Einfach „dufte“
Anita Kracke
Ätherische Öle verwöhnen uns nicht nur mit ihrem Duft. Sie können auch – in entsprechender Qualität – therapeutisch eingesetzt werden. Je nach Ursprungspflanze, Herstellungsverfahren, Dosierung sowie Art und Ort der Applikation entfalten ätherische Öle besondere Wirkungen. Während die einen vor allem der Psyche guttun, können andere dank ihrer antibiotischen und antiseptischen Wirkung sogar im Kampf gegen Problemkeime helfen.
Der Geruchssinn ist wahrscheinlich der erste Sinn, der bei den Lebewesen ausgebildet wurde. Lange bevor sie sehen und hören können, nehmen sie Gerüche, Düfte, wahr. Die Riechorgane sind wie die Geschmacksorgane chemische Sinne, die ihre Hinweise über die Vermittlung von Wasser und Luft bekommen. Beide Wahrnehmungen dienen vor allem der Information in Bezug auf die Versorgung mit bekömmlicher Nahrung. Weiterhin ermöglicht der Geruchssinn die Orientierung in der Umwelt und das Erkennen von Gefahren. Er verschafft Kenntnisse über mögliche Sexualpartner und prägt das Sozialverhalten innerhalb von Gruppen. Bei niederentwickelten Wirbeltieren stellt das Riechhirn den größten Teil des Gehirns überhaupt dar. Der Geruchssinn und das Riechhirn sind direkt miteinander verbunden. Dadurch besteht ein unmittelbarer Zugang zwischen Außenwelt und Gehirn, und mit jedem Atemzug bekommt das Lebewesen Informationen aus der Umwelt.
Auch beim Menschen, dessen Gehirn sich im Laufe der Evolution sehr stark weiterentwickelt und vergrößert hat, besteht immer noch eine enge Verbindung zwischen dem Riechorgan und dem archaischen Teil des Gehirns, dem limbischen System und dem Hypothalamus. Das erklärt den starken Einfluss von Düften jeglicher Art auf menschliche Gefühle (1, 2). Duftstoffe, die über die Nasenatmung an das Riechepithel gelangen, können an entsprechende Rezeptoren der Sinneszellen in der Riechschleimhaut binden. Es kommt zu einer Aktivierung der Riechrezeptoren, wenn die Duftstoffe den passenden Rezeptor gefunden haben. Bei ausreichender Konzentration der Duftstoffe wird eine biochemische Kaskade in Gang gesetzt, die schließlich den Reiz entlang des Nervenfortsatzes der Riechzelle bis in das Gehirn leitet. Das geschieht in Sekundenschnelle (3). Die einzelnen Rezeptoren sind jeweils spezifisch für nur einen Duftstoff. Da natürliche Düfte in der Regel eine Mischung unterschiedlicher Komponenten darstellen, werden sie häufig – besonders aufgrund der Überschneidung der Rezeptoraktivierung durch die einzelnen Duftkomponenten – als ähnlich wahrgenommen. Es können auch Einzelkomponenten erkannt werden, die dann anderen Düften zugeordnet werden. Wie groß die Bedeutung des Geruchssinnes für den Menschen ist, möge die Tatsache verdeutlichen, dass im menschlichen Genom etwa 350 Riechrezeptoren verankert sind. „Es ist die größte Genfamilie im menschlichen Genom überhaupt“, so Prof. Dr. Dr. Dr. Hans Hatt (1).
Duftstoffe werden von Menschen, Tieren und Pflanzen abgegeben. Neben der Registrierung der einzelnen Bestandteile über den Nervus olfactorius sind Teile des Nervus trigeminus und das vomeronasale Organ an der Erkennung von Düften beteiligt. Über den N. trigeminus werden bevorzugt scharfe, beißende und brandige Gerüche wahrgenommen, die das betreffende Lebewesen in Alarmbereitschaft versetzen. Das Organon vomeronasale dient vornehmlich der Signalvermittlung innerhalb einer Gruppe über Pheromone. Das ermöglicht z. B. die Erkennung von Angehörigen der gleichen sozialen Gruppe, die Mutter-und-Kind-Beziehung, eine Partnerwahl und die Fortpflanzung zum richtigen Zeitpunkt (2). Die meisten Düfte werden unbewusst aufgenommen und verarbeitet.
Der Begriff „ätherische Öle“ deutet bereits darauf hin, dass es sich um volatile Stoffe handelt. Düfte, besonders die wohlriechenden, wurden schon seit ewigen Zeiten für rituelle Handlungen benutzt. Man räucherte („verschwelte“) Pflanzenteile, wobei die entstehenden typischen Gerüche Wirkungen an Menschen, Geistern und Göttern hervorrufen sollten.
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Literatur
(1) M. Werner; R. v. Braunschweig: Praxis Aromatherapie, Haug Verlag 2006, S. 126
(2) I. Stadelmann: Bewährte Aromamischungen – Mit ätherischen Ölen leben, gebären, sterben. Stadelmann-Verlag, 3. Aufl. 2003, S. 28 und 34
(3) P. Germann; G. Germann: Pflanzen der Aromatherapie. Kosmos-Verlag, 1. Aufl. 2012, S. 6 und 10
(4) D. Martinetz; R. Hartwig: Taschenbuch der Riechstoffe, Verlag Harri Deutsch, 1. Aufl. 1998
(5) S. Price; L. Price: Aromatherapie, Praxishandbuch für Pflege- und Gesundheitsberufe. Verlag Hans Huber, Bern, Göttingen, Toronto, Seattle, 1. Aufl. 2003, S. 33
(6) J. Reichling: Antibakterielle Wirkung von ätherischen Ölen unter Berücksichtigung des Problemkeims Staphylococcus aureus. Zeitschrift für Phytotherapie, 4, 2014, 35. Jg., Haug Verlag, S. 161ff.
(7) Claus M. Passreiter: Ätherische Öle in der Behandlung chronisch verlaufender bakterieller Infektionen. Zeitschrift für Phytotherapie, 4, 2014, 35. Jg., Haug Verlag, S. 167ff.
(8) U. Bühring: Praxis-Lehrbuch der modernen Heilpflanzenkunde. Sonntag-Verlag, ISBN: 3-8304-9097-6
(9) M. Melzig: Untersuchung von ausgewählten Saponinen aus phytotherapeutisch verwendeten Drogen auf die Antibiotikaempfindlichkeit relevanter Keime. Zeitschrift für Phytotherapie, 4, 2014, 35. Jg., Haug Verlag, S. 158ff.
(10) E. Zimmermann: Aromatherapie für Pflege- und Heilberufe. Sonntag-Verlag, 3. Aufl. 2006
Anschrift der Verfasserin
Dr. med. vet. Anita Kracke
Heilpraktikerin
Hasseler Steinweg 9–12
27318 Hoya
Den kompletten Beitrag lesen Sie in der Naturheilpraxis 10/2015
Naturheilpraxis 10/2015