Spektrum Naturheilkunde

Löwenzahn (Taraxacum officinale)

Von der Signatur zur therapeutischen Anwendung

Margret Rupprecht

Alles fließt – „Panta rhei“. Dieser bekannte Satz steht am Anfang der abendländischen Philosophiegeschichte, ausgesprochen vom griechischen Philosophen Heraklit im fünften Jahrhundert vor Christus. Heraklit erkannte als einer der Ersten, dass menschliches Sein nur als Prozess verstanden werden kann. Existenz ist alles andere als statisch. Sie ist stets einem Wandel unterworfen, in dem sich gegensätzliche Pole mehr oder weniger stark miteinander abwechseln.


Legt man diese Betrachtungsweise dem Verständnis von Gesundheit und Krankheit zugrunde, wird deutlich, dass es sich bei „Gesundheit“ um einen Zustand handelt, der sich zwischen den beiden Polen von vollkommener Gesundheit und Krankheit befindet. Veränderungen im privaten oder beruflichen Umfeld verlangen von einem Menschen immer wieder neue Anpassungsleistungen. Kommt er ihnen nicht nach – aus einem Mangel an Problembewusstsein, innerer Kraft oder äußeren Möglichkeiten –, kann Krankheit entstehen. So gesehen ist Krankheit ein Aufruf zur Veränderung und Erweiterung von innerer Einstellung bzw. äußerer Lebensführung. Dieser Prozess wird von keiner Heilpflanze so wirksam unterstützt wie von Taraxacum officinale.

Löwenzahn – Impulsgeber für Wandlung und Lebensfluss

Wenige Pflanzen sind so weit verbreitet wie der Löwenzahn. Man findet ihn nahezu überall, und seine Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Standorte ist beachtlich.
Gleichzeitig zeigt er auch im äußeren Erscheinungsbild eine starke Wandlungstendenz: Schon früh im Jahr, wenn es noch kalt und nass ist, sprießt der Löwenzahn aus dem Boden und beginnt zu blühen. Seine strahlenförmigen Blüten färben ganze Wiesen gelb. Doch die Pracht dauert nicht lange. Schon bald verwandeln sich die gelben Blüten in runde, silberfarbene Fruchtstände. Sind die Löwenzahnsamen reif, werden sie wie kleine Schirme vom Wind auf und davon getragen.
Die sensible Reaktion der Blüten auf Wetterveränderungen ist ebenfalls von starker Wandlungskraft gekennzeichnet: Sie öffnen sich, wenn die Sonne scheint. Verschwindet sie jedoch hinter den Wolken, gehen die Blüten wieder zu. Eine Löwenzahnblüte spürt sehr genau, wann sie Energie tanken kann bzw. wann es angebracht ist, einen „introvertierteren“ Zustand zu pflegen. Bei Regen schließen sich Löwenzahnblüten bisweilen so stark, dass man annehmen könnte, sie seien verblüht. Dass eine Pflanze ein Lebewesen ist und – wie alle Lebewesen – bisweilen recht „eigen-sinnig“ sein kann, lässt sich am Löwenzahn sehr gut beobachten!
Löwenzahn steht mit seinem ganzen Pflanzenverhalten in enger Beziehung zum Thema Verwandlung, Anpassung und Fließen. Feste Formen und statisches Verhalten sind keine Charakteristika seines Wesens. Er steht daher in klarem Gegensatz zu jeder Art von Erstarrungs- und Fixierungsprozessen. Im steten Wandel von Formen und Verhalten steht der Löwenzahn in großer innerer Nähe zur Umwandlungsaktivität des Organs Leber.

Löwenzahn und Leberaktivität

Die Leber ist die große Alchimistin unter den Organen. In ihr läuft unentwegt eine Fülle von Stoffwechselprozessen ab. Damit ist sie der Ort mit der größten Umwandlungsaktivität im Organismus. Aufgrund der inneren Verwandtschaft zwischen Löwenzahnwesen und Leberaktivität ist Taraxacum officinale eine wertvolle und bewährte Heilpflanze in der Behandlung von Lebererkrankungen und allen Krankheiten und Befindlichkeitsstörungen, die aus einer beeinträchtigten Leberfunktion entstanden sind.

 


Eine nicht ausreichende Leberfunktion führt häufig zu Erstarrungs-, Ermüdungs- und Stauungsprozessen.


Auf der körperlichen Ebene sind sie oft Ausdruck von Erstarrungsvorgängen im Inneren des Menschen. Sie entstehen, wenn „nicht mehr genügend Lebenskraft aufgebracht werden kann für die Anpassung an die sich ständig verändernden Situationen in unserem Alltag und ein Rückzug auf starre Gedanken und Gefühlsnormen stattfindet“. (Kalbermatten)
Durch den therapeutischen Einsatz von Löwenzahn wird über eine Anregung der Leberaktivität auch die Psyche mobilisiert. Festgefahrene Vorstellungen und ...

Pharmakologie

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Anwendung in der therapeutischen Praxis

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Literatur
Rolf H. Adler et al (Hrsg.): Uexküll – Psychosomatische Medizin. Theoretische Modelle und klinische Praxis. Elsevier bei Urban & ­Fischer, München 2011
Hermann P. T. Ammon: Hunnius – Pharmazeutisches Wörterbuch. Walter de Gruyter, Berlin 2010
Marianne Beuchert: Symbolik der Pflanzen. Insel Verlag, Frankfurt 2004
Ursel Bühring: Praxis-Lehrbuch der modernen Heilpflanzenkunde. Grundlagen – Anwendung – Therapie. Haug Verlag, Stuttgart 2011
Ruediger Dahlke: Krankheit als Symbol. Handbuch der Psychosomatik und integralen Medizin. Bertelsmann Verlag, München 2014
Theodor Dingermann, Dieter Loew: Phyto-Pharmakologie. Experimentelle und klinische Pharmakologie pflanzlicher Arzneimittel. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, ­Stuttgart 2003
Friedemann Garvelmann: Pflanzenheilkunde in der Humoralpathologie. Pflaum Verlag, München 2000
Roger Kalbermatten: Wesen und Signatur der Heilpflanzen. Die Gestalt als Schlüssel zur Heilkraft der Pflanzen. AT Verlag, Aarau (Schweiz) 2002
Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel. Band 5. Mediamed Verlag, ­Ravensburg 1988
Max Wichtl (Hrsg.): Teedrogen und Phytopharmaka. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2002
Wolf-Dieter Storl: Heilkräuter und Zauberpflanzen zwischen Haustür und Gartentor. AT Verlag, Aarau 2004

 

Anschrift der Verfasserin
Margret Rupprecht
Heilpraktikerin und Medizinjournalistin
Hohensalzaer Straße 6a
81929 München



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