SPEZIAL

Wechsel­wirkungen

von Arzneimitteln, Kräutern und Nahrungsmitteln

Sabine Ritter

Eine ungewollte Schwangerschaft nach Einnahme der Pille zusammen mit einem Johanniskraut-Präparat?! Mögliche Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln und Kräutern werden häufig unterschätzt. Sie können nicht nur die Wirksamkeit von Medikamenten mindern, sondern auch das Risiko für Nebenwirkungen erhöhen.


Der Organismus ist darauf angelegt, alles, was man ihm zuführt, zu verwerten und die unverdaulichen Reste wieder auszuscheiden. Das gilt für Nahrungsmittel ebenso wie für Kräuter und Medikamente. In den meisten Fällen werden sie unabhängig von­einander verstoffwechselt, aber leider nicht immer. Eine mögliche Folge sind Wechselwirkungen.

Bildung von Komplexen ­verhindert Aufnahme

Interaktionen können bereits bei der Freisetzung von Arzneistoffen eintreten, wenn Antibiotika wie Tetrazykline oder Fluorchinolone, Bisphosphonate zur Behandlung der Osteoporose oder Levothyroxin bei Hypothyreose zusammen mit multivalenten Kationen wie Kalzium, Magnesium oder Eisen eingenommen werden. Diese werden nicht nur zum Ausgleich eines Mangels eingenommen. Sie können auch Bestandteil von Milchprodukten oder von Antazida sein. Zusammen mit den Arzneistoffen bilden sie schwer lösliche Verbindungen, sodass die Wirkstoffe im Darm nicht aufgenommen werden. Daher sollte ein Mindestabstand von zwei Stunden zwischen der Einnahme dieser Arzneistoffe und der Mineralstoffe eingehalten werden. (1) Dies ist ferner in Zusammenhang mit Leinsamen und Leinöl zu beachten, die ebenfalls die Aufnahme von Arzneistoffen behindern können (2).
Um von der Darmschleimhaut, also der Körperoberfläche, in das Innere des Organismus zu gelangen, müssen Arzneistoffe ebenso wie die Inhaltsstoffe von Kräutern oder Nahrungsmitteln die Zellmembranen der Organe passieren. In diese Lipiddoppelschicht eingelagerte Proteine bilden u. a. mit Wasser gefüllte Poren. Die aufzunehmenden Stoffe, darunter viele Arzneistoffe, durchdringen diese Membran einerseits – mit oder ohne Unterstützung von Transportproteinen – passiv entsprechend dem Konzentrationsgefälle. Andererseits können sie aktiv von Transportproteinen durch die Mem­bran geschleust werden. Dabei verbrauchen einige Transporter Energie in Form von ATP (3).

Xenobiotika: Rein in die Zellen, raus aus den Zellen

Es sind verschiedene Typen von Transportproteinen bekannt.
Influxtransporter schleusen Xenobio­tika (körperfremde Stoffe) in die Zellen hinein. Hierzu gehören die der Solute-Carrier-Superfamilie (SLC-Transporter) zugeordneten OATP-Transporter (Organische Anion-Transportproteine, Abb. 2). Sie regulieren die Aufnahme sowohl von körpereigenen Stoffen als auch von Xenobiotika. So gelangen diese z. B. aus dem Lumen des Darms in die Enterozyten oder aus dem Blut in die Leberzellen. Eine Übersicht über alle SLC-Transporter und ihre Lokalisation ist im Internet unter http://slc.bioparadigms.org/ einsehbar. Es werden sechs verschiedene ­OATP-Transporter-Familien unterschieden (OATP1–6), deren Mitglieder in Unterfamilien aufgeteilt werden – gekennzeichnet durch Großbuchstaben (A, B, C). Die Einzelvertreter der Subfamilien sind durchnummeriert, sodass sich der Name der Transporter aus Zahlen und Buchstaben zusammensetzt (z. B. OAT2A1) (3, 4).
Die Effluxtransporter, denen die ABC-Transporter zugerechnet werden, schleusen Stoffe dagegen aus den Zellen heraus (Abb. 2) und üben so eine wichtige ...

Induktion und Inhibition der Transporter

...

Interaktionen bei der ­Metabolisierung

...

Interaktionen ohne Veränderung der Plasmakonzentration

...

Besonders gefährdete ­Patientengruppen

...

 

Literatur
(1) Cascorbi, I.: Arzneimittelinteraktionen. ­Deutsches Ärzteblatt 20.12.2012
(2) www.mayoclinic.org/drugs-supplements/
(3) Mutschler, E., et al.: Mutschler Arzneimittelwirkungen. Stuttgart 2013
(4) Mandery, K.V.: Funktion und Expression ­gastrointestinal und hepatisch exprimierter ­Organic Anion Transporting Polypeptides (OATP). Erlangen 2010
(5) Kalliokoski, A., et al.: Impact of OATP transporters on pharmacokinetics. Br J Pharmacol. 2009 Oct; 158(3): 693–705.
www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2765590/
(6) www.pharmawiki.ch
(7) Mende, A.: Grüntee hemmt Transportprotein. Pharmazeutische Zeitung 04/2014
www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=50465
(8) Zagermann-Muncke, P.: Wenn Arzneistoffe Transportproteine beeinflussen. Pharma­zeutische Zeitung 50/2006.
www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=2381
(9) www.drugs.com
(10) Hafner, V.: Arzneimittelinteraktionen. Der Internist 2010, 51:359-370
(11) Sperber, G., et al.: Integrated Pharmacology. Boulder 2007
(12) Dubbels, W.: Peking-Ente statt Lipobay? Pharmazeutische Zeitung 03/2002.
www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=pharm1_03_2002
(13) Dingermann, T., et al.: Schneider Arznei­drogen. Heidelberg 2011
(14) Bäumler, S.: Heilpflanzen Praxis Heute. München 2007
(15) Greiner, C.: Interaktionslexikon Teil 5: Therapeutisches Drug-Monitoring – Die Grund­lagen. Neurotransmitter 2.2010.
www.unimedizin-mainz.de/fileadmin/kliniken/ps/Dokumente/Klinische_Pharmazie/TDM_Grundlagen.pdf
(16) Greiner, C.: Interaktionslexikon Teil 4: Cytochrom-P450-Isoenzyme – Teil 2: Substrate, Induktoren und Inhibitoren. Neurotransmitter 1.2010.
www.unimedizin-mainz.de/fileadmin/kliniken/ps/Dokumente/Klinische_Pharmazie/CYP_teil_2.pdf

(17) Hiemke, C., et al.: Kombinationstherapie/Polypharmazie. Arzneimitteltherapie 2014;32:361–70.
www.aerztekammer-bw.de/10aerzte/20fortbildung/20praxis/ 88arzneimitteltherapie/1412.pdf

 

Anschrift der Verfasserin
Sabine Ritter
Apothekerin/Heilpraktikerin
Waidbrucker Straße 18
81547 München
www.ritter-tcm.de


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Naturheilpraxis 01/2016