FACHFORUM

Myotendofasziale Verspannungsketten des LWS-Bereichs

Matthias Engel

Rückenschmerzen gehören mit Arthrosen und Kopfschmerzen zu den häufigsten chronischen Schmerzsymptomen. Sie sind mit einer Lebenszeitprävalenz von 80 bis 90 Prozent und einer Jahresprävalenz bei Frauen von 60 bis 70 Prozent und bei Männern von 50 bis 60 Prozent sehr hoch. Bei Männern sind sie mit 14 Prozent die häufigste, bei Frauen mit 11 Prozent die zweithäufigste Ursache für Arbeitsausfälle. Jeder zweite Patient in der orthopädischen Praxis ist ein Rückenschmerzpatient.


Besonders dem Bereich der Lendenwirbels.ule kommt hierbei eine sehr hohe Bedeutung zu, denn gerade in diesem Abschnitt werden die meisten Beschwerden und Bandscheibenvorfälle diagnostiziert. Schmerzen in diesem Bereich werden auch als Low Back Pain bezeichnet. Als anatomische Region für den Low Back Pain gilt der Raum zwischen den Rippenb.gen und den Glutealfalten (Deyo et al., 2014). Als Ursachen für den sogenannten Low Back Pain werden degenerative Veränderungen, Tumoren, Entzündungen, Unfallfolgen, Diskushernien, Knochenkrankheiten, Entwicklungsstörungen, funktionell-statische Beschwerden sowie psychische Probleme diskutiert.

Denner (1998) führt als Hauptursachen Muskelinsuffizienzen und Mobilitätsverluste an. Diese Ursachen konnten von Köstermeyer et al. (2005) bestätigt werden. Im Rahmen der muskulären Causa ist vor allem die rumpfstabilisierende Muskulatur im Bereich der Lendenwirbelsäule sehr bedeutsam. Die rumpfstabilisierende Muskulatur wiederum kann in zwei myotendofasziale Verspannungsketten gegliedert werden. Davon kann die eine auf der Rumpfvorderseite und die andere auf der Rumpfrückseite lokalisiert werden. Beide Verspannungssysteme sind allerdings miteinander verbunden und bilden auf einer anatomischfunktionell übergeordneten Ebene das körpereigene Korsett zur Stabilisierung der Körpermitte. Nachfolgend werden die beiden myotendofaszialen Verspannungsketten näher erläutert.

Die ventrale myotendofasziale Verspannungskette

Den Schwerpunkt der ventralen myotendofaszialen Muskelkette bildet die Rektusscheide (Vagina m. recti abdominalis). Die Rektusscheide wird durch die Aponeurose der drei seitlichen Bauchmuskeln gebildet. Eingelagert in die Rektusscheide ist, wie der Name bereits vermuten lässt, der M. rectus abdominis. Nach Platzer (1999) können die Muskeln des Bauches wie folgt eingeteilt werden:

  1. Oberflächliche Bauchmuskulatur: – laterale Gruppe: M. obliquus externus abdominis, M. obliquus internus abdominis, M. transverus abdominis – mediale Gruppe: M. rectus abdominis, M. pyramidalis
  2. Tiefe Bauchmuskulatur: – M. quadratus lumborum, M. psoas major

Nun folgen einige Anmerkungen zu oben genannten Muskeln, um das ventrale Verspannungssystem besser nachvollziehen zu können. M. rectus abdominis ist auf dem vorderen Blatt der Rektusscheide durch bindegewebige Intersektionen, welche für die Sixpack-Optik ausschlaggebend sind, gegliedert. Er ist an der Vorderseite mit der Rektusscheide verwachsen, was für Spannungsübertragungen von den seitlichen Bauchmuskeln wichtig ist. An der Rückseite ist er jedoch nicht verwachsen. Der M. pyramidalis, ein kleiner Muskel, der von der Symphyse ausgehend in die Linea alba inseriert, wird teilweise zum M. rectus abdominis gez.hlt (vgl. Valerius et al., 2002). Der M. obliquus externus abdominis bildet oberhalb der Linea arcuata (circa eine Handbreite kranial der Symphyse) das vordere Rektusscheidenblatt und hat die Funktion, den Rumpf zur Gegenseite zu rotieren, den Rumpf zu flektieren sowie eine Lateralflexion zur gleichen Seite auszuführen. Der M. obliquus internus abdominis bildet oberhalb der Linea arcuata sowohl das vordere als auch das hintere Rektusscheidenblatt. Er rotiert den Rumpf zur gleichen Seite, flektiert ihn und übt eine Lateralflexion zur gleichen Seite aus. Dieser Muskel ist nicht palpabel. Die seitlichen Bauchmuskeln spielen wie folgt zusammen: Die Faserrichtung des Externus der einen Seite wird auf der anderen durch die des Internus fortgesetzt (vgl. Leutert, 1975). Diese Muskelkette dient der Rotation. Beide Externus-Internus-Ketten kreuzen sich in der Linea alba und werden in ihrer Funktion durch den M. erector spinae unterstützt. Der M. transversus abdominis bildet ober-

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Die dorsale myotendofasziale Verspannungskette

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Literatur
Boeckh-Behrens, W.-U., Buskies, W. (2002): Fitness-Krafttraining. 5. Auflage, Rowohlt, Reinbek
Denner, A. (1998): Analyse und Training der rumpfstabilisierenden Muskulatur. Springer, Heidelberg
Deyo, R.A., et al. (2014): Report of the NIH Task Force on research standards for chronic low back pain. In: Spine 39 (2014), pp. 1128-14 Abb. 16 Abb. 17
Gottlob, A. (2001): Differenziertes Krafttraining. Urban & Fischer, München
Köstermeyer et al. (2005): Rückenkraft, Fitness und körperliche Aktivität – Risiko oder Schutz vor Rückenbeschwerden? Ergebnisse einer Querschnittsuntersuchung. In: Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 56 (2), S. 1320-29
Leutert, G. (1975): Systematische und funktionelle Anatomie des Menschen. 3. Auflage, Thieme, Leipzig Platzer, W. (1999): Taschenatlas der Anatomie. 7., überarbeitete Auflage, Thieme, Stuttgart Valerius, K.-P., et al. (2002): Das Muskelbuch. Hippokrates, Stuttgart



Anschrift des Verfassers
Matthias Engel
Sportwissenschaftler und Heilpraktiker
Asbacherstraße 17c
98574 Schmalkalden



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Naturheilpraxis 12/2015