Psyche im Gleichgewicht

Depression

Erkenne dich selbst!

Margret Rupprecht

Der deutsche Immunbiologe Gerhard Uhlenbruck sagte einmal: „Liebe heilt fast jede Depression, nur werden Depressive selten geliebt.“ Diese Beobachtung regt zum Nachdenken an. Denn Lieben und Geliebtwerden hat viel zu tun mit Sehen und Gesehenwerden, mit Selbstwahrnehmung und Wahrgenommenwerden durch andere – ganz im Sinne des alttestamentlichen Bibelwortes „Und Adam erkannte sein Weib.“ Ich kann nur lieben, was ich erkenne. Umgekehrt resultiert daraus: Wie sollen andere einen depressiven Menschen erkennen und lieben, wenn dieser sich selbst fremd ist, sich selbst nicht erkennen und liebevoll für sich sorgen kann? Der Weg aus der Depression führt deshalb auch über das Einüben einer sensibleren Selbstwahrnehmung und die Fähigkeit, mit sich selbst gut befreundet zu sein.


Was ist eine Depression? Die psychosomatische Medizin versteht darunter eine herabgesetzte Stimmung im Sinne von Niedergeschlagenheit, Freudlosigkeit, emotionaler Leere, Antriebslosigkeit, Interesseverlust, sozialem Rückzug und einer erhöhten Anfälligkeit für körperliche Krankheiten. Etwa seit den 1980er-Jahren ist es allerdings zu einer Ausweitung des Depressionsbegriffes gekommen, die hinterfragt werden muss. Nicht jede traurige Stimmung ist gleich eine Depression. Gefühle von Trauer sind so normal wie Gefühle der Freude. So wie Atmung und Herzschlag ständig zwischen den Polen von Anspannung und Erschlaffung oszillieren, schwingt auch das Gefühlsleben eines lebendigen, emotional gesunden Menschen zwischen Momenten von Glück und Momenten von Trauer. Wer sich Traurigkeit zugestehen kann, kann sie auch genießen – ganz im Sinne eines Schweizer Dichters, der die Melancholie einmal als das Parfum des Schicksals und die Erotik der Depression bezeichnete. Wie arm wäre ein menschliches Leben, das die Trauer nicht kennt!

Eine echte, krankheitswertige Depression unterscheidet sich von normalen Phasen der Niedergeschlagenheit vor allem durch die Intensität und Chronizität ihrer Symptome. Neben der Freud- und Interesselosigkeit, einer deutlichen Verminderung von Antrieb und Aktivität ist auch die Konzentrationsfähigkeit stark beeinträchtigt. Schon nach kleinen Anstrengungen stellt sich eine starke Müdigkeit ein, der Schlaf ist schlecht, der Appetit vermindert, Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen liegen am Boden. Der Depressive neigt zu Schuldgefühlen und zum Grübeln über die eigene Wertlosigkeit bis hin zu Suizidgedanken. Das normale Schwingen der Emotionen ist reduziert; die gedrückte Stimmung herrscht dauerhaft vor und reagiert nicht mehr auf wechselnde Lebensumstände und Erlebnisse. Der Depressive kann sich über nichts mehr freuen, weder über einen sonnigen Tag noch über sein Leibgericht. Dazu gesellen sich eine ganze Reihe weiterer Symptome wie vorzeitiges Erwachen, ein Stimmungstief am Vormittag, psychomotorische Hemmungen oder Unruhe, Angstzustände, Nervosität, Appetit-, Gewichts- und Libidoverlust. Entsprechend der Anzahl und Ausgeprägtheit der genannten Symptome werden depressive Episoden als leicht, mittelgradig oder schwer bezeichnet. Bei schweren depressiven Störungen besteht Lebensgefahr durch Suizid und mangelhafte Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme.

Sinnerfahrungen sind heilsam

Wie stark hat sich ein Mensch von sich selbst entfernt, wenn ihm sogar das Hunger- und Durstgefühl abhandengekommen ist? Bei ihm hat sich die gesunde, überlebenswichtige Selbstfreundschaft fast schon in Selbstfeindschaft verwandelt. Was sind die Gründe?

Hier sind sicherlich die Zwänge des heutigen Lebens zu nennen: Perfektionismus, der Druck zum täglichen Funktionieren und zur permanenten Selbstoptimierung, das Fehlen von Entspannungsfreiräumen im Alltag. Wo auf allen Gebieten zu viele Anforderungen herrschen, schwinden die Räume, in denen die Seele sich erholen kann. Der Depressive wird gerne als Opfer eines überfordernden Leistungsdrucks im Außen gesehen. Das greift oft zu kurz: Depressive Menschen sind vor allem ein Opfer ihrer verloren gegangenen Selbstwahrnehmung.

Menschen definieren sich häufig über den Erfolg ihrer Leistungen – und es kommt meist so lange nicht zu einer Depression, wie das eigene Wirken Erfolge nach sich zieht. In diesem Sinne ist eine

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Wege aus der Depression

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Literatur
Adler, Rolf H. (Hrsg.): Uexküll. Psychosomatische Medizin – Theoretische Modelle und klinische Praxis. Elsevier bei Urban & Fischer Verlag, München 2011
Bühring, Ursel: Praxis-Lehrbuch der modernen Heilpflanzenkunde. Grundlagen, Anwendung, Therapie. Haug Verlag, Stuttgart 2011
Burgerstein, Uli P.: Handbuch Nährstoffe. Trias Verlag in Medizinverlage Stuttgart, Stuttgart 2012
Dahlke, Ruediger: Lebenskrisen als Entwicklungschancen – Zeiten des Umbruchs und ihre Krankheitsbilder. Bertelsmann Verlag, München 2003
Dahlke, Ruediger: Krankheit als Symbol. Bertelsmann Verlag, München 2014
Theodor Dingermann, Dieter Loew: Phytopharmakologie. Experimentelle und klinische Pharmakologie pflanzlicher Arzneimittel. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2003
Kalbermatten, Roger: Wesen und Signatur der Heilpflanzen. Die Gestalt als Schlüssel zur Heilkraft der Pflanzen. AT Verlag, Aarau 2002
Schmid, Wilhelm: Mit sich selbst befreundet sein. Von der Lebenskunst im Umgang mit sich selbst. Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2014
Wagner, Hildebert; Wiesenauer, Markus: Phytotherapie. Phytopharmaka und pflanzliche Homöopathika. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2003
Weiß, Rudolf Fritz: Lehrbuch der Phytotherapie. Hippokrates Verlag, Stuttgart 1991
Wichtl, Max (Hrsg.): Teedrogen und Phytopharmaka. Ein Handbuch für die Praxis auf wissenschaftlicher Grundlage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2002






Anschrift der Verfasserin
Margret Rupprecht
Quinta Essentia
Heilpraktikerin und Medizinjournalistin
Hohensalzaer Straße 6a
81929 München



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Naturheilpraxis 12/2015