Nerven und Hormone

Elf Strategien gegen Stress

Martina Schneider

Die Konzentration lässt immer wieder nach. Die Gedanken sind wie blockiert. Es ist mühsam, sich etwas zu merken. Der Mund ist trocken. Das Oberlid zuckt. Die Muskeln sind verspannt, der Kopf schmerzt. Und nachts knirscht man mit den Zähnen. Alle diese Symptome sind oft Anzeichen dafür, dass der Mensch mit starkem Stress auf seine derzeitige Lebenssituation reagiert. Methoden aus der angewandten Neurobiologie und energetische Verfahren können Abhilfe schaffen – elf alltagstaugliche Strategien schenken Erholung und Entspannung.


Strategie 1

Wie oft am Tag beherrscht das Modalverb müssen die Gedanken? An was alles man denken muss, weshalb man etwas tun müsste? Es ist beachtlich, wie viel Dominanz und Gewalt dieser kurze Gedanke, dieses kleine Wort ausüben kann. Es zwingt zu Dingen, zu denen man keine Lust hat, es bedrückt, wenn man ihm nicht Folge leistet, es drängt und drängelt und nimmt Lebensfreude. Wie anders ist es, wenn man etwas tun kann (oder es eben lässt), wenn man etwas tun möchte, will oder sogar darf. Das fühlt sich nach Freiheit an und nach Freiwilligkeit. Wem es schwerfällt, in anderen Kategorien als müssen zu denken, dem könnte – als Bild ausgedruckt – das rote Verkehrszeichen Stopp dienlich sein: Jedes Mal, wenn man müsste statt könnte oder dürfte, hält man sich das Stoppschild vor Augen. Es dauert nicht lange, bis sich dieses Bild ins Gehirn eingebrannt hat und ermöglicht, stressfrei(er) zu denken.



Strategie 2

Es könnte sein, dass sich nun gerade die innere Stimme meldet und wieder kritisiert, nörgelt, mäkelt. Und einem einredet, man sei unfähig, nicht liebenswert, hässlich und gemein. Stopp! Hilfreich ist der Rückzug – an einen Ort, wo man gerne ist, wo es ruhig ist. Und wo eine Fernbedienung liegt. Auch das ist ein probates Mittel gegen Stress: Die Fernbedienung in die Hand nehmen und so lange auf den Lautstärkenregler drücken, bis der Ton der inneren Stimme so ist, wie es dem Ohr angenehm ist. An der Tonalität lässt sich ebenfalls einiges verändern. Wer möchte, dass die innere Stimme weicher klingt, sonor, voller Resonanz, Ausdruck und Harmonie, tragend, wie lächelnd, übt sich darin, die Regler der Fernbedienung zu nutzen für das Ergebnis, das er hören will. Nach ein paar Tagen schon kann es passieren, dass die innere Stimme nicht mehr oder zumindest schon weniger nörgelt und schimpft, denn für das Gehirn passt es nicht zusammen, die weiche, volle, wie lächelnde Stimme und das Nörgeln.



Strategie 3

Glaubenssätze oder auch Einstellungen sind Leitgedanken, mit deren Hilfe jeder Mensch seiner Welt Sinn gibt. Quellen für Glaubenssätze gibt es viele: Eltern und Lehrer haben den Einzelnen genauso geprägt wie Menschen, die er bewundert oder ablehnt, traumatische Erlebnisse haben tiefe Spuren hinterlassen genauso wie wiederholte Erfahrungen.

Sobald ein Mensch von etwas überzeugt ist, verhält er sich meistens so, als ob es wahr wäre, eine (unabänderliche) Tatsache eben. Kaum jemand kann ihn vom Gegenteil überzeugen. Alles, was passiert, wird getreu der eigenen Einstellung gedeutet – Ausnahmen bestätigen nur die Regel. Wer etwas Positives von sich selbst glaubt, erlaubt sich die Freiheit, seine Fähigkeiten zu entdecken und zu handeln. Wer stattdessen denkt: „Das kann ich nicht“, schränkt sich ein, obwohl er nicht weiß, ob er es wirklich nicht kann. Er hat es noch nie ausprobiert! Und ist sie noch so groß, die Summe der negativen Erfahrung, die immer wieder Stress bereitet: Sie ist subjektiv, nicht objektiv, so steht es jedem frei, sie infrage zu stellen.

Ein spezieller Fragenkatalog hilft dabei:

Ein Gleichnis zum guten Schluss

Ein Wanderer macht nach einem mühsamen Tag Rast. Er setzt sich in den Schatten eines alten Baumes, lehnt seinen müden Rücken gegen den Stamm und streckt die Beine aus.
„Wie schön“, denkt er, „wäre jetzt ein kühler Trunk“ – da steht auch schon eine Karaffe vor ihm. Der Wanderer ist verblüfft, nimmt aber doch sogleich einen tiefen Schluck. So erfrischt, denkt er:
„Wie schön wäre jetzt ein Mahl dazu.“
Im selben Moment steht vor ihm ein Tisch, sauber gedeckt mit feinem Geschirr und köstlichen Speisen. Der Wanderer betrachtet die Tafel und denkt, ein bequemer Sessel könnte gut sein, da kann er auch schon Platz nehmen. Er isst und trinkt, wünscht sich Musik dazu und Tänzer und, als die Dämmerung hereinbricht, einen Kerzenleuchter.
Als er sich so reichlich erfrischt und gestärkt hat, denkt der Wanderer: „Wenn ich jetzt noch ein Bett hätte, wie schön wäre das!“
Da liegt er auch schon auf einem weichen Lager. Und kurz bevor er einschläft, schon halb im Traum, denkt er noch: „Wenn jetzt der Wolf kommt …“
(Aus Yvonne Ginsberg: Glücksmomente. Param Verlag, Ahlerstedt 2006)





Anschrift der Verfasserin
Martina Schneider
Heilpraktikerin und Medizinjournalistin
Seminarhaus Schlüsselblume
Am Sahrbach 3
53505 Kreuzberg/Ahr



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Naturheilpraxis 8/2015