niere kommunizieren nicht mit aufsteigendem Feuer;
2. nach unten sinkende Feuchte-Hitze-Akkumulation;
3. Erschöpfung von Milz- und Herz-Qi;
4. Nieren-Jing-Mangel.

Leider ist so eine Behandlung in der Erfahrung der Autorin wie auch nach Berichten von Patienten, die die Abteilung für Urologie des Japanese Chinese Friendship Hospitals in Peking aufsuchen, selten von Erfolg gekrönt. Oftmals kommt es sogar zu einer Verschlechterung der Symptome. Wir als Praktizierende der Chinesischen Medizin haben das Anliegen, immer die schnellste und wirksamste Behandlung mit so wenigen Kräutern wie möglich zu erzielen. Wer die Chinesische Medizin in dieser modernen Zeit praktiziert, ist gut beraten, durch das Studium der Klassiker nach einem wirksamen Behandlungsansatz zu forschen.

Andere theoretische Grundannahmen im „Shang Han Lun“

Zhang Zhong Jing hatte in Zeiten der Han-Dynastie bereits wirksame Rezepturmuster für die Behandlung männlicher und weiblicher Sexualstörungen im „Lun Guang Tang Ye Jing“ (Klassiker der Sude und Dekokte) aufgezeichnet, der später von Wang Shu He zusammengetragen und in „Shang Han Za Bing Lun“ umbenannt wurde. Wie bei jeder klassischen Denkrichtung ist es von größter Bedeutung, das medizinische System des „Shang Han Za Bing Lun“ zu verstehen, um es korrekt in der Klinik anwenden zu können. Es ist wichtig zu betonen, dass sich dieses System nicht für die Diagnosestellung aufgrund einer bestimmten Patientenkonstitution eignet, ganz gleich, ob jung oder alt, dick oder dünn. Darüber hinaus beinhaltet dieses System keine Korrelation mit den Akupunktur-Meridianen oder deren Verläufen und lässt sich auch nicht in die Zang-Fu-Diagnose nach TCM-Kriterien integrieren. Dieses System basiert auf dem gesamten Spektrum an Zeichen und Symptomen, einschließlich dem Puls- und Zungenbild. Durch Analyse der Symptome kann ermittelt werden, in welcher Schicht sich Pathogene befinden (außen, innen oder halb innen, halb außen). Aufgrund der vorhandenen Symptome kann auch diagnostiziert werden, ob das Syndrom jeder Schicht ein Yang- oder Yin-Syndrom ist.

Syndromzuordnung

Wenn wir akute oder chronische Fälle von Impotenz, Spermatorrhö, vorzeitiger Ejakulation, Libidoverlust oder andere männliche Sexualstörungen behandeln, müssen alle vorhandenen Symptome aufgenommen werden, um das/die betroffene(n) Syndrom(e) zu identifizieren und ein geeignetes Rezeptmuster auszuwählen. Da die Analyse der Symptome und deren Syndromzuordnung die Grundlage dieses Systems bilden, gibt dieser Artikel einen kurzen Überblick über den theoretischen Hintergrund. Dr. Feng Shi Lun weist darauf hin, dass „man als klassisch ausgelegter Praktizierender nicht nur klassische Rezepturen verwendet, sondern auch das Sechs-Syn-

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Anmerkung
1 Wang. T.Y.: Zhong Yi Nei Ke Xue , People’s Medical Publishing House: Beijing, 2006, S. 339-340

Übersetzung
Dominik Daling

Verfasserin
Dr. Suzanne Robidoux
www.ChineseMedicineTraveller.com



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Naturheilpraxis 2/2016