SPEZIAL

Vom Schmerz gezeichnet

Die zwei Gesichter der Malerin Angelika Kauffmann

Margret Rupprecht

Goethe schreibt über Angelika Kauffmann in einem Brief nach Weimar: „Sie ist müde, auf den Kauf zu malen, und doch findet ihr alter Gatte es gar zu schön, dass so schweres Geld für oft leichte Arbeit hineinkommt.“ Kauffmann war mit den Geistesgrößen ihrer Zeit befreundet, korrespondierte mit Winckelmann, Herder und Klopstock. Aufgrund ihres außergewöhnlichen Talents genoss sie als weibliche Malerin einen Freiraum, den kaum eine ihrer Vorgängerinnen besaß.


Als Künstlerin erntete Angelika Kauffmann zu ihren Lebzeiten höchste Anerkennung, doch Lebensglück im Privaten blieb ihr versagt.

Angelika Kauffmann wurde 1741 in Chur als einziges Kind des Malers Joseph Johann Kauffmann geboren. Der Vater spielte in ihrem Leben die prägende Rolle. Er war entscheidend für die spätere Berufswahl, zu der es durchaus eine Alternative gegeben hätte. Angelika war eine begabte Sängerin. Herder, der von ihrer Stimme entzückt war, rühmte „ihren feinen Klang, der die Sinne beruhigt“. Doch sie entschied sich ganz bewusst gegen eine Karriere als Opernsängerin und blieb der Malerei treu.

Die Vater-Tochter-Beziehung – eine spezifische Form des Lehrer-Schülerin-Verhältnisses – besitzt in der Geschichte der Kunst eine ähnliche Bedeutung wie die Vater-Sohn-Beziehung in der dynastischen Erbfolge. Der Sohn sorgt für die Kontinuität des Familiennamens, in der Tochter lebt die Essenz des väterlichen Künstlertums weiter. Bei Angelika verstärkte sich diese Entwicklung aufgrund der Tatsache, dass sie 16-jährig die Mutter verlor, was die Bindung zwischen ihr und dem Vater weiter vertiefte.

Joseph Johann Kauffmann heiratete kein weiteres Mal, sondern konzentrierte sich von nun an noch stärker auf die Person und die Karriere der Tochter. Bereits als Sechsjährige ging sie ihm zur Hand, mit elf Jahren führte sie ihren ersten Porträtauftrag aus, und nach dem Tod der Mutter unterstützte sie ihn bei seinen Aufträgen, z. B. dem Ausmalen der Pfarrkirche von Schwarzenberg.

Zu ihrem Glück erkannte und förderte Joseph Johann Kauffmann ihr außergewöhnliches Talent. Als sie 21 war, brach er mit ihr nach Rom auf. In Mailand, Parma, Bologna und Florenz besuchte Angelika die großen Galerien und schulte ihren persönlichen Stil durch das Kopieren der Werke alter Meister. Dank ihrer vielseitigen Sprachenkenntnisse stand sie in Rom bald im Mittelpunkt der Kolonie der Ausländer und Intellektuellen.

1766 beschloss Angelika Kauffmann, sich in London niederzulassen. England besaß damals eine aufblühende Malerschule, als deren bedeutendste Vertreter die Porträtisten Gainsborough und Reynolds galten. Die Porträtmalerei war im 18. Jahrhundert die einzige Ausdrucksform, die einer weiblichen Künstlerin zugestanden wurde. Mythologische und historische Themen zu malen war bisher Männersache. Angelika Kauffmann wagte den mutigen Schritt, diesen Rahmen zu sprengen. Davon zeugen Werke wie Hektor erblickt Paris in der Schlacht oder Abélard und Héloise, mit denen sie nicht nur ihr Talent, sondern auch ihre jedem Mann ebenbürtige klassische Bildung unter Beweis stellte.

In London wird ihr Haus Treffpunkt des Adels und der intellektuellen Elite. Ihr empfindsamer Stil kam in einer porträtversessenen Zeit überaus gut an. ...



Anschrift der Verfasserin
Margret Rupprecht
Quinta Essentia
Heilpraktikerin und Medizinjournalistin
Hohensalzaer Straße 6a
81929 München



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Naturheilpraxis 12/2015