Krebsforum

Die Mistel als Signatur der Landschaft

Olaf Rippe

Die Mistel gehört ohne Zweifel zu den ungewöhnlichsten Gewächsen unserer Flora. Es heißt, dass nur dort, wo Nachtmahre und Hexen Rast machen, Misteln wachsen können. Häufig wirken Orte, an denen Misteln gehäuft auftreten, unheimlich und beklemmend. Die Bäume wachsen knorrig und verdreht, Efeu rankt an ihnen empor, und nicht selten kommt es an solchen Orten zu ungewöhnlichen Phänomenen, die dem einen Furcht einjagen, dem anderen aber Visionen einer magischen Welt eröffnen, denn die Mistel wächst an den Toren zur Anderswelt.


Axis mundi – Die Mistel und ihr Wirtsbaum

Die Mistel ist untrennbar mit dem Baumwesen verbunden. Die Mistel kann nicht in der Erde wurzeln, sondern benötigt den Baum als Wirt, der sie trägt und ernährt. Dies ist ein wichtiger Aspekt, denn die nordischen Völker sahen in der Natur das Göttliche selbst, das sich dem Menschen vor allem in Baumgestalt zeigt. Sie sahen im Baum die Weltenachse, Axis mundi, durch die alle Welten, die der Götter, Geister, Toten und Lebenden, miteinander verbunden sind. Die Esche galt als Weltenbaum schlechthin. In der Linde offenbarte sich die Liebesgöttin Freya, in der Ulme der alles sehende Allvater Wotan oder in der Eiche der kraftvolle Donnergott Thor und der hellsehende Baldur. Und sogar die Menschen waren zunächst Bäume, bevor die Götter ihnen Verstand einhauchten. Da wundert es nicht, dass etwas, das nur auf einem Baum gedeihen kann, als zauberkräftig erkannt wurde.

Neben der Eiche verehrte man in alter Zeit besonders die glücksbringende Hasel. Unter ihr soll der Haselwurm hausen, der die goldenen Schätze der Erde bewacht, und wenn dann auch noch eine Mistel dort gedeiht, was extrem selten der Fall ist, dann galt dies als sicherer Hinweis für Schatzsucher, und entsprechend wurde die Mistel von Rutengängern genutzt – sie zeigt ja auch die typische Y-Form einer Wünschelrute. Die Mistel war vielleicht sogar die goldene Rute im Nibelungenlied. In Schweden soll es Brauch gewesen sein, die Mistel als Wünschelrute in der Johannisnacht zu sammeln (Frazer, 1989).

Ebenfalls sehr geschätzt wurde die seltene Weißdornmistel. Im Weißdorn leben nicht nur wohlwollende Naturwesen. Seine heilsamen Kräfte verdankt der wehrhafte kleine Baum, der sehr alt werden kann, der Zauberkraft Merlins, dessen Geist in den Weißdorn hineinver- ...

Die geheime Sprache der Mistel

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Die Mistel, ein Heilmittel für die Krankheiten unserer Zeit

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Anmerkungen
1 Ohne Misteln kein Glück.
2 Geistige Kraft eines Ortes; übersinnliche Macht, die einer Landschaft innewohnt.
3 Der Begriff wurde vom britischen Biologen Rupert Sheldrake eingeführt. Dabei handelt es sich um ein durch die Summe der einwirkenden Faktoren bewirktes Phänomen, das als „formbildende Verursachung“ für die Entwicklung von Strukturen sowohl in der Biologie, Physik und Chemie als auch in der Gesellschaft verantwortlich ist.

Literatur
James George Frazer: Der goldene Zweig. Rowohlt 1989
Olaf Rippe (Hrsg): Die Mistel – eine Heilpflanze für die Krankheiten unserer Zeit. Mythologie, Botanik, Signaturen, Pharmazie, Naturheilkunde, Onkologie. Pflaum Verlag, München 2010
Siegfried Seligmann: Die magischen Heil- und Schutzmittel aus der belebten Natur. Reimer 1996
Werner Christian Simonis: Erde, Mensch und Krankheit. Mellinger Verlag, Stuttgart 1974
Peter Selg (Hrsg.): Rudolf Steiner – Texte zur Medizin.(2 Bände); Rudolf Steiner Verlag, Dornach 2004

Unter www.natura-naturans.de zahlreiche weitere Fachartikel von Olaf Rippe und Hinweise auf seine Seminartätigkeit.

(Abb. 1, 3, 4, 6, 7 vom Verfasser)



Anschrift des Verfassers
Olaf Rippe
Heilpraktiker
Barer Straße 48
80799 München
Tel.: 089/2725902
www.olaf-rippe.de



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Naturheilpraxis 9/2015